Vom »nice to have« zum »must do«

Wie sich Nachhaltigkeit wirksam im Unternehmensalltag verankern lässt, lesen Sie in diesem Artikel.

Vor etwas über 3 Jahren – noch vor der Corona-Pandemie – waren viele unserer Gespräche mit Unternehmensleitern davon geprägt, zu erklären, warum ein Unternehmen Nachhaltigkeit im Blick haben muss. Unser Argument, damals wie heute: Regulatorischer Druck, veränderte Kundenanforderungen, steigende Energiekosten, zukünftige »Emissions-Kosten«, Erwartungen von Mitarbeitern und Anforderungen von Finanzgebern werden zunehmend entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Wer sich nicht rechtzeitig anpasst, geht zunehmend ein Risiko am Markt ein. 

Heute hat sich einiges verändert. Zwar sind die grundlegenden Argumente geblieben, aber unsere Gespräche sind davon geprägt, dass wir nicht mehr gefragt werden, »warum« eine Nachhaltigkeitsstrategie wichtig ist, sondern »wie« sich das Thema Nachhaltigkeit wirksam in die Unternehmensprozesse integrieren lässt. Immer mehr scheint es bei Unternehmen anzukommen, dass es sich bei dem Thema nicht mehr nur um ein »nice to have« handelt, sondern um ein »must do«.

Die immer schärfer werdenden regulatorischen Anforderungen der EU sind dabei ein wichtiges Signal, da sie aufzeigen, dass es sich bei dem Thema um keinen Trend handelt, sondern darum, mittel- bis langfristig Handlungsfähigkeit bis hin zur Betriebserlaubnis zu erhalten. Große Bedeutung hat z. B. die unlängst beschlossene CSRD. Fast alle Unternehmen, die mehr als 250 Mitarbeiter haben, sind demnächst verpflichtet, einen extern geprüften Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Das ist insbesondere für den Mittelstand eine Herausforderung – andererseits aber auch die Chance, sich von Mitbewerbern abzuheben und zum Treiber der Transformation zu werden. 

Zuständigkeit

Für eine wirksame Ausrichtung auf Nachhaltigkeit bedarf es einer breiten Verankerung im Unternehmen. In der Realität werden allerdings meist einzelne Personen oder Stabstellen mit dem Thema betraut. Diese sind aber abhängig von Entscheidungen anderer Abteilungen. Um z. B. eine Dekarbonisierung zu erreichen, muss man neue Produkte entwickeln, andere Lieferketten ausarbeiten, andere Prozesse gestalten und diese auch anders leben. Es bedarf an vielen Stellen im Unternehmen Anpassungen. Diese in der Verantwortung von einzelnen Umwelt- oder Sustainability-Managern zu belassen, greift zu kurz.

Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeitsberichte und -strategien in vielen Unternehmen noch stark Marketing und Compliance getrieben sind – sie wirken nach außen. Nachhaltigkeitsstrategien, die nach innen wirken, mit den eigenen Kernprozessen verknüpft sind und auf die Stellhebel im Unternehmen eingehen, sind noch immer viel zu selten. Für Mitarbeiter ist meist nicht transparent, wie sie durch ihr Wirken im Unternehmen zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen können. Es gilt, Transparenz über die Stellhebel zu erreichen; Hier tut sich auch gerade viel bzgl. Automatisierung und Digitalisierung. Mittlerweile ist es z. B. viel einfacher, CO2-Emissionen zu erfassen und sie Prozessen und Verantwortungsbereichen zuzuordnen. 

Die Rolle von HR bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit spielt zunehmend eine Rolle, wie attraktiv Unternehmen als Arbeitgeber wahrgenommen werden. Unternehmen, die sich hier differenzieren können und ein positives Image aufbauen, haben klar einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen. Dies kann dazu beitragen, das Engagement und die Motivation der eigenen Mitarbeiter zu steigern, aber auch mehr potenzielle Bewerber anzuziehen. Gerade bei den jüngeren Generationen ist das neudeutsche Schlagwort »Purpose« immer öfter zu hören. Bewerber schauen zunehmend danach, wie glaubhaft es Unternehmen gelingt, den eigenen Unternehmenszweck zu vermitteln, abseits von Wachstums- und Profitabilitätszielen. Hier spielt HR eine wichtige Rolle bei der Kommunikation und Sensibilisierung nach innen und außen.

Aber auch in den konkreten Management-Prozessen spielt HR eine zentrale Rolle. Viel diskutiert wird, wie sich Nachhaltigkeit in Zielvereinbarungen und Anreizsystemen verankern lässt. Bedarf es einer breiten Verankerung des Themas im Unternehmen, bedarf es auch einer breiteren Übernahme von Verantwortung. D. h., auch Bonussysteme sollten das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigen. Herausforderung ist hier, klar messbare Zielvorgaben und Indikatoren zu haben, an denen sich die Beiträge zum Erreichen von Nachhaltigkeitsstrategien messen lassen. Je mehr Transparenz über die Stellhebel in den Prozessen und Einflussbereichen gegeben ist, desto einfacher lässt sich dies bewerkstelligen. 

Eine konkrete Maßnahme ist hier häufig, den eigenen CO2-Footprint detailliert zu erfassen. Und zwar nicht nur mit dem Fokus auf die größten Handlungsfelder, sondern auch mit dem Ziel, Stellhebel in möglichst vielen Verantwortungsbereichen zu identifizieren. Eine detaillierte Auflistung von Emissionen nach den Unterkriterien der etablierten Standards (v. a. ISO und GHG-Protokoll) kann hier ein erster Schritt sein. Dabei sprechen wir nicht von den meist bekannten Scope 1, 2, 3, sondern den zahlreichen Unterkriterien. So lässt sich z. B. unterscheiden, welcher Anteil der Emissionen sich auf Logistik-Prozesse zurückzuführen lässt, wie viel CO2 in den Produkten der Lieferanten anfällt und welche Emissionen durch den eigenen Energieverbrauch verursacht werden. Auf jedes dieser Kriterien haben unterschiedliche Bereiche im Unternehmen unterschiedlichen Einfluss. Maßnahmen und Verbesserungsziele sollten dementsprechend zugeordnet werden. Ein Kriterium, bei dem nicht selten auch HR eine bedeutende Rolle spielt, sind z. B. Emissionen, die durch Arbeitswege oder Dienstreisen anfallen. Auch hier ist es möglich, Ziele zu definieren und Maßnahmen abzuleiten. 

Jetzt starten und sich kontinuierlich entwickeln

Dass die Zeit drängt, sollte mittlerweile bei den meisten angekommen sein. Dennoch ist es für alle, die mit Change-Prozessen vertraut sind, klar, dass Transformation in Unternehmen nicht von dem einen Tag auf den anderen passiert. Umso wichtiger ist es, JETZT zu starten und Möglichkeiten zu finden, dass der notwendige Veränderungsprozess möglichst breit von Management und Organisation unterstützt wird. 

Hier bietet sich der Lean & Green-Ansatz an. In allen Unternehmen gibt es Veränderungs- und Verbesserungsprozesse. Idealerweise sind diese auch in Lean-Exzellenzsystemen beschrieben, geben Leitsätze vor und definieren Managementroutinen. Ziel von Lean & Green ist es, genau hier anzuknüpfen und das Thema Nachhaltigkeit zu integrieren. Das hilft, Geschwindigkeit bei dem Thema aufzunehmen, und vermeidet zudem, dass Nachhaltigkeitsmanagement als ein paralleles und zusätzliches System aufgebaut wird. Und dabei geht es nicht nur darum, durch effiziente Prozesse Ressourcen und Kosten zu sparen – vielmehr wird es so möglich, dass Unternehmen wirksamer auf Nachhaltigkeitsziele steuern können und Mitarbeiter Wiederkennungswert haben.

Um Synergien zu nützen, steht deshalb im Zentrum von Lean & Green Beratungsprojekten, dass wir Verantwortliche und Kompetenzträger aus dem Bereich Nachhaltigkeit, Umweltmanagement und Prozessverbesserung zusammenbringen, um das Thema gemeinsam voranzutreiben. Leider sind allerdings die »Green«- und die »Lean«-Welten in vielen Unternehmen noch weit voneinander entfernt – in Sprache, Kennzahlen, Reporting-Strukturen. Mit unserem Lean- & Green-Ansatz gelingt es, Brücken zu schlagen. Auch das Thema Lean profitiert. Das immer bedeutendere Nachhaltigkeitsthema bringt neue Motivation sowie Veränderungs- und Investitionsbereitschaft mit sich. Wenn es gelingt, Lean als einen Ermöglicher und Beschleuniger der »Green Transformation« zu gestalten, kann der Ansatz auch dem Thema Lean neuen Wind in die Segel geben.  

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Reichert_Daniel

Gastautor Daniel Reichert

ist Leiter des Lean & Green Bereichs der T&O Group, einer Unternehmensberatung mit Sitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz.  

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Info

Lean & Green Management Award

Der jährlich ausgerichtete Award ist eine Chance für alle Unternehmen, sich in Bezug auf Nachhaltigkeit und Lean Management in einem Benchmark bewerten zu lassen und von den Besten zu lernen.

Er wird seit 2012 vergeben. Eine Jury von Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien entscheidet über die Sieger.

Ablauf

  • Einsendungen bis zum 1. Mai 2023
  • Bewertung einer unabhängigen Jury bis Juli 2023
  • Abschluss am 19. 10. 2023

Die Teilnahme an dem Award ist kostenfrei und ist für Unternehmen mit mindestens 150 Mitarbeitern möglich.

www.lean-and-green.de