Wachstum durch Leichtigkeit

»Ohne Freude an der Arbeit ist alles nix«, davon ist Otmar Kastner überzeugt. Warum das so ist, beantwortet er in diesem Interview.

Otmar Kastner ist Künstler, Kabarettist, Personalentwickler und Berater in Personalunion. Er verbindet das Wissen und seine Erfahrung aus diesen Bereichen, um damit Unternehmen zu helfen, mit aktuellen Themen besser umzugehen. Mit Humor und Leichtigkeit bringt er Freude in den beruflichen Alltag (zurück).

Herr Kastner, warum tun Sie, was Sie tun?

Aus zwei wesentlichen Gründen: Zum einen befindet sich die Menschheit inmitten eines rasanten und tiefgreifenden Wandels, und zum anderen ist es meine Leidenschaft, diesen Wandel zu fördern und zu unterstützen. Die Verschmelzung der Transformation der Wirtschaft und meine Passion dazu, motiviert mich jeden Tag aufs Neue, mit Begeisterung meinen Beruf auszuüben.

Was machen Sie eigentlich genau?

Ich bin fasziniert von allem, was mit dem Funktionieren von Menschen in Organisationen zu tun hat, insbesondere in Bezug auf ihre Anpassungsfähigkeit. Ebenso interessiere ich mich für den Zusammenhang zwischen Humor, Kunst, Tanz und anderen kreativen Ausdrucksformen im Kontext von Veränderung. Wie kann Humor beispielsweise dazu beitragen, Veränderungen zu fördern und voranzutreiben? Welche Gehirnverbindungen oder Synapsen werden dabei aktiviert, und welche Auswirkungen hat das? Und genau dieses Wissen wende ich an, um Unternehmen voranzubringen.
Für mich ist es faszinierend, zu erleben, wie Humor und Kunst Impulse setzen können, die auf einer Ebene wirken, auf die herkömmliche Berater nur schwer Zugang finden. Humor und Kunst besitzen die bemerkenswerte Fähigkeit, Widerständen aus dem Weg zu gehen, da sie auf einer Ebene der Freude und Leichtigkeit kommunizieren. In diesem Zustand fühlen sich Menschen wohl und sind offen für Veränderungen. Hier geschieht Magie. Veränderung vollzieht sich auf eine spielerische und natürliche Weise. Diese Dynamik zieht Menschen in Organisationen oft in einen Bann.

In wie vielen Unternehmen ist denn überhaupt Platz für Kunst und Humor?

Tatsächlich ist diese Frage aus zwei Perspektiven interessant: Hat die Kunst Platz in der Wirtschaft und hat die Wirtschaft Platz in der Kunst? Wenn ich mit Künstlern spreche, stellen sie oft die Frage: Bleibt es noch Kunst, wenn wirtschaftliche Aspekte ins Spiel kommen? Doch genau in diesem Spannungsfeld sehe ich das Potenzial. Es ist unglaublich faszinierend, wenn ich beobachten darf, wie sich ein zunächst strikt und ernsthaft auftretender Geschäftsmann öffnet. Plötzlich entwickelt er eine Leichtigkeit und Gelassenheit im Gesicht, und kreative Lösungen können entstehen. Diese Transformation zeigt, wie Kunst und Humor die Grenzen überschreiten und die Zusammenarbeit zwischen den Welten der Kunst und Wirtschaft ermöglichen. Um Ihre Frage zu beantworten: Immer mehr Unternehmen suchen nach neuen Ansätzen, um agiler und »leichter« zu werden.

Welche Botschaft möchten Sie an Unternehmen und deren Mitarbeiter richten?

Wenn Menschen in einen »Zustand der Leichtigkeit und Begeisterung« gelangen und ihr inneres Kind wiederentdecken, werden viele Probleme plötzlich leichter lösbar. Was zuvor noch schwer und unüberwindbar erschien, verwandelt sich in Leichtigkeit.
Bildlich gesprochen: Stellen Sie sich vor, ein riesiger, unüberwindbarer Berg steht zwischen Ihnen und Ihren Zielen. Doch sobald Sie in diesen Zustand der Freude und Leichtigkeit gelangen, stehen Sie plötzlich auf dem Gipfel dieses Berges. Von dort aus haben Sie eine weite Sicht und können Lösungen und Wege erkennen, die Ihnen zuvor verborgen waren. Diese Veränderung der Perspektive ermöglicht es, neue Möglichkeiten zu entdecken und Herausforderungen erfolgreicher zu bewältigen.

Für welche Themen oder Anliegen werden Sie gebucht?

Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich für ganz spezifische Probleme engagiert werde. Themen wie »Verbessern Sie unsere Kommunikation« ziehe ich weniger vor, da der Erfolg hier nicht so leicht zu erkennen ist. Je konkreter das Anliegen und je spürbarer der bereits bestehende Druck ist, desto lieber nehme ich solche Aufträge an, weil ich weiß, dass mein Beitrag einen deutlichen Unterschied bewirken kann.

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Ja klar, gerne. Vor kurzem war ich für ein großes Unternehmen im Einsatz, bei dem eine neue Abteilung ins Leben gerufen wurde, die über Landesgrenzen hinweg agierte. Dabei traten viele kulturelle Probleme auf, die Menschen kommunizierten zu wenig miteinander, und alles gestaltete sich irgendwie mühsam.
Nach einem gemeinsamen Workshop, in dem ich ihre Probleme massiv übertrieben dargestellt und übergezogen habe, haben alle Teilnehmer gemeinsam darüber lachen können. Plötzlich sahen sie die Parallelen zu ihren Themen, die zuvor so schwer schienen. Kommunikation gestaltet sich ganz anders, wenn man einmal gemeinsam gelacht hat oder gemeinsame positive Erfahrungen geteilt hat. Dieser gemeinsame humorvolle Moment schuf eine neue Basis für Verständnis und Zusammenarbeit in der Abteilung.

Ein weiteres Beispiel ist, als mich vor etwa drei Monaten ein österreichweiter Verband beauftragt hat. Dort sollten acht Standorte zu einem zusammengelegt werden. Dies wurde »von oben« angeordnet. Daraufhin stritten sich diese acht Standorte heftig darüber, wer nun für welche Aufgaben zuständig sein sollte. Jeder war auf den anderen sauer. Die Kommunikation geriet ins Stocken. Um dennoch eine Lösung zu finden, hat die Führungsspitze einen offenen Dialog mit rund 200 beteiligten Personen organisiert. Zu Beginn war die Atmosphäre angespannt und die Luft im Raum schien zu stehen.
Dann durfte ich auf die Bühne treten. Ich erzählte von mir, schilderte ihre Situation aus meiner Perspektive und überzeichnete erneut alles massiv, bis die Teilnehmer zu schmunzeln und zu lachen begannen. Am Ende gab es sogar einen gemeinsamen Tanz. Es war wie ein Fest, bei dem die grauen Wolken verschwanden und plötzlich vieles klarer wurde. In der anschließenden Diskussion wurde es natürlich wieder ernst und die Themen wurden besprochen. Der Kerngedanke war: Die Situation ist schwierig, aber wir wollen zusammenarbeiten und Lösungen finden. Es war eine neue Perspektive im Vergleich zu vorher. Und das alles nach nur einer Stunde auf der Bühne – so schnell kann man Stimmung und Denkweise ändern.
Ein drittes Beispiel: Ein deutsches Ministerium veranstaltete ein reguläres Führungskräfteseminar, bei dem ich als »Showact« am Nachmittag auftrat. Das Feedback des Auftraggebers lautete: »Herr Kastner, ich habe meine Mitarbeiter noch nie in so einer Stimmung erlebt.«

Wie sollte in einer perfekten Welt zusammengearbeitet werden?

Menschen beginnen ihren Arbeitstag im Büro und freuen sich darauf, gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen. Sie dürfen Mensch sein, mit all ihren Schwächen und Stärken, mit all ihren Eigenheiten. Alle bringen jeweils das ein, was sie gut können. Dadurch entsteht automatisch die Freude, gemeinsam etwas zu schaffen. Der »Spirit« der Lebendigkeit und Leichtigkeit muss vorhanden sein – dann kann etwas Geniales entstehen.

Wer ist dafür im Unternehmen zuständig?

Natürlich tragen hierfür vor allem Führungskräfte die Verantwortung. Sie benötigen dafür eine ganz bestimmte Haltung, die wir als »Childhood Oriented Management« bezeichnen. Dabei geht es darum, die Haltung eines Kindes einzunehmen – Begeisterung, Offenheit, Staunen und Neugier sind Ausdrucksformen davon. Aus dieser Haltung heraus ergibt sich alles andere von selbst. Denn Führungskräfte sind dann automatisch empathisch und wertschätzend, hören zu und wollen unterstützen. Und sie haben selbst Freude an der Arbeit und empfinden sie nicht als Last oder Qual.

»New Work« ist so ein Buzzword der Gegenwart. Wie stehen Sie dazu?

New Work wurde, soweit ich informiert bin, von Frithjof Bergmann definiert mit den Worten »Tun, was jemand wirklich, wirklich will«. In der neuen Arbeitswelt sollen Menschen also nur das tun, was sie wirklich, wirklich wollen. Mehr ist nicht nötig. Wenn dieses Ziel erreicht wird, entsteht Freude an der Arbeit wie von selbst. In unserem eigenen Unternehmen praktizieren wir das ebenfalls. Einmal im Monat fragen wir uns gegenseitig, was wir wirklich, wirklich wollen. Wir justieren uns praktisch dadurch immer wieder neu, und der Spirit bleibt lebendig. Der berühmte Flow entsteht. In diesem Zustand gedeiht eine Organisation am besten. Durch das Brennen für eine Aufgabe oder ein Thema kann Wachstum entstehen. Wenn Mitarbeiter ihre Leidenschaft in die Arbeit einbringen und das tun, was sie wirklich, wirklich wollen, werden sowohl die individuelle als auch die organisatorische Entwicklung gefördert.
Vielen Dank für das Interview.

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Otmar Kastner
CEO, CFO, CTO, COO und CCCE und Aufsichtsrat von SAPOMPSCHT.com
https://sapompscht.com