Professioneller Personalabbau

Personalabbau – das bedeutet Stress für alle Beteiligten im Unternehmen. In diesem Beitrag lesen Sie, wie es den unterschiedlichen Personen-Gruppen geht.

Personal abbauen bedeutet für alle Beteiligten immer eine hohe Belastung – unabhängig davon, ob sie

  • zu den »Entscheidern« oder »Umsetzern«,
  • zu den gekündigten oder verbleibenden Mitarbeitern, auch »Survivor« genannt, oder
  • zum Betriebsrat

zählen.
Deshalb sollten in dieser ohnehin angespannten Situation Pannen und überflüssige Konflikte vermieden werden, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Hilfreich ist hierbei, sich die besonderen (psychischen) Belastungen und Aufgaben bewusst zu machen, vor denen die beteiligten Personengruppen bei einem Personalabbau stehen.

Die »Entscheider« tragen die Verantwortung
Meist trifft der Vorstand oder die Geschäftsleitung die Entscheidung zum Personalabbau. Die Entscheider sind in Großunternehmen jedoch meist nicht unmittelbar in die operative Seite des Personalabbaus involviert, sie tragen jedoch die Verantwortung für den Erfolg der Maßnahme. Mit ihr sind viele Gefahren verbunden. Zum Beispiel: Unruhe und Demotivation in der Belegschaft, Fluktuation der Leistungsträger, erhöhter Krankenstand, Schäden für Unternehmens- und Markenimage. Also müssen die Entscheider im Vorfeld abwägen: Ist der durch den Personalabbau erzielte »Gewinn« größer als der »Schaden« – kurz-, mittel- und langfristig? Entscheiden sie sich für einen Personalabbau, sollten sie beim weiteren Vorgehen folgende Maximen beachten:

  • Offen kommunizieren: Der Vorstand oder die Geschäftsführung sollte den Mitarbeitern die Gründe, Ziele und den geplanten Ablauf des Personalabbauprozesses darlegen.
  • Schnell handeln: Nach der Information der Belegschaft existiert ein »Window of Opportunity« von etwa drei Monaten. In dieser Zeit werden Veränderungen am ehesten akzeptiert.
  • Hängepartien vermeiden: Die Belegschaft durchläuft nach der Ankündigung des Personalabbaus ein emotionales Tief. Diese Situation muss schnell überwunden und der Blick wieder nach vorne gerichtet werden.
  • Den Personalabbau fair und sozial verträglich gestalten: Das hilft, versteckte Kosten, beispielsweise aufgrund einer gesunkenen Arbeitsmoral und juristischer Auseinandersetzungen, zu vermeiden.
  • Mit den Leistungsträgern Einzelgespräche führen: Ihnen sollten unter anderem ihre Perspektiven im Unternehmen verdeutlicht werden, um ein Abwandern zu vermeiden.

Die »Umsetzer« führen den Abbau durch
Wenn Personal abgebaut wird, stehen meist die vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeiter im Fokus. Wenig Beachtung wird den »Umsetzern« des Vorstands- oder Geschäftsleitungsbeschlusses geschenkt. Dabei benötigen sie oft eine (emotionale) Unterstützung, denn sie stehen an der emotionalen Front. Die Situation der »Umsetzer« ist während des Personalabbauprozesses unter anderem durch folgende Faktoren gekennzeichnet:

  • eine hohe Arbeitsbelastung aufgrund zusätzlicher Aufgaben (u. a. Einzelgespräche führen, Aufhebungsverträge abschließen, Arbeitszeugnisse schreiben) und
  • einen emotionalen Stress wegen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den (betroffenen) Mitarbeitern, die oft ein Feindbild gegenüber den »Umsetzern« entwickeln.

Mit dieser Situation umzugehen, fällt vielen Führungskräften und Mitarbeitern der Personalabteilungen schwer, weil sie auf die Aufgabe Personalabbau schlecht vorbereitet sind und hierbei wenig (mentale) Unterstützung erfahren. Zudem befürchten sie oft, selbst mittelfristig arbeitslos zu werden. Denn mit der Mitarbeiterzahl sinkt auch der Bedarf des Unternehmens an Führungskräften und Personalfachleuten. Folglich kann die »Umsetzer« das loyale Umsetzen der Beschlüsse ihrer Vorgesetzten letztlich den Arbeitsplatz kosten.  Diese Bedenken und Ängste können und dürfen die »Umsetzer« jedoch nicht zeigen. Hierfür fehlen ihnen firmenintern zudem Gesprächspartner. Dies erhöht ihren inneren Druck. Erleichterung können den »Umsetzern« in dieser Situation zum Beispiel eine Vorbereitung auf das Führen der Trennungsgespräche in Seminaren und ein regelmäßiges Coaching durch externe Berater während der heißen Phase des Personalabbaus bieten.

Die »Gekündigten« müssen gehen
Steht fest, wer das Unternehmen verlassen muss, spaltet sich die Belegschaft meist in Betroffene und Nicht-Betroffene.
Auf die Mitteilung ihrer Kündigung reagieren die Betroffenen unterschiedlich. Es gibt

  • den Gefassten, der keine Emotion zeigt,
  • den Geschockten, der Mitleid erregt,
  • den Hysterischen, der emotional diskutiert,
  • den Verhandler, der rational das Gespräch sucht und
  • den Bittsteller, der mit seinen Verpflichtungen und seiner Loyalität argumentiert.

Nach diesen ersten Reaktionen suchen viele Betroffene Hilfe beim Betriebsrat, der Gewerkschaft und/oder einem Rechtsanwalt. In dieser Phase tritt die Leistungserstellung in den Hintergrund. Der Krankenstand steigt, Mitarbeiter stehen in Grüppchen zusammen und tauschen ihre Meinungen aus. Viele sind wütend auf das Management und die Personalabteilung. Sie haben Angst vor der Zukunft, weil sie wissen: Ich finde nur schwer eine neue, adäquate Arbeitsstelle. Zudem wissen die Gekündigten oft noch nicht, wie sie diese Herausforderung meistern sollen – insbesondere, wenn sie sich seit Jahren nicht mehr beworben haben. Außerdem können sie nicht einschätzen, inwieweit ihre Qualifikation am Arbeitsmarkt (noch) gebraucht wird. Entsprechend mut- und perspektivlos sind viele.

»Survivor«: Wechselbad der Gefühle
»Survivor« sind bei Personalabbauprozessen meist die am wenigsten beachtete Gruppe. Dabei möchte das Unternehmen mit ihnen die Zukunft meistern. Bei einem Personalabbau tragen die »Survivor« Wasser auf beiden Schultern: Sie bedauern die Betroffenen, mit denen sie teilweise jahrelange Arbeitsbeziehungen und eventuell sogar Freundschaften verbinden. Sie wünschen sich, etwas gegen das Ausscheiden ihrer Kollegen tun zu können, und fühlen sich als »Verbleibende« mitschuldig an deren Schicksal. Andererseits wollen und müssen sie gegenüber dem Unternehmen loyal bleiben, während die Betroffenen auf die Firma und das Management schimpfen. Dieses gefühlsmäßige Hin- und Hergerissensein endet erst, wenn die Gekündigten das Unternehmen tatsächlich verlassen haben. Dies bewirkt auch Verhaltensänderungen bei den »Survivor«. Oft sinkt während des Trennungsprozesses ihre Motivation und Risikobereitschaft. Sie fehlen häufiger, sind weniger produktiv und einige verlassen sogar das Unternehmen. Wie stark die Verhaltensänderung ist, hängt davon ab, ob die »Survivor« den Personalabbauprozess als fair bewerten; außerdem, ob sie vermuten, dass sich der Personalabbau eher positiv oder eher negativ auf ihre Arbeitssituation auswirkt.

Der Betriebsrat vermittelt
Ein »guter« Betriebsrat kennt die Kollegen und kann die Betriebs- und Marktsituation einschätzen. Deshalb bringt er oft kreative und konstruktive Ideen ein, mit denen der Personalabbau sozial verträglich gestaltet und das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt werden kann. Zudem unterhält der Betriebsrat meist engere persönliche Kontakte mit den Kollegen als die Geschäftsleitung. Daher kann er Stimmungen früh erkennen und so lenken, dass überflüssige Konflikte vermieden werden. Deshalb kann ein starker und kompetenter Betriebsrat, der nicht unter dem Einfluss externer Funktionäre steht, beim Personalabbau ein Co-Management zum Wohle aller Beteiligten betreiben.

Konfliktpotenzial mindern
In der ohnehin angespannten Situation des Personalabbaus gilt es, alle überflüssigen Konflikte zu vermeiden. Sie entstehen oft dadurch, dass Mitarbeiter nicht ausreichend informiert und in den Prozess einbezogen werden.

Um solche Pannen zu vermeiden, holen Unternehmen zuweilen Outplacementberater an Bord, die

  • mit ihnen eine Art Drehbuch für den Personalabbauprozess und die anschließende Neuorientierung des Unternehmens entwerfen,
  • die Führungskräfte auf die anstehenden, ungewohnten und unangenehmen Aufgaben vorbereiten und
  • den gekündigten Mitarbeitern helfen, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln,

sodass der Betriebsfrieden gewahrt bleibt und das Unternehmen nicht langfristig unter dem Personalabbau leidet – zum Beispiel in Form langwieriger Kündigungsschutzprozesse oder einer geringeren Identifikation der »Survivor« mit ihrem Arbeitgeber.

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kraus

Gastautor
Georg Kraus
ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (D).
www.kraus-und-partner.de