Vom Trainer zum Speaker

Dass der Weg zum Speaker ein steiniger ist, wissen alle, die sich bereits dorthin entwickeln. Einige, die erst mit dem Gedanken spielen, sich umzupositionieren, gehen das häufig etwas naiv an. Was es braucht, um ein erfolgreicher Redner zu werden, das beschreiben ausgewählte Experten im Gespräch mit Christoph Wirl.

»Ich werde jetzt auch Top-Speaker. Dann verdiene ich in Zukunft 7.000,– € aufwärts pro Vortrag.« So, oder so ähnlich, stellen sich viele Trainer das Leben eines Speakers vor.

Speaker giving a talk on corporate Business Conference. Audience at the conference hall. Business and Entrepreneurship event.
Dass die Realität völlig anders aussieht, liegt irgendwie auf der Hand.
Keine oder »nur« unbezahlte Aufträge sind am Anfang üblich. Woher soll man denn den neuen Redner auch kennen? Manchmal geht es sogar einen Schritt weiter und Neospeaker werden angehalten, zu bezahlen, um eine Bühne vor angeblich wertvollem Publikum zu bekommen. Das kann manchmal sogar sinnvoll sein. Aber tendenziell ist hier Vorsicht geboten!
Was viele vergessen: Ein guter Trainer ist nicht automatisch ein guter Speaker. Jemand, der optimal eine Seminargruppe im Griff hat und Wissen vermittelt, hat noch lange keinen Saal mit 500 Zuhörern »unter Kontrolle«. Auch ist die Rolle eine völlig andere. Ein Trainer ist echter Wissensvermittler, während ein Speaker primär Entertainer ist.
Hermann Scherer, Top-Speaker in Deutschland, weiß, woran es oft liegt, dass der Erfolg auf sich warten lässt: »Trainer scheitern auf der Bühne, wenn sie in der Rolle des Redners nicht vollkommen anders auftreten, als sie es bisher gewohnt waren.«
Um Speaker zu werden, gibt es abgesehen von den Honorarwünschen Gott sei Dank noch andere Beweggründe.
Monika Herbstrith-Lappe ist schon sehr lange eine erfolgreiche Trainerin, hält zahlreiche Keynotes und positioniert sich seit einiger Zeit auch verstärkt als professionelle Rednerin: »Für mich ist es ein beglückendes Gefühl, Menschen zu bewegen. Als Speaker erreicht man eine größere Anzahl. Wie auch im Theater spielt das Publikum immer mit. Die Energie der Zuhörer trägt die Inszenierung. Eine positive Stim­mung in einem großen Saal zu erzeugen und wie ein Wellenreiter kunstvoll darauf zu surfen, ist äußerst erfüllend. Speaking ist eine sinnvolle Ergänzung zu Trainings in Unternehmen. Häufig gestalte ich Trainingsreihen so, dass ich mit einem Groß-Event als Speaker für alle einen gemeinsamen Nährboden ausrolle. Ein fulminanter Start steigert die nachhaltige Wirkung der darauf folgenden Trainings in Kleingruppen.«

Gabriel Schandl ist bereits etablierter Speaker und kennt gute Gründe, um Redner zu werden: »Nur wer einen echten ›Ruf‹ spürt, sollte ihm folgen. Viel verdienen kann man auch auf einem anderen Weg. Besser ist es, sich zu fragen: Habe ich eine Botschaft und wenn ja, wie lautet diese? Wobei die Frage danach oft überflüssig ist, da eine »Botschaft« meistens schon da ist, bei denen, die damit ein Herzensanliegen verbinden. Am Anfang wird es eher mehr zu investieren geben, als zu verdienen.«

Ein Speaker gibt Impulse, vielleicht eine oder zwei Kernbotschaften und regt zum Nachdenken an, nicht mehr und nicht weniger. Doch er steht nicht in Konkurrenz mit Trainern, sondern viel mehr mit Kabarettisten, Schauspielern, Zauberern, Jongleuren und anderen Entertainern. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein großes Handelsunternehmen hat eine Tagung mit 200 Führungskräften. Den ganzen Tag über sind Meetings, Fachvorträge und kurze Workshops angesetzt. Am Abend ist als Highlight DER Keynote-Speaker schlechthin angesagt, der zum Thema »Verkaufen ist wie U-Bahn-Fahren« referiert. Danach gibt es Essen, Wein und Party. Was denken Sie, wollen die Führungskräfte in der Zeit von 17.00 bis 18.00 Uhr – zu der der Vortrag angesetzt ist – wirklich? Glauben Sie, die wollen jetzt noch verkaufen lernen? Niemals! Sie wollen unterhalten werden, Spaß haben, ein wenig lachen und ein paar Impulse zum Nachdenken bekommen. Genau das ist die Rolle eines Speakers. Und was will der Auftraggeber? Der will, dass während des Essens danach positiv über den Tag gesprochen wird. Und was bleibt in Erinnerung? Natürlich der tolle, unterhaltsame und kluge Speaker, der gerade noch auf der Bühne stand.
Was kostet das Unternehmen so ein Tag für 200 Führungskräfte? Vortragende, Location, Verpflegung, Party etc. Da ist schon sehr viel Geld im Spiel. Und hier kommt es dem Auftraggeber daher nicht mehr wirklich auf das Honorar des Speakers an. Ob dieser jetzt 3.000,– oder 5.000,– € verlangt, ist nicht das Thema. Es zählt nur eines: die Professionalität! Der Speaker muss performen, er muss seine »Show« abliefern. Und zwar pünktlich und perfekt!
Perfektion
Das ist schon einmal der erste Punkt, den es braucht, um als Speaker erfolgreich zu sein. Es spielt keine Rolle, ob der Redner gerade einen Schnupfen hat, im Stau steht, der Hund das Headset gefressen hat oder was auch immer. Er steht pünktlich und in bester Laune auf der Bühne und liefert. Fertig!

Gabriel Schandl: »Der Speaker bietet eine perfekte Show aus Wissen und Unterhaltung, einen souveränen Mix, der inspiriert und motiviert.«

Hermann Scherer bietet eine Ausbildung für Speaker an. Im Zuge dieser Ausbildung haben seine Teilnehmer auch die Möglichkeit, an einer Intensivwoche in New York mitzumachen. Zu meinem Erstaunen geht es dort nicht um »übliche« Themen wie »Präsentationstechnik« oder »Foliengestaltung«. Dort werden die Teilnehmer von Schauspiel-Lehrern unterrichtet. Es geht darum, seine Muskeln kennenzulernen, um sich optimal auf der Bühne zu bewegen. Oder um Improvisationsmethoden, um perfekt zu reagieren, wenn Unvorhersehbares passiert. Es geht um Achtsamkeit, Atemtechniken und Entspannungstechniken. Die hohe Kunst des Schauspiels. Das ist noch sehr wenigen Speakern bewusst, welche Kleinigkeiten auf der Bühne einen großen Unterschied machen. Auf eine Bühne zu gehen und zu reden ist viel zu wenig! Und allen, die denken, dass es doch so einfach aussieht, wenn z. B. ein Roman Szeliga (Speaker zum Thema Humor) oder ein Georg Wawschinek (Speaker zum Thema Charisma) auf der Bühne stehen und reden, sei gesagt: Um genau dieses Gefühl zu vermitteln, dass der Vortrag dem Speaker gerade spontan einfällt und leicht von der Hand geht, benötigt es sehr viel Vorbereitungszeit. Als Faustregel kann gesagt werden, dass pro Minute Vortrag rund 1 Tag Vorbereitung verwendet wird. Dabei rede ich aber nur von der Inszenierung, nicht vom Inhalt. Für den Bedarf es viele Jahre.

Der komplette Marktauftritt muss einem Honorar von 3.000,– € pro Stunde aufwärts gerecht werden. Die Website muss perfekt sein, die Folder müssen hochwertig sein, die Bücher – sofern vorhanden – müssen von einem angesehenen Verlag herausgegeben worden sein und und und. Und die schlimmste Nachricht: Selbst wenn alles perfekt ist, ist das noch kein Erfolgsgarant.
Denn vorerst kennt niemand den neuen Speaker! Also geht es um Medienarbeit, die Positionierung als Experte, um aktiv von Medien angefragt zu werden. Einige österreichische Speaker haben das sehr gut geschafft und werden bei ihrem Thema von Fernsehen, Radio und Print angefragt.
Aller Anfang ist schwer
Natürlich kostet das alles sehr viel Geld. Eine gute Positionierung und entsprechende persönliche Weiterbildung kann schon einmal über 100.000,– € kosten. Das beinhaltet Website, Bücher, Vermarktung, Coaching, Werbung und Werbegeschenke etc. Das ist viel Geld. Aber ein Speaker will danach auch viel Geld pro Stunde verlangen. Und genau das ist der Punkt. Wer etwas bekommen will, muss auch investieren.
Doch gehen wir noch einen Schritt zurück. Noch vor der Positionierung als Speaker geht es darum, ein Thema zu haben. Es gibt viele Redner, die zwar eine grandiose Performance auf die Bühne bringen, aber nichts sagen und einfach keine Inhalte haben. Ob nun der Inhalt wichtiger ist oder die Performance, darüber sind sich auch Experten uneinig. Klar ist, Inhalt und Performance müssen einander ergänzen.
Roman Braun (Rhetorikexperte und Trainer bei Trinergy): »Worte bewegen Menschen und das schon immer. Aristoteles, Jesus, Buddha und Marx: Von ihnen haben wir keine Fotos, keine Tonaufzeichnungen und keine Videos. Wir haben nur ihr Wort. Wenn ein Trainer persönlich etwas zu sagen hat und den Wunsch spürt, es auch zu tun, dann sollte er darüber nachdenken, Speaker zu werden und weiter zu lernen, indem er erfolgreiche Speaker modelliert und Rhetorik studiert. Bevor er sich allerdings mit ausgefeilten Strategien der Rhetorik beschäftigt und z. B. Hypno-Rhetorik® kennenlernt, sollte er zuerst die gängigsten Anfängerfehler verlernen!«

Tipps für Neo-Speaker

Nun soll es noch ein wenig um die Bühne gehen. Was ist hier der Unterschied zu einem Seminar? Welche Fehler sollten Speaker vermeiden, was sollten Sie tun?
Gabriel Schandl: »Der Einstieg, der Ausstieg und möglichst viel dazwischen ist auf einem Top-Niveau aus kommunikationstechnischer Sicht. Also keine Floskeln und Füllwörter, keine Standardsätze wie ›Hallo‹ oder ›Danke, dass sie so zahlreich erschienen sind‹. Die Botschaft ist klar und wird mehrmals wiederholt. Sie ist sowohl reduziert als auch markant präsentiert. Die Präsentationsmedien werden souverän beherrscht. Der Redner übt nicht vor echtem Publikum, das hat er mit Freunden, Familie oder einem Coach bereits getan. Viele Redner investieren in ein Vorbereitungs-Coaching, um richtig gut ›abzuliefern‹ und das ist gut so. Das Publikum hat die besten Redner verdient, denn es investiert Geld und – noch wichtiger – Lebenszeit.«

Roman Braun gibt hier noch einige Tipps aus seinem Buch »Die Macht der Rhetorik« wieder:
Freude statt Angst
Sagen Sie nicht: ›Ich freue mich …‹, sondern – Freuen Sie sich!
Machen Sie Platz
Sprechen Sie nicht von sich, sondern vom einzig Wichtigen – dem Publikum.
Wie Wörter wirken
Verwenden Sie nur Wörter, die Ihr Ziel stützen, denn – Wörter sind Bilder im Kopf! Lassen Sie nur jene Wörter an die Zuhörerohren, die auch wirklich dort ankommen sollen.
Die Macht des Humors
Ein interessanter Vortrag wird nur übertroffen von – einem unterhaltsamen Vortrag. Würzen Sie Ihren Vortrag durch ein freundliches Lächeln, einen eingestreuten Scherz, eine lustige Geschichte.
Runter vom hohen Ross
Ich weiß, dass ich nicht alles weiß – Na und? Verzichten Sie auf den Irrglauben, Sie wüssten mehr als alle Ihre Zuhörer zusammen, denn die Zuhörer erwarten sowieso nicht, dass Sie allwissend sind. Beziehen Sie neue Informationen von Teilnehmern mit ein und würdigen Sie sie. So zeigen Sie Größe.
Der gute Ton
Der gute Ton macht die Musik – und sie bestimmt, ob es stimmt! Variieren Sie Tonhöhe und Lautstärke, das haucht Ihrem Vortrag Leben ein.
Sprechpausen richtig nützen
Äähhh … wenn Sie schweigen, ist es am besten  gar nichts zu sagen. Machen Sie Denkpausen! Sprachmagier nützen Pausen absichtlich, um Feedback zu bekommen. Unterscheiden Sie dabei Interpausen, die das Publikum nach-denken lassen, und Intrapausen, die voraus-denken lassen.

Auch Monika Herbstrith-Lappe kennt einige Punkte, die auf der »großen Bühne« zu beachten sind: »Das Um und Auf ist meiner Meinung nach die Authentizität. Nur so entsteht Glaubwürdigkeit. Für mich bildet das Erfolgsdreieck das Fundament: ja zu mir, ja zum Publikum und ja zu meinen Aussagen. Es gibt Dinge, die man als Schauspieler und Speaker nicht vortäuschen kann: Spannung und Humor müssen immer echt sein. Nur wenn ich als Speaker ganz im Hier und Jetzt präsent bin, kann ich die angestrebte Wirkung erzielen. Für mich sind daher die 3 wesentlichen Vorbereitungsfragen:
Wer ist mein Publikum und wie kann ich ihm zum Einstieg Wertschätzung entgegenbringen – und Gemeinsamkeiten als Brücke zum Ausdruck bringen?
Was ist mein persönlicher freudvoller Bezug zu dem Thema und meinen Aussagen? Was soll nach meiner Präsentation für die Menschen anders sein?«

Hermann Scherer gibt abschließend noch einen wichtigen Tipp für die Umpositionierung zum Speaker: »Wer Speaker werden will, muss von Anfang an so auftreten. Ein Trainer auf dem Weg zum Speaker benötigt einen kompletten Relaunch des Markenauftritts. Er muss bereit sein, seine bisherige Positionierung vollkommen aufzugeben. Er bedenkt all seine Chancen. Das heißt übrigens nicht, dass er nicht mehr als Trainer tätig sein kann, es geht nur um die kommunizierte Außenwirkung.«

Fazit
Ein professioneller Redner ist weit mehr als jemand, der auf einer Bühne ein Referat hält. Er muss sowohl auf der Bühne einen perfekten Mix aus Inhalt und Performance abliefern, als auch einen professionellen Umgang mit Anfragen, Angeboten, Anrufen etc. liefern. Kleinigkeiten wie der Text der Sprachmobilbox am Handy können über einen Auftrag entscheiden. Der erste Eindruck ist alles. Visitenkarten, Website, Flyer, all das muss das Honorar rechtfertigen. Um ein richtig guter und am Markt bekannter Speaker zu werden, bedarf es einer Positionierung als Experte. Das kostet Geld, teilweise viel Geld. Doch ich bin häufig erschüttert darüber, was Speaker einerseits an Honoraren verlangen und was sie andererseits bereit sind zu investieren. Da sehe ich Bücher mit Softcover im Eigenverlag produziert, die inhaltlich schlecht, voller Fehler und unprofessionell gesetzt sind. Ich sehe Visitenkarten, die offensichtlich zu Hause am eigenen Tintenstrahldrucker gedruckt und selbst mit der Schere ausgeschnitten wurden. So funktioniert der Markt garantiert nicht.
Gute Speaker sind etwas Großartiges, Sie inspirieren, sie lassen neue Gedanken zu und sie können tatsächlich das Leben von Menschen verändern.

1 Antwort zu Vom Trainer zum Speaker

  1. Danke für diesen inspirierenden Text.
    Da ich mich mich schon lange mit dem Training von Mitarbeitern beschäftige und auf entsprechenden Plattformen Hilfestellungen für Fragende gebe, hat mich vor allem das Verhalten und die Performance eines Speakers interessiert.

    Für mich auf jeden Fall ein Mehrwert, danke für diese Zeilen.

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