Veränderung am laufenden Band

Worauf es bei einem Personalabbau ankommt, und was die Personalabteilung tun kann, um diesen bestmöglich über die Bühne zu bringen, lesen Sie hier.

In den meisten Unternehmen sind Veränderungsthemen wie Change Management und Unternehmenskultur hoch im Kurs. Wobei diese Veränderungen natürlich gewollte Eingriffe in bestehende Strukturen bedeuten. Wenn jedoch, so wie bei der Opel Wien GmbH aktuell, eine Veränderung nicht nach der anderen, sondern am laufenden Band auf die Mitarbeiter zukommt, dann ist dies sehr belastend. Führungskräfte und auch die Personalabteilung sollten Klarheit und Struktur vermitteln, was wiederum kaum zu erfüllen ist.
Als wir bei uns im Management das Thema ­VUCA-Welt besprochen haben, fühlten wir uns so, als ob dieses Konzept extra für uns geschrieben wurde. Auftragsrückgänge, Umstrukturierungen und damit verbundener Personalabbau sind uns bestens bekannt. Viele von uns haben in irgendeiner Form als Arbeitgeber, als Personalist oder als Mitarbeiter eine solche Situation erlebt. Gerade sehr auftragslastige Produktionsbetriebe, die von so manchem Projekt oder Großauftrag abhängig sind, wissen wie schnell und unerwartet so eine Restrukturierung vor der Türe stehen kann.
Ziel von Umstrukturierungen und derartigen Abbauwellen ist es, dass das Unternehmen danach wieder besser und stärker am Markt bestehen kann. Einerseits natürlich bezogen auf Kosten und Wettbewerbsfähigkeit, andererseits aber auch aufgrund neuer lukrativer Aufträge.

Mit derartigen Umstrukturierungen im Betrieb gehen oft viele Emotionen, Befindlichkeiten und auch Unsicherheiten einher. Gerade hier ist die Personalabteilung gefragt. Denn diese hat in solchen unklaren und auch unsicheren Zeiten das Ruder in der Hand. Schließlich laufen viele Veränderungsprozesse über die Personalabteilung. In der Realität sind es jedoch ganz stark die Führungskräfte, die in solchen Phasen entscheidend gebraucht werden. Gemeinsam mit der Personalabteilung muss durch diese Zeit »geführt« werden. Wobei der Personalabbau meist keine bevorzugte Tätigkeit von Führungskräften ist. Man verändert nur ungern die Lebenssituation der eigenen Mitarbeiter auf so radikale Weise. Insbesondere, wenn diese oft wenig direkten Einfluss auf solche Entscheidungen hatten.
Aus Sicht der Personalabteilung hat diese schwierige Phase auch den einen oder anderen positiven Aspekt. Denn man ist in solchen Momenten stärker gezwungen, sich die Fähigkeiten, Leistungen und Möglichkeiten der Mitarbeiter genauer anzusehen. Man weiß, dass man sich vielleicht besser von einem oder mehreren Mitarbeiter trennen sollte, da das Arbeitsverhältnis nicht mehr optimal passt. In guten Zeiten wird oft (und leichter) über derartige Situationen hinweg gesehen.

In unserem konkreten Fall kommen mehrere Veränderungen gleichzeitig auf die Mitarbeiter zu. Einerseits gab es einen Eigentümerwechsel, andererseits einen damit verbundenen »Mindset Change« in der Herangehensweise vieler Aufgaben. Diese Aspekte zusammen mit einem Personalabbau aufgrund Volumensrückgängen verursacht eine enorme Unsicherheit. Am besten wäre ein klarer Schnitt und ein klarer Neustart. Nur leider funktioniert dies in der Praxis nicht. Wir haben Produkte, die bis zu ihrem Auslauf in einwandfreier Qualität und zeitgerecht erzeugt werden müssen. Gleichzeitig verlangt ein neues Produkt viel Aufmerksamkeit. Aber da ist dann auch noch diese Unsicherheit, welche für viele Führungskräfte und Mitarbeiter eine enorme Belastung darstellt.

Meine persönliche Meinung ist immer, dass Klarheit und Offenheit in solchen Situationen am besten ist. Wir alle haben erwachsene Mitarbeiter, die mit der Wahrheit umgehen können. Das Vertrauen in derartigen Zeiten ist ohnehin schon sehr beeinträchtigt. Das heißt Kommunikation und Information sind wesentlich. Der Gesprächsbedarf für Mitarbeiter ist in solchen Zeiten enorm hoch. Man möchte gehört werden und seine Sorgen anbringen. Gerade dazu sind Führungskräfte (und auch Personalisten) in der intensiven Phase des Personalabbaus jedoch häufig nicht gut in der Lage. Denn Mitarbeiter haben einen hohen Gesprächsbedarf bei solchen Themen und insbesondere bei langen Dienstverhältnissen.

Wir haben mit unseren Sozialpartnern bei der Entscheidung über die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter einen guten Kompromiss getroffen. Wir ermöglichen einem Teil, sich freiwillig zu melden, über den anderen Teil entscheidet das Unternehmen. Die Freiwilligkeit klingt »einfach«. Doch wie motiviert ist jemand, der sich freiwillig meldet, das Unternehmen mit einer Zuzahlung zu verlassen, und ihm dies jedoch nicht ermöglicht wird? Gleichzeitig ist die alleinige Auswahl durch das Management vielleicht auch nicht ideal. Denn man behält Mitarbeiter, die innerlich schon gekündigt haben und nur aufgrund von alten Dienstverträgen bleiben.
All diese Entscheidungen sind zu treffen. Und es gibt keinen perfekten Weg. Es muss zu dem Unternehmen und zu der jeweiligen Situation passen. Ein wichtiges Zeichen für alle Mitarbeiter im gesamten Personalabbau ist auf jeden Fall ein wertschätzender und gut organisierter Austrittsverlauf. Sowohl für jene, die als Betroffene das Unternehmen verlassen als auch für jene, die verbleiben. Denn man zeigt damit, wie wichtig ein Mitarbeiter dem Unternehmen auch als Mensch ist. Es demonstriert auch, dass das Unternehmen diese Veränderung nicht auf die leichte Schulter nimmt. Ein Angebot an Informationsveranstaltungen, an Trainings und die Offenlegung verschiedener zukünftiger Möglichkeiten vermittelt die gelebte Verantwortung des Unternehmens. Und da ist die ernst gemeinte Präsenz und Verantwortung der Führungskräfte erkennbar.
Allen ist bestens bekannt, dass der Umgang mit den verbleibenden Mitarbeitern ganz entscheidend für die Zukunft des Unternehmens ist. Auch wenn sich das einfacher sagt, als es ist. Gerade Personalisten wissen, wie schwierig es ist, im Trubel des Abbaus diesen Grundsatz hoch zu halten und nicht zu vergessen. Denn der Personalabbau verlangt viele Ressourcen, viel Administration, Vorbereitung und menschlichen Umgang.

Die verbleibende Belegschaft – oft »Überlebende« (survivors) genannt – wird gerade vom Management nicht besonders beachtet. Denn augenscheinlich haben diese Mitarbeiter kein Problem. Und es stimmt, sie sind nicht von einem Arbeitsplatzverlust/Arbeitsplatzwechsel betroffen und werden nicht aus einem langjährigen Umfeld herausgerissen. Doch die Arbeitssituation ist für diese Mitarbeiter auch nicht mehr so, wie es vor dem Abbau war. Sie haben ebenso die Unsicherheit durchlitten wie jene Kollegen, die das Unternehmen verlassen mussten. Sie haben vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen diesen Mitarbeitern gegenüber, da sie den Arbeitsplatz behalten konnten. Gleichzeitig steigt aber auch der Leistungsdruck, denn zahlreiche Prozesse und Abläufe müssen neu aufgesetzt werden. Oft geht viel Wissen und Know-how verloren und man fängt teilweise neu an.
Wenn man Mitarbeiter mit hohem Potenzial unter den Verbleibenden hat, so ist es auch in dieser Phase sehr wichtig, sie weiter motiviert und interessiert zu halten. Denn mit dieser Mannschaft möchte man ja neu durchstarten und in Zukunft Erfolg haben.

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Schlosser

Gastautorin
Barbara Schlosser
ist Personaldirektorin
bei der Opel Wien GmbH
sowie Vize-Präsidentin
des Forum Personals
des ÖPWZ.
www.opel.com
www.opwz.com/forum-personal