Vertrauen ist gut, nachfragen besser!

TRAiNiNG hat auch in der aktuellen Ausgabe einige Geschichten, die von Trainern verwendet werden, um ihre Botschaften zu unterstreichen, auf deren Wahrheitsgehalt überprüft.

»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, hört man den Trainer oft sagen. »Sie müssen nur an sich glauben, Sie brauchen den Überlebenswillen, dann können Sie auch Berge versetzen.« Gleich  im Anschluss erzählt er im Seminarraum folgende Geschichte, die Sie vermutlich schon einmal gehört haben: »Wenn man Ratten in einen Kübel voll Wasser wirft, aus dem sie nicht entkommen können, schwimmen sie einige Zeit (bis ihre Kräfte schwinden) und ertrinken dann. Wenn man nun eine Ratte kurz vorm Ertrinken rettet und sie (nach genügend Zeit zum Ausruhen) wieder zurück in den Kübel gibt, überlebt sie viel länger, da sie die Hoffnung in sich trägt, wieder gerettet zu werden.«
Haben Sie diese Geschichte schon einmal hinterfragt? Stimmt das wirklich?
Diese Geschichte ist tatsächlich wahr!
Sie geht zurück auf einen in den 60er-Jahren durchgeführten Versuch des amerikanischen Psychologen und Verhaltensforschers Curt Richter. Allerdings ging der exakte Versuch etwas anders. »Die Welt« fasst die Forschung von Richter in dem Artikel »Die Motivation ist entscheidend« vom 25. Februar 2010 zusammen. Der Originalartikel lautet »On the Phenomenon of Sudden Death in Animals and Man« (C.P. Richter).
»Der Psychologie-Professor hatte die Nager in ein Bassin geworfen, aus dem es kein Entkommen gab. Manche Tiere ließen sich schon nach wenigen Minuten sinken. Sie hatten sich aufgegeben und akzeptierten den Tod. Andere Ratten dagegen schwammen Stunden. Manche Tiere wurden vom Eustress motiviert, andere zog der Distress hinab. Richter fischte die fast ertrinkenden Ratten aus dem Wasser, setzte sie aufs Trockene, ließ sie verschnaufen – und warf sie erneut ins Bassin. Siehe da: Alle Ratten schwammen länger, sogar die, die zuvor noch sterben wollten. Richter forschte nach, welchen Unterschied es wohl geben könnte zwischen den beiden Ratten-Typen. Und er stellte fest: Eine Gruppe war vor dem Bassin-Experiment von einem Assistenten malträtiert worden. Der hatte die Tiere gepackt, ihnen die Barthaare brutal gestutzt, sie in eine schwarze Tüte gesteckt und von dort direkt ins Wasser geworfen. Paradox aber wahr: Dem Tierquäler war die zentrale Erkenntnis des Experiments zu verdanken. Denn die gequälten waren eben jene Ratten, die sich aufgaben. Richter kümmerte sich nun besonders intensiv um diese Gruppe, zeigte ihnen sogar die Tüte, in der sie gesteckt hatten, ließ sie damit spielen. Und plötzlich schwammen diese Tiere so lang wie ihre ausdauernden Artgenossen. Es waren offenbar weniger körperliche Fähigkeiten, die über die Schwimmkraft entschieden, sondern die Einstellung. Motivation ist offenbar ein Gefühl, das aus Geborgenheit erwächst, aus fröhlicher Hoffnung, die den Glauben an sich, andere und die Welt speist.«
Eine wahre Geschichte also, die meist nur etwas gekürzt wiedergegeben wird.
Der angebundene Elefant

Elephants are large mammals of the family Elephantidae and the order Proboscidea.  Two species are traditionally recognised, the African elephant  and the Asian elephant Elephants are herbivorous and can be found in  different habitats including savannahs, forests, deserts and marshes.
»Ein Elefant wird von einem Zirkus bereits als Baby eingefangen und an einen dünnen Baum mit einer zierlichen Kette angebunden. Er hat noch keine Kraft und kann sich trotz mehrerer Fluchtversuche nicht befreien. Eines Tages gibt er auf und beugt sich seinem Schicksal. Viele Jahre später ist der gleiche Elefant noch immer an den dünnen Baum gekettet, den er nun als gestandener Bulle leicht hätte umreißen können. Doch er versucht es gar nicht mehr, da er schon in frühester Kindheit gelernt hat, dass ein Fluchtversuch sinnlos ist. Obwohl er es nun selbst in der Hand hätte.«
Das ist eine sehr schöne Geschichte, beinhaltet sie doch eine Menge an Weisheiten, was Glaubenssätze und den Umgang mit Erfahrungen betrifft. Dennoch ist die Geschichte so nie passiert und auch einen Versuch in diese Richtung hat es nie gegeben. Das bedeutet, sie könnte wahr sein – vermutlich ist sie es aber nicht.
Vertrauen
Warum setzen sich solche Geschichten immer wieder als wahr durch? Ein Punkt könnte »Vertrauen« sein. Speaker und Trainer genießen eine Art Vertrauensvorschuss. Man glaubt ihnen einfach vieles, ohne es zu hinterfragen. Wenn ein professioneller Redner bei einem Kollegen ein Seminar besucht oder eine Rede hört, dann glaubt auch er ihm meistens. Und wenn die Geschichte gut ist, wird sie gleich übernommen, ohne hinterfragt zu werden.
Bitte behalten Sie das Vertrauen in Trainer und Speaker bei, doch nehmen Sie nicht jede Geschichte, die als Metapher verwendet wird, für bare Münze!

Sie kennen die Geschichte vom Fischer, der Millionär werden sollte?
Ein Banker beobachtete, wie ein kleines Fischerboot mit einem Fischer an Bord anlegte. Er hatte einige Fische geladen. Der Banker fragte ihn, wie lange er für diesen Fang gebraucht habe. Der Fischer antwortete: »Nicht lange, ein paar Stunden nur.« Warum er denn nicht länger auf See geblieben sei, um noch mehr zu fangen, fragte der Banker. »Die Fische reichen, um meine Familie die nächsten Tage zu versorgen«, antwortete der Fischer.

Picture of fisherman fishing with rods
Der glückliche Fischer – ohne Unternehmensberater

Der Banker bohrte weiter: »Aber was tust du denn mit dem Rest des Tages?« »Ich schlafe morgens aus, gehe ein bisschen fischen, spiele mit meinen Kindern, mache mit meiner Frau eine Siesta, gehe im Dorf spazieren, trinke dort ein Gläschen Wein und spiele Gitarre mit meinen Freunden. So habe ich ein ausgefülltes Leben.« Der Banker erklärte: »Ich bin auch Unternehmensberater und könnte dir ein bisschen helfen. Du solltest mehr Zeit mit Fischen verbringen und von dem Erlös ein größeres Boot kaufen. Dann könntest du bald mehrere Boote kaufen, bis du eine ganze Flotte hast. Statt den Fang an einen Händler zu verkaufen, könntest du direkt an eine Fischfabrik verkaufen und schließlich eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen. Du könntest Produktion, Verarbeitung und Vertrieb selbst kontrollieren. Du könntest dann dieses kleine Fischerdorf verlassen und nach Mexiko City, Los Angeles oder vielleicht sogar nach New York City umziehen, von wo aus du dann dein florierendes Unternehmen leitest.« Der Fischer fragte: »Und wie lange wird dies dauern?«  »So etwa 15 bis 20 Jahre.« »Und was dann?« fragte der Fischer. Der Banker lachte und sagte: »Wenn die Zeit reif ist, könntest Du mit deinem Unternehmen an die Börse gehen. Deine Unternehmensanteile verkaufen und sehr reich werden. Du könntest Millionen verdienen.« Der Fischer wird hellhörig und fragt: »Millionen? Und dann?« Der Banker und Unternehmensberater sagte: »Du könntest aufhören zu arbeiten, könntest in ein kleines Fischerdorf an der Küste ziehen, morgens lange ausschlafen, ein bisschen fischen gehen, mit deinen Kindern spielen, eine Siesta mit deiner Frau machen, in das Dorf spazieren, am Abend ein paar Gläschen Wein genießen und mit deinen Freunden Gitarre spielen.«

Eine witzige und lehrreiche Geschichte, die ganz offenbar »nur« eine Geschichte ist. Tatsächlich gibt es allerdings Trainer, die diese Geschichte in der »Ich-Form« erzählen. »Liebe Teilnehmer, letzten Sommer war ich in Italien und habe dort eine Lektion gelernt. Als ich am Strand spazieren gegangen bin, traf ich dort einen Fischer. Dann sind wir halt irgendwie ins Gespräch gekommen …« Als ob die Trainer das wirklich selbst erlebt hätten. Das ist schon peinlich.
Hier verschwindet das Vertrauen sofort – und diesem Trainer glaubt man natürlich gar nichts mehr. Schade, echt schade …
Der Schindlerhof
Das Seminarhotel »Schindlerhof« in Nürnberg gilt als eines der besten im deutschsprachigen Raum; zurecht übrigens.
Dazu gibt es folgende Geschichte: »Wenn sich ein Gast aus der hoteleigenen Bibliothek ein Buch ausleiht und aufgeschlagen neben dem Bett liegen lässt, so notiert am nächsten Tag das Zimmermädchen den Buchtitel und sogar die Seite, die gerade geöffnet ist. Beim nächsten Besuch des Gasts liegt dann das gleiche Buch wieder mit der richtigen Seite neben dem Bett.«
Auf Nachfrage beim Hotel bekam unsere Redaktion folgende Antwort: »Das stimmt tatsächlich, ist aber nur einmal passiert, da sich Gäste nicht so häufig eines unserer Bücher ausgeliehen haben, und es bei der Abreise offen liegen ließen. Der Gast war Journalist und so machte es die Runde.«
Ein großartiges Beispiel für Service- und Kundenorientierung, die Geschichte ist zumindest einmal wirklich passiert. Unabhängig davon ist das Hotel ein Garant für viele Geschichten zum Thema Kundenorientierung. Eine Nacht hier – und ein Speaker kann seine eigenen Geschichten erzählen.

1 Antwort zu Vertrauen ist gut, nachfragen besser!

  1. Eigentlich geht die Geschichte mit dem Fischer ja glaube ich eher auf die Geschichte von Heinrich Böll zurück, glaube ich oder?

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