Neues Speaking durch Corona?

Die weltweite Corona-Pandemie hat die Veranstaltungs- und damit auch die Speakerszene hart getroffen. Viele Stornierungen und wenige Umbuchungen auf online waren und sind gängige Praxis. Doch die Krise bietet auch in dieser Branche eine Chance.

Das Honorar eines Speakers besteht einerseits aus Geld und andererseits aus der Zustimmung, dem Lob und dem Applaus des Publikums. Das ist es, was motiviert und Spaß macht. In den letzten 2 Jahren hat vor allem Zweiteres gefehlt. Die Speaker arbeiten von zu Hause oder in einem Studio und sprechen in das schwarze Loch einer Kamera. Sie bekommen nicht mit, ob ihnen jemand zuhört, ob ihre eingeplanten Pointen aufgehen oder ob etliche  Zuhörer nebenbei ihre E-Mails beantworten. Das ist für viele gute Redner eine riesige Herausforderung, ist es doch mitunter ihre Stärke, auf das Publikum einzugehen, spontan zu reagieren oder zumindest auf die Stimmung im Saal Rücksicht zu nehmen und entsprechend zu agieren. Aber dazu später mehr.

Viele Veranstaltungen wurden abgesagt, Speaker-Auftritte storniert. Dennoch gibt es sie, die Online-Events, -Messen und -Kongresse, an denen Speaker fast so wie früher ihre Themen an das Publikum bringen. Der Speakermarkt erfährt jedoch eine massive Veränderung. Einerseits die Professionalisierung auf der Bühne (Stichwort: Holografie) und andererseits eine Professionalisierung in Bezug auf Online-Vorträge. Hier wurde sehr viel gelernt und investiert, um auch über dieses Medium das Publikum ähnlich oder vielleicht sogar genauso zu fesseln wie bei Live-Vorträgen. TRAiNiNG hat bei drei professionellen Speakern über die Änderungen am Markt nachgefragt.

Monika Herbstrith-Lappe (Speaker und Trainer, Vorstand VBT): »Der Speaker-Markt ist noch mehr von der Corona-Krise betroffen als der Trainingsmarkt, weil Events mit vielen Personen einerseits aktuell extrem vielen Restriktionen unterliegen und andererseits auch eine länger organisatorische Vorlaufzeit haben. Daher wirkt sich in der Eventbranche die Planungsunsicherheit besonders heftig aus. Am Beginn der Pandemie wurde der Markt mit kostenlosen Online-Angeboten überschwemmt. Allmählich werden die Kunden wieder wählerischer, von wem sie sich inspirieren und bestärken lassen. Und es entsteht wieder das Bewusstsein, dass diese Qualität auch einen höheren Preis wert ist. Wie in allen Krisen trennt sich auch jetzt Spreu von Weizen. Krisengewinner sind schon jetzt all jene, die sich technologische Möglichkeiten zu einem frühen Zeitpunkt erschließen. Nach der Krise haben jene die Nase vorne, die die durch stornierte Aufträge gewonnene Zeit nutzen, um ihre Netzwerke zu intensivieren und sich als Speaker weiterzuentwickeln. Es zeichnet sich schon ab, dass die Speaker-Szene gerade einen Qualitätssprung erfährt, in dem für Mittelmäßigkeit nur mehr wenig Platz ist.«

Roman Szeliga (Speaker und Humorbotschafter): »Was wir jetzt seit 2 Jahren bemerken: Die Anfragen (und Absagen) werden kurzfristiger, es gibt nahezu keine Planungssicherheit. Die Kunden erwarten vom Vortragenden größtmögliche Flexibilität und größtmögliche Kulanz bei Stornierungen. Auch die mutigen und engagierten Live-Veranstalter müssen zum Teil dramatische Restriktionen durchführen, geschuldet den jeweils aktuellen Covidregeln. Ein Beispiel: Ich wurde zu 2 Vorträgen an 2 Tagen im November in Deutschland vor ursprünglich geplanten jeweils 800 Teilnehmern engagiert. Im Zuge der Vorbereitung wurde stufenweise auf 400, dann auf 250 und letztendlich 100 Zuhörer reduziert. Vorgetragen habe ich dann in dem für die ursprüngliche Großgruppe gebuchten Saal vor 22 (!) Live-Teilnehmern und 200 Online-Gästen. Was ich wirklich gespürt habe: Viele Kunden sind süchtig nach Liveerlebnissen und bereit – wenn es wieder realistisch längerfristig möglich ist – hier Veranstaltungen mit externen, charismatischen Rednern durchzuführen. Diese Veranstaltungen dann, wenn es das Budget erlaubt, auch mit einer hybriden Komponente. Jedes noch so coole digitale Format kann das Liveerlebnis nicht ersetzen.«

Gabriel Schandl (professioneller Redner und Trainer): »Seit März 2020 sind die meisten Events gecancelt oder auf Online-Formate umgestellt worden. In den ruhigeren Sommerzeiten zwischen den Lockdowns waren einige Unternehmen mutig und haben wieder ihre Mitarbeiter zusammengetrommelt und Speaker dazugeholt, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Durch die vielen Lockdowns ist die Verunsicherung allerdings so hoch, dass sehr zurückhaltend organisiert und/oder gebucht wird. Leider verständlich. Wenn man jetzt als Speaker nicht mehrere Standbeine hat, hat man ein echtes Problem.«

Online-Speeches

Eine gute Rede soll vor allem unterhalten und motivieren und auch neue Denkanstöße bieten. Warum dafür derzeit kein Bedarf sein soll, ist nicht logisch und daher werden eben auch Vortragende für Online-Speeches gebucht.
Roman Szeliga über dieses aktuell verstärkt nachgefragte Format: »Nach Monaten im Home-Office spüren viele eine digitale Erschöpfung. Manche Kunden sehen es daher auch bei klassischen Jahres-Kick-off-Veranstaltungen, Weihnachtsfeiern und Firmenjubiläen, bei denen ein externer Referent gut passen würde ungefähr so: ›Wir müssen was machen! Wenn live schon wieder nicht geht – dann machen wir es eben online‹! Das sagt wohl schon alles. Meine Erfahrung: Es ist eine Art Ersatzbefriedigung, damit wenigstens irgendetwas geschieht. Ich habe für dieses Interview vorab meine Aufträge mit meinem Team grob evaluiert: Seit der Pandemie habe ich ca. 40 Online-Vorträge gehalten. Jeweils mit zwischen 50 und 6 000 Personen pro Vortrag. Durchschnittlich 80 % davon sind bis zum Schluss geblieben. 1/3 davon habe ich aus meinem eigenen, mittlerweile doch schon gut ausgestatteten Studio gestreamt, bei dem Rest war ich aus einem Profi-Studio zugeschaltet. Die Feedbacks, Chatkommentare & Co, die ich danach bekommen habe, waren durchwegs positiv, was mich natürlich immer freut. Aber während des Vortrags? 45 Minuten allein in das schwarze Loch der Kamera hinein performen, null Resonanz, null Live-Reaktion, keine fröhlichen Gesichter, kein Lachen, kein Schmunzeln, kein Applaus, keine Energie die fließt. Ja, als Profi kann man das Beste draus machen, aber langfristig bin ich nicht dafür angetreten, mich hier mit einem Monitor und 2 Kameras zu unterhalten. Sonst wäre ich Nachrichtensprecher geworden.«

Eine Keynote online zu veranstalten, ist viel schwieriger, als eine Live-Rede zu halten. Spannung und Aufmerksamkeit sind so aufzubauen, dass die meisten Teilnehmer während der ca. 45 bis 60 Minuten dauernden Rede dabei bleiben. Das erfordert Übung und Durchhaltevermögen. Denn, wie schon oben beschrieben, ist die Resonanz während des Vortrags meistens gleich Null. Dennoch – es ist durchaus spannend zu sehen, was sich manche Speaker alles einfallen lassen.

Monika Herbstrith-Lappe: »Es ist unglaublich, was online alles möglich ist. Die allermeisten Teilnehmer sind freudig überrascht, dass nicht nur Inhalte, sondern auch extrem viel Emotion und Atmosphäre online vermittelt werden können. Sie vermissen hauptsächlich die informellen Gespräche in den Pausen, die auch mit kreativen Tools nur ansatzweise ersetzt werden können. Je bedeutsamer das Vernetzen und die Beziehungspflege der Community sind, desto schwieriger ist es, Kunden Online-Veranstaltungen schmackhaft zu machen.«

Gabriel Schandl: »Prinzipiell werden Online-Vorträge gut angenommen, allerdings gibt es bereits eine Art Online-Sättigung. Es wurden ja nicht nur Events auf online umgestellt und zum Teil hochprofessionell durchgeführt. Es finden sämtliche Meetings und Besprechungen ja auch über Zoom oder MS Teams statt und irgendwann will man einfach nicht mehr vor dem Monitor sitzen.«

Honorare

Die Preisgestaltung von Vorträgen ist ein Thema, das auch im Magazin TRAiNiNG regelmäßig behandelt wird und immer wieder für Diskussionen sorgt. Heute soll es einmal nicht um das grundsätzliche Honorar von Speakern gehen, sondern um den Unterschied von Präsenzhonoraren zu Online-Honoraren, wenn es denn einen gibt. Trainerverbände, wie z.B. die Vereinigung der Business Trainer Österreichs (VBT), empfehlen, Online-Trainings keinesfalls günstiger als Präsenzseminare anzubieten. Wie sieht es bei Keynotes aus?
Gabriel Schandl kennt sich damit gut aus und hat auch schon öfters mit Kollegen darüber diskutiert: »Mit manchen Speakern kann man darüber verhandeln, vor allem mit denen, die Aufträge aktuell nötig haben. Andere haben den gleichen Preis wie für Präsenz-Vorträge und eine kleine Gruppe hat sogar höhere Honorare, weil sie meinen, dass online mehr Aufwand ist, vor allem an Vorbereitung und Technik, wenn man es anständig machen will. Alle drei Zugänge haben ihre Berechtigung, es ist nur eine Frage der Strategie und Argumentation.«

Roman Szeliga erklärt die Gründe, warum Speakerhonorare nicht günstiger werden sollten: »Natürlich versuchen Kunden immer wieder, hier eine Ermäßigung herauszuholen. Die Argumente kennen wir alle: ›Sie müssen ja nicht reisen …, es sind ja jetzt nur 45 Minuten …, Sie haben keinen Zusatzaufwand und können mehrere Vorträge/Tag machen usw.‹ In der Realität sind professionelle Vorträge aus einem professionellen Studio mit zum Teil spezieller Software, betreuenden Technikern und einer notwendigen Adaption der Vorträge auf die neuen Medien aufwändiger als ein Auftritt vor der Pandemie in echten Locations. Das Einzige, was aus meiner Sicht positiv ist: Es ist umweltschonend durch weniger Reisen. So gesehen argumentiert mein Team zu angefragten Honorarreduktionen, um den Kunden gleich einmal mit diesen Worten augenzwinkernd Wind aus den Segeln nehmen: ›Sie haben Glück, der Online-Vortrag kostet nicht mehr wie der Live-Vortrag, und Sie sparen dazu noch die Reisespesen, eine teure Halle, Catering für die Gäste usw!‹ Wir zählen dann die oben genannten Argumente für eine gute Online-Speech auf, und so werden dann von Kundenseite oft, aber nicht immer, Einsicht und Verständnis gezeigt. Eine Unkultur hat sich aus der neuen Online-Welt auch entwickelt, die ich noch ansprechen möchte: Viele Kunden gehen davon aus, den Vortrag ungefragt mitschneiden zu dürfen, um ihn dann ›allen, die nicht dabei sei konnten‹ zugänglich zu machen. Ich lehne das aus tiefster Überzeugung und Erfahrung ab und bin da sehr wachsam geworden!«

Monika Herbstrith-Lappe: »Ich verrechne für Online-Speeches das gleiche Honorar wie für Präsenzvorträge. Ja, ich erspare mir die Reisezeit. Der Kunde erspart sich aber die Reisespesen – nicht nur meine, sondern vor allem die der Teilnehmer. Online ähnlich wirksam zu sein wie in Präsenz, erfordert auch eine noch intensivere Vorbereitung und einen wesentlich höheren persönlichen Einsatz. In einem Raum mit vielen Anwesenden werde ich nach dem Start vom Flow des gemeinsamen Erlebens getragen. Hinter der Kamera muss ich diese Energie mit meiner Vorstellungskraft selbst schaffen. Ganz abgesehen von dem hohen technischen Aufwand, der dahintersteckt.«

Die meisten Experten sind sich also einig: Honorare bleiben gleich, egal ob online oder präsent. Jedoch gibt es natürlich immer wieder auch andere Speaker, die den Preis deutlich günstiger anbieten. Hier ist es wichtig, auch darauf zu achten, ob die entsprechende Technik geboten wird und das Medium eben auch wie von einem Vollprofi bedient wird.

Nachhaltige Veränderungen

Irgendwann wird die Corona-Pandemie ein Ende finden. Experten sind sich einig, dass bei Meetings und auch bei Fachseminaren viel in der Online-Welt bleiben wird. Wie wirkt sich die neue Normalität auf die Events mit Speakern aus?

Gabriel Schandl: »Corona war und ist ein Veränderungsbeschleuniger. Viele sind sehr schnell online fit geworden, weil es schlicht eine maximale Notwendigkeit dazu gab. Das wird uns zum Teil bleiben. Nicht überall hinreisen zu müssen, ist ebenfalls ein Vorteil, vor allem auch für die Natur. Trotzdem ist der Mensch ein soziales Wesen und wünscht sich den Austausch und Kontakt mit anderen. Deshalb werden Events in Zukunft, wenn wir die Pandemie überwunden haben, wieder stark zunehmen.«

»Auch zukünftig wird es viele Online-Vorträge und -Konferenzen geben«, meint Monika Herbstrith-Lappe. »Und viele verspüren eine große Sehnsucht, sich wieder in Präsenzveranstaltungen zu begegnen. Daher wird es vermutlich ein Mix werden. Das Verhältnis Online- zu Präsenzformaten steht dabei in enger Korrelation mit dem Verhältnis zwischen der Vermittlung von Inhalten und der Bedeutung des gemeinsamen Erlebens des Vortrags. Charismatische Speaker will man mit eigenen Augen auf der Bühne und nicht durch die Kamera am Bildschirm sehen. Toll ist es, dass man Vortragende in hybriden Formaten aus anderen Ländern dazu schalten kann. Viele werden auch davon Gebrauch machen, via Streaming aus der Ferne teilhaben zu können. Ein Veranstalter für den DACH-Raum hat früher einen jährlichen Kongress jeweils in einer anderen deutschen Stadt angeboten. Jetzt gibt es an 7 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur gleichen Zeit die Veranstaltung mit der Möglichkeit, via Streaming Vorträge von anderen Standorten zu hören. In der Pandemie hat sich auch gezeigt, wie wir alle in unserer Welt der Umbrüche mit zunehmender Komplexität, Ungewissheit und Widersprüchlichkeit gefordert sind. Wir Speaker können mit unseren Denkanstößen in kurzer Zeit höchst effektiv zur Innovationskraft einzelner Menschen, ganzer Unternehmen und damit auch unserer Gesellschaft beitragen. Deshalb schaue ich zuversichtlich in unsere Speaker-Zukunft.«

Roman Szeliga: »Ich glaube, überall da, wo es um Erlebnis, Freude, Netzwerken, Gemeinschaftsgefühl, nachhaltige Impulse und Interaktion geht, sind Live-Veranstaltungen durch nichts zu ersetzen. Gute, dramaturgisch inszenierte Hybrid-Events werden sicher zunehmend auch ein Thema werden, wobei dieses Format aufgrund der dafür benötigten höheren Budgets vor allem großen Kunden vorbehalten sein wird.«

Fazit
Gute, inspirierende Vorträge haben ihren Preis, egal ob online oder präsent. Gute Präsenzredner sind nicht automatisch gut in einem Online-Vortrag. Das erfordert viel Übungszeit und teures technisches Equipment. Keynotes können online auch funktionieren, jedoch ist der Ruf nach Präsenzverstaltungen hier eindeutig höher als bei Schulungen und Seminaren.

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