Vom Verkäufer zur Führungskraft

Dass gute Verkäufer häufig zu Führungskräften im Vertrieb werden, ist bekannt und auch nachvollziehbar. Doch die neue Rolle erfordert andere Skills und bringt einige Herausforderungen mit sich.  TRAiNiNG hat darüber mit drei Experten gesprochen.

Als Führungskraft durchlebt man jetzt in der Corona-Krise eine schwierige Zeit: Das Team ist häufig nicht greifbar, die Unternehmensleitung agiert panisch und ändert häufig (neue) Strategien und Ziele scheinen unerreichbar. Führungskräfte, die ein Vertriebsteam führen, haben es derzeit besonders schwer, ihre Verkäufer zu motivieren. Wenn der Umsatz wegbricht und die Aussicht auf Neukunden tendenziell negativ ist, dann muss sich die Führungskraft viel einfallen lassen, um das Team auf Vordermann zu bringen. Der klassische Verkäufer handelt individuell und verwendet seine eigenen Methoden, um sein Ziel zu erreichen. Dennoch: Verkäufer sollten klar geführt werden. Ob es ihnen gefällt oder nicht. Experten sind der Meinung, dass eine professionelle Führung für alle Beteiligten zu besseren Ergebnissen führt als isolierte Arbeit. Der Führungsstil kann unterschiedlich sein, aber die Mitarbeiter müssen wissen, woran sie sind. Ein leistungsorientierter Führungsstil im Vertrieb zeichnet sich durch klare Ziele und deren regelmäßiger Bewertung aus, sowie dadurch, Mitarbeiter zu besonderen Leistungen zu motivieren. Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil versucht eher die intrinsische Motivation jedes einzelnen Verkäufers zu steigern und ihn so von innen heraus zu Höchstleistungen anzuspornen. Besonders schwer ist dies für neue Führungskräfte im Vertrieb. Sie müssen lernen, loszulassen und Aufgaben zu delegieren.
TRAiNiNG hat bei Vertriebsexperten nachgefragt, welche Eigenschaften und Fähigkeiten erfolgreiche Führungskräfte im Vertrieb benötigen und welcher Führungsstil am erfolgreichsten ist.

Christian Koller (Geschäftsführer En  Garde Training): »Zu den wichtigsten Skills, die neue Führungskräfte im Vertrieb brauchen, zählen unter anderem: Die Einstellung, nicht weiterhin der beste Verkäufer sein zu wollen, die Fähigkeit, klare Ziele und einen klaren Rahmen vorzugeben und das Bewusstsein, dass es sich mehr um einen Office-Job handelt, als wie früher um einen Außendienst-Job. Natürlich gehören auch klassische Führungs-Skills wie delegieren, unterstützen, Potenziale fördern etc. dazu.«

Peter Dziergas (Geschäftsführer DCA Training GmbH): »Eine starke Führungskraft wird die Geschäfte über ihre Persönlichkeit, Empathie und daraus resultierender Beziehungen führen. Die Inspiration aller Mitarbeiter hält das Unternehmen zusammen und macht es erfolgreich. Dazu gehört die individuelle Förderung einzelner Personen und deren Selbstsicherheit als auch der Mut, innovative Wege einzuschlagen, um ein schlagkräftiges Team zu bilden. Als aktuelles Beispiel kann die neue virtuelle Arbeitswelt genannt werden, welche für viele Mitarbeiter noch immer ungewohnt ist. Hier erwarten sich die Mitarbeiter eine Involvierung, klare Ziele, Milestones und laufende Information, um ihre Plätze mit teils veränderten Aufgaben auszufüllen. Ob persönlich oder virtuell: Es ist wichtig, dass die Führungskraft dabei Verantwortung überträgt und die Mitarbeiter motiviert, damit sie ihre Aufgaben erledigen und die Extrameile gehen können.«

Das Portal »Salesjob.de« hat vor einigen Jahren eine Umfrage unter 100 Verkäufern durchgeführt, was ihnen an ihrer Führungskraft wichtig ist: »So gaben die befragten Mitarbeiter an, Führungskräfte im Vertrieb zu schätzen, die extrovertiert sind. Also jene, die gesprächig sind, voller Energie sowie Enthusiasmus und kontaktfreudig. Darüber hinaus wünschen sich Vertriebsmitarbeiter eine selbstbewusste Führungskraft, die von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt ist und sich selbst viel zutraut. Nicht zuletzt verfügt die ideale Führungskraft im Vertrieb nach Ansicht der befragten Mitarbeiter über Durchsetzungskraft. Indem sie sich dominant zeigt und beharrlich ihre eigenen Ideen verfolgt, holen sich andere oft ihre Meinung ein.«

Bernd Erhardt (VBC-Partner): »Die Vertriebs-Führungskraft von heute und morgen muss zwingend ein Menschenfreund sein. Sie muss mehr können als nur Führen und Kennzahlen vermitteln bzw. monitoren. Das Zauberwort heißt Coaching! Ein Coach agiert auf Augenhöhe mit dem Mitarbeiter. Er gibt stetiges Feedback – egal welcher Art. Mitarbeiter der Generation Y und Z erwarten dies und es gibt ihnen Orientierung. Neben Feedback zählt die Sinnhaftigkeit der Arbeit zu den wesentlichen Motivationsfaktoren von Mitarbeitern. Um sie überhaupt zu kennen, muss der Leader diese erfragen. Hier bedarf es eines Fragenkatalogs, um z. B. mittels Konkretisierungs- und Skalierungsfragen in die Tiefe vorzustoßen. Wir erleben in unseren Trainings, dass 90% aller Führungskräfte dies nicht können und sich der Wichtigkeit auch nicht bewusst sind. Der 3. Punkt ist: Geben Sie als Vorgesetzter nicht die Lösung vor. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter möglichst selbst draufkommen. Das erhöht die Umsetzungswahrscheinlichkeit. In einem Satz: Coaching ist bzw. die Führungskraft gibt Hilfe zur Selbsthilfe!«

Das Rollenbild verinnerlichen

Häufig ist es so, dass erfolgreiche Mitarbeiter, bzw. Verkäufer in der Hierarchie zu einer Führungskraft aufsteigen. Das ist nachvollziehbar. Quereinsteiger zur Vertriebs-Führungskraft ohne Verkaufserfahrung sind selten. Es ist allerdings eine völlig neue Aufgabe, Mitarbeiter zu führen und zu Spitzenleistungen anzukurbeln, als Kunden zu führen und ein Geschäft zum Abschluss zu bringen. Ein stets gut gebuchtes und daher auch häufig angebotenes Seminar lautet »Vom Mitarbeiter zur Führungskraft« bzw. vom »Vom Verkäufer zur Vertriebsführungskraft«. Die Hauptinhalte in diesen Seminaren sind das neue Rollenverständnis, bzw. die neue Einordnung in der Struktur – der Umgang damit, wenn Kollegen zu Untergebenen werden. Das Finden des eigenen Führungsstils ist ebenfalls meistens ein wichtiger Bestandteil solcher Seminare. Damit neue Führungskräfte nicht scheitern und den Übergang in ihre neue Position schaffen, müssen gewisse Vorarbeiten erledigt werden.

Bernd Erhardt: »Die Führungskraft muss sich der neuen Rolle bewusst werden und erkennen, dass es neue Fähigkeiten braucht. Diese erlangt man nur durch ein professionelles Führungskräfte- und Coaching-Training. Learning by doing scheitert dabei meistens, wenn es keine ausgebildeten Coaches im Unternehmen gibt.«
Christian Koller: »Das ist leider ein häufiges Missverständnis. Eine gute Führungskraft muss nicht der beste Verkäufer gewesen sein.  Ein wichtiger Teil der Personalentwicklung ist es, Potenziale zu erheben und vorausschauend zu sein. Wenn das Potenzial zur Führungskraft an einem Verkäufer erkannt wird, ist es die Aufgabe von der PE, durch Weiterbildung und Mentoring die neue Führungskraft vorzubereiten.«

Es ist verständlich, dass der bis dato erfolgreiche Verkäufer und nun angehende Führungskraft sein eigenes Erfolgsrezept auf andere übertragen wird. Wenn man selbst damit jahrelang erfolgreich war, wird die eigene »Technik« auch an andere weitergegeben, ohne zu hinterfragen, ob diese Art zu verkaufen auch zu anderen passt. Daher sind die oben angesprochenen Coaching-Skills unerlässlich.
Bernd Erhardt: »Jeder Mitarbeiter ist anders und hat individuelle Stärken und Schwächen. Die neue Führungskraft, die früher als Verkäufer bei seinen Kunden mit strukturiertem Verhalten punkten konnte, wird den beziehungsstarken Mitarbeiter nicht durch ein paar Gespräche oder gemeinsame Kundentermine zum ›Controller‹ umpolen. Das Ziel muss sein, die Stärken der jeweiligen Kollegen stärker zu stärken. Im konkreten Fall des beziehungsstarken Mitarbeiter hieße das, dass man ihm bewusst macht, wie er durch noch tiefere Fragen die Beziehung zu seinem Kunden noch weiter stärken kann. Das gelingt nur durch Coaching.«

Eine erfolgreiche Führungskraft im Vertrieb arbeitet visionär und stellt sich auf seine Mitarbeiter ein. Sie weiß, was in den Verkäufern vorgeht. Folglich ein Führungsstil, der unter anderem auf Vertrauen und Loyalität basiert. So schätzen Mitarbeiter im Vertrieb besonders jene Führungskräfte, die klare Visionen haben und daran festhalten. Die ein gutes Vorbild sind, den Teamgeist fördern, hohe Erwartungen an ihre Mitarbeiter haben. Außerdem nehmen sie Rücksicht auf deren Bedürfnisse und regen die Mitarbeiter zum Nachdenken an.«
Peter Dziergas: »Der Wandel vom Verkäufer zur Führungskraft ist eine nur allzu bekannte Herausforderung, wo sich neue Vertriebsleiter oder Abteilungsmanager gefordert sehen. Die Aufgaben verändern sich von der Rolle des besten Verkäufers hin zu Analyse und Definition von Prozessen, um ihren Mitarbeitern die nötige Unterstützung zukommen zu lassen und um das Team erfolgreich zu machen. Dies setzt ein anderes Selbstverständnis und neues persönliches, beziehungsgeprägtes Verhalten voraus. Insbesondere der Umgang mit den Mitarbeitern entscheidet über deren Erfolg. Dazu ist die Ausprägung einer Reihe von Fähigkeiten der Führungskraft gefragt, wie die aufrechte Anerkennung von Leistung und der Umgang mit Fehlern, insbesondere der eigenen.«

Vertriebsführungskraft sein

Manche oben angesprochenen Probleme haben etliche neue Führungskräfte, egal ob im Vertrieb, in der IT oder im HR. Was sind die besonderen Herausforderungen von Vertriebsführungskräften?
Peter Dziergas: »Im Vertrieb finden wir ein dynamisches Umfeld vor, in dem der Kunde und dessen Bedarf im Mittelpunkt steht. Er entscheidet über unser Angebot an Produkten oder Dienstleistungen, in Gegenwart einer immer dichteren Landschaft an Mitbewerbern mit ähnlichen USPs. Die Mitarbeiter werden oft nach KPIs in Neukundengewinnung, Bestandskundenpflege und vor allem Umsatz leistungsorientiert entlohnt, ebenso wie die Vertriebsleitung, wobei hier noch die Optimierung interner Geschäftsprozesse und Abläufe hinzukommt. Oft ist man als Führungskraft mit einer unerwarteten Situation konfrontiert, in der es gilt, rasch und oft ohne ausreichende Faktenlage Entscheidungen zu treffen. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an ein dynamisches Zeit- und Stressmanagement.«

Bernd Erhardt: »Ein Vertriebsleiter führt meist auf Distanz – in Coronazeiten erst recht. Nur an wenigen Tagen im Jahr trifft man einander und erhält eine Momentaufnahme der Situation des Mitarbeiters. Die mehrmaligen, oft täglichen Kurzgespräche auf dem Gang, in der Kaffeeküche oder beim Mittagessen fehlen. Somit erfährt man vergleichsweise wenig über die privaten Befindlichkeiten. Erst kürzlich beklagte sich einer meiner Coachees darüber, dass seine Performance im letzten gemeinsamen Kundentermin und im Vertriebsmeeting rein sachlich bewertet wurde. Dass seine Frau kürzlich den Job verloren hat, der Vater seit einigen Monaten ein Pflegefall ist und er sich trotz chronischer Bronchitis seit Wochen zum Kunden schleppt, hatte keinen Raum. Gleichzeitig gibt es langjährige Mitarbeiter, die es sich in ihrer Komfortzone im Home-Office gemütlich gemacht haben, während sich die Führungskraft in der Zentrale die Zähne ausbeißt.«

Vertriebsführungskräfte trainieren

Wie ist es Unternehmen möglich, Führungskräfte optimal in ihrer Rolle zu unterstützen und sie zu trainieren. Ein kurzes Wochenendseminar wird nicht ausreichen, um echte Einstellungs- und Verhaltensänderung zu erreichen. Daher bieten die meisten Trainingsanbieter längerfristige Programme an, die nachhaltig Wirkung und Veränderung zeigen.
Bernd Erhardt nennt die zwei wesentlichsten Punkte: »1. Praxisrelevanz! Man holt die Teilnehmer mit ihren Erwartungen und Praxisfällen schon vor dem Training ab und lässt diese in Kleinstgruppen im Training üben. Dabei ist Feedback zu jedem Einzelnen enorm wertvoll.
2. Ein Trainingsprogramm für Führungskräfte ist kein Sprint, sondern ein Marathon! Wichtig ist, dass die Teilnehmer unmittelbar nach dem Training an ein Umsetzungskonzept andocken können. Dieses sorgt dafür, dass sie auf langer Strecke, jedoch in vielen kleinen Schritten, stetig an der Umsetzung in die Praxis arbeiten. Das ›wie‹ steht dabei für die Art der Begleitung, die mittels Bücher, Hörbücher, E-Learnings, Arbeitsheften und Coaching stattfinden kann.«

Christian Koller: »Wichtig ist eine Potenzialanalyse vorab, um zu erkennen, ob die gesuchten Fähigkeiten vorhanden sind. Danach bietet sich ein allgemeines Führungskräfte-Programm an, um die Basics der Führung zu lernen. Im Anschluss braucht es ein individuelles Programm, um den eigenen Führungsstil zu finden.«

Die Covid-19-Krise verlangt von Verkäufern neue Fähigkeiten. Verkaufen auf Distanz ohne direkten Kundenkontakt funktioniert anders. Der Beziehungsaufbau, gerade bei Neukunden, ist wesentlich langwieriger.

Peter Dziergas: »Verkäufer müssen jetzt lernen sich kurz zu fassen, den Wert eines Angebotes zu kommunizieren und die wichtigsten Punkte für ihre Kunden anzusprechen, ohne diese zu langweilen. Nur durch Selbstsicherheit und Kompetenz kann diese Herausforderung bewältigt werden. Die Führungskraft muss auf diese neue Situation Rücksicht nehmen. Sie benötigt Fähigkeiten, um virtuelle Teams auf Beziehungen und Gemeinschaft aufzubauen, klare Erwartungen, Vertrauen und Respekt zu kommunizieren als auch die effektive Kommunikation dessen mit der erforderlichen Technologie zu erlernen. Damit wird es gelingen, ein Team aufzubauen, das es mit virtueller Teamarbeit, Gruppendynamik und Kooperation schafft, auch in diesem Umfeld erfolgreich Geschäfte abzuschließen.«

Fazit
Ein guter Verkäufer ist noch lange keine gute Führungskraft. Die Herausforderungen sind gewaltig und führen oftmals zu schlechten Ergebnissen. Trainings, die am Rollenbild und an den neuen Fähigkeiten der Führungskraft arbeiten, sind essenziell, um erfolgreich ein Vertriebsteam zu führen.

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