Sprachen lernen im virtuellen Kursraum

Wir haben den Berlitz Virtual Classroom getestet. Eine Fremdsprache online mittels Live-Trainings zu erlernen bzw. zu verbessern, ist eine feine Sache.

Berlitz nutzt für seinen »Virtual Classroom« die Software Adobe Connect, die sich in den letzten Jahren weltweit zu einer von wenigen Standardlösungen entwickelt hat. Entsprechend einfach sind Installation und erste Anmeldung. Von Berlitz erhält man einige Tage vor Beginn der ersten Einheit ein E-Mail mit Links zu Installations-Anleitungen und Testseiten. Dort kann man sich mit der Online-Umgebung vertraut machen – und schon damit beginnen, sich durch Unterlagen zu klicken, Materialien herunterzuladen oder erste Vokabel- und Grammatiktests zu machen.

Am vereinbarten Tag zur vereinbarten Zeit klicke ich dann einfach im E-Mail auf den Link zum Einstieg – und schon geht es los.
Die Trainerin begrüßt mich freundlich auf Englisch – für mich passiert das nach dem Klick auf den Link und dem Sich-Öffnen der Seite so schnell, dass ich ein bisschen nervös werde: alles neu, gleich auf Englisch antworten, wohin am Bildschirm schauen – zur Trainerin oder doch auf den Folienbereich daneben?
Ein bisschen stressig sind die ersten Minuten also schon. Aber das ist gut so, denn wenn man beispielsweise einen Geschäftspartner das erste Mal trifft und dabei in einer Fremdsprache zu reden beginnen muss, ist das ja auch mitunter stressig.
In meiner Übungseinheit geht es darum, als Recruiter ein Bewerber-Interview auf Englisch zu führen. Und es zeigt sich sehr schnell, dass die Trainerin nicht nur als Native Speaker ein wunderschönes Englisch spricht und die Didaktik des Online-Lernens beherrscht, sondern auch sehr viel über Job-Interviews weiß.
Wir beginnen damit, ganz generell über Bewerbungsgespräche zu reden. Als erstes definieren wir gemeinsam die einzelnen Phasen eines solchen Gesprächs. Dabei stellt mir die Trainerin immer wieder konkrete Fragen: Wie könnte ich die Bewerberin begrüßen? Wie könnte ich Small Talk starten? Mit welchen Fragen würde ich das konkret tun? Als wir die Begrüßungsphase fast zu Ende besprochen haben, fragt mich die Trainerin, ob ich es für eine gute Idee halte, der Bewerberin etwas zu trinken anzubieten. Ja, natürlich! Sie bittet mich, die entsprechende Frage zu formulieren und direkt an sie zu richten.
Wenn ich bei diesen Übungen einen Fehler mache, korrigiert sie mich und tippt die richtige Formulierung in ein Chat-Fenster. So kann ich die korrekte Form nicht nur hören, sondern auch lesen. Alles von ihr Getippte werde ich mir am Ende der Session als eine Art Protokoll herunterladen können.
Auf diese Art gehen wir die einzelnen Phasen eines Job-Interviews durch. Es läuft alles sehr smooth, das Gesprächsklima ist angenehm, hin und wieder lachen wir auch. Durch die Intensität und die immer wieder von ihr gemachten Verbesserungsvorschläge habe ich das Gefühl, gerade sehr viel zu lernen. Mehr als es im Alltag möglich wäre! Denn durch das Üben im Zuge vieler Bewerbungsgespräche wird mein Fach-Englisch wohl immer besser werden, aber es ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Bewerber dabei jeden meiner Fehler ausbessern. Genau dieses unmittelbare Feedback ist aber besonders wertvoll.

Am Schluss der 40-minütigen Trainingseinheit steht ein Rollenspiel. Die Trainerin übernimmt dabei die Rolle einer Bewerberin für eine Stelle in unserem Verlag.
Was beim gemeinsamen Besprechen (und auch bei den Übungen, die ich vorab online gemacht hatte) noch so logisch und einfach gewirkt hat, ist plötzlich deutlich schwieriger. Das beginnt schon bei der Begrüßung. Als ich sie dann etwas später frage, warum sie sich für diese Position in unserem Verlag bewirbt (eine Frage, die wir zuvor durchbesprochen haben), sagt sie mir, sie mache das mehr oder weniger nur des Geldes wegen. Aha. Darauf dann inhaltlich richtig und in gutem Englisch zu reagieren, verlangt mir sehr viel ab.
Schließlich bringen wir das Gespräch zu einem guten Abschluss. Auch wenn wir dabei nicht aufstehen und einander die Hände reichen können, fühlt sich alles sehr »echt« an. Während dieses gespielten Interviews hat mich die Trainerin bei Fehlern nicht unterbrochen, sondern sich – zunächst von mir unbemerkt – Notizen gemacht. Diese gehen wir im Anschluss gemeinsam durch – und wieder habe ich das Gefühl, gerade sehr viel zu lernen.

Die 40 Minuten sind vorbei und ich merke: Das war gerade ziemlich intensiv. Wir verabschieden uns, die Trainerin steigt aus dem Online-Kurs aus, ich schaue mich noch ein bisschen im »Kursraum« um und lade mir das Protokoll mit den Verbesserungsvorschlägen und neuen Formulierungen herunter. Danach brauche ich zunächst einmal eine kurze Pause.

Ein persönliches Treffen wäre wohl noch lernintensiver gewesen – allerdings undurchführbar. Im konkreten Fall saß ich in der TRAiNiNG- Redaktion in Wien und die Trainerin irgendwo in Schweden. Und so ist diese Form der One-on-one-Videokonferenz wohl die effizienteste Art, eine Fremdsprache zu üben, vor allem, wenn es um ganz spezifische Themen und Vokabeln geht.
Dass so eine persönliche Trainer-Einheit nicht die kostengünstigste Lernmethode sein kann, liegt auf der Hand. Um das Maximum aus den einzelnen Einheiten für sich herauszuholen, sollte man daher unbedingt vorab die Lernmaterialien durcharbeiten und die Vokabeltests absolvieren. Und im Anschluss an die Einheiten die Protokolle herunterladen (auch die gesamte Lektion kann aufgezeichnet werden) und an den gemachten Fehlern arbeiten. Dann ist diese Form sehr kosteneffizient. Und wie immer bei Sprachtrainings gilt auch hier: Von nichts kommt nichts.

Diese Trainings im virtuellen Klassenzimmer werden nicht nur als Einzeltrainings, sondern auch als Gruppentrainings angeboten. Für größere, auf mehrere Standorte verteilte Unternehmen hat das einen zusätzlichen Vorteil: Nicht nur die Trainer, sondern auch die Teilnehmer (Mitarbeiter) sind ortsunabhängig. Das macht es wesentlich leichter, eine Gruppe von Teilnehmern zusammenzustellen, die alle ein ähnliches Sprachniveau haben. Das steigert nicht nur die Effizienz des Trainings, sondern macht die gemeinsamen Übungen im »Klassenzimmer« auch interessanter. Sich für solche Einheiten mit Kollegen aus der ganzen Welt zu vernetzen, ist einfach eine spannende Sache. Ganz abgesehen von den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, mit denen man dann gleich als Input arbeiten kann. Mittlerweile kommen damit Menschen aus ganz Europa »live« zusammen, um gemeinsam in einem virtuellen Klassenzimmer mit Unterstützung eines Trainers eine Fremdsprache zu erlernen.

Deniz Cooknell ist Sales Director Europe für Berlitz Virtual Classroom. Sie verrät im Interview (passender Weise ebenfalls mittels Videokonferenz in einem Virtual Classroom), dass dieses Programm eine jährliche Wachstumsrate von ca. 30 % hat und damit das am schnellst wachsende Programm bei Berlitz ist. Berlitz ist damit im Jahr 2001 an den Start gegangen und war damals der erste Anbieter. Seitdem hat sich technisch viel geändert, Berlitz hat verschiedene Tools und Apps probiert und mit diesen auch die eigenen Programme stets weiterentwickelt.
Heute sind ca. 80 % der Teilnehmer am Berlitz Virtual Classroom Firmenkunden. Es werden 40 verschiedene Sprachen angeboten, ca. 60 % der Trainings sind für die Fremdsprache Englisch. Allerdings erlebt Deutsch als Fremdsprache gerade einen Boom, jedes Jahr wächst die Nachfrage danach beinahe auf das Doppelte an.  65 % der Trainings sind Einzeltrainings, 35 % virtueller Gruppenunterricht, wobei in diesen Gruppenkursen jeweils maximal 6 Teilnehmer sind.
Software und Hardware entwickeln sich rasant weiter. Deniz Cooknell erwartet sich gerade für die nächsten 5 Jahre viel Neues auf diesem Gebiet und ist sich sicher: »Die Zukunft wird spannend!«

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Cooknell_Deniz

Deniz Cooknell
ist Sales Director Europe für Berlitz Virtual Classroom.
www.berlitz.at