Wenn die Metapher Bullshit ist

Metaphern eignen sich im Training sehr gut dafür, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen. Dabei sollte an der Metapher jedoch auch etwas dran sein.

Trainer und Speaker lieben sie: die Metapher. Definiert im Duden als »ein sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort (eine Wortgruppe) aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird, ohne dass ein direkter Vergleich die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem verdeutlicht«.
Metaphern ergeben absolut Sinn, bleiben beim Zuhörer oder Teilnehmer leichter und schneller hängen, und können so den Lerntransfer fördern.

Häufig jedoch werden Geschichten mit Metaphern erzählt, die falsch sind. In diesem Artikel wollen wir eine häufige Geschichte aus der Weiterbildungsbranche unter die Lupe nehmen.

Gackernde Eierwerbung

Häufig beginnt ein Vortragender diese Geschichte mit einer Frage, die etwa so lautet: »Liebes Publikum, wer von Ihnen hat schon einmal ein Entenei gegessen?« Im Regelfall gehen wenige Hände nach oben. Dann fährt der Speaker fort: »Die wenigsten Menschen haben in ihrem Leben bereits einmal ein Entenei gegessen. Ich möchte Ihnen aber etwas verraten. Ein Entenei ist deutlich besser, größer, schmackhafter und gesünder als ein Hühnerei. Trotzdem, obwohl das Entenei das bessere Produkt ist, haben sich weltweit Hühnereier durchgesetzt. In jedem Supermarkt gibt es Regale voller Hühnereier in unterschiedlicher Qualität. Enteneier gibt es so gut wie nie im Supermarkt. Warum ist das so? Ganz einfach: Wenn die Ente ein Ei gelegt hat, liegt es irgendwo versteckt und die Ente gibt keinen Ton von sich und geht anschließend meist zum Wasser. Wenn aber die Henne ein Ei gelegt hat, liegt es im Nest und die Henne gackert so laut, dass es tatsächlich jeder mitbekommt. Daher haben sich Hühnereier gegenüber Enteneiern durchgesetzt.«
Diese Geschichte geht auf das Zitat von Henry Ford zurück: »Enten legen ihre Eier in aller Stille. Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist die Folge? Alle Welt isst Hühnereier.«

Schauen wir uns an, wofür diese Metapher verwendet wird:
Meistens wird diese Geschichte rund um das Thema Marketing, Verkauf oder PR erzählt. »Tue Gutes und rede darüber!« oder »Klappern gehört zum Handwerk«, sind die Aussagen, die hier dahinter stecken. Es genügt also nicht, ein gutes Produkt zu haben. Marketing und die Kommunikation rund um dieses Produkt müssen stimmen. Sätze wie »Eine gute Leistung, die schlecht kommuniziert wird, hat nie stattgefunden.« finden sich im Zusammenhang mit der Eier-Geschichte.
Die Geschichte wird außerdem regelmäßig in Positionierungsworkshops verwendet. »Du musst dem Kunden klar den Vorteil des Produktes verkaufen.« Ob es andere, bessere Produkte gibt, spielt keine Rolle, solange es niemand weiß. Auch bei Innovationen zählt heute weniger das Prinzip first on market als first in mind. Genauso geht es bei der Selbstvermarktung. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, sich selbst zu vermarkten. Tief in uns sitzt noch der Spruch »Eigenlob stinkt«.

Doch diese Geschichte ist (leider) komplett falsch. Henry Ford hat es sicherlich gut gemeint, aber trotzdem Bullshit erzählt.
Hühnereier haben sich in Europa vorwiegend auf Grund des Geschmacks durchgesetzt, während in vielen asiatischen Ländern heute noch immer mehr Enteneier als Hühnereier verzehrt werden. Obwohl wir davon ausgehen müssen, dass die Enten auch dort nicht gackern. Enteneier sind etwas größer als Hühnereier und wiegen 60 – 75 g. Die Schale ist etwas dicker, der Dotteranteil ist höher. Früher galten Enteneier als Delikatesse. Bis in die 1920er-Jahre wurden daher auch in Europa Enteneier in ungefähr gleicher Menge wie Hühnereier zum Kochen verwendet. Auch damals war also das Gackern der Hühner nicht für einen höheren Konsum der Hühnereier verantwortlich. Dann machte allerdings das bis heute unbestätigte Gerücht die Runde, dass Enteneier für den Ausbruch von Paratyphus verantwortlich sind. Bestätigt ist heute nur, dass die Salmonellengefahr bei Enteneiern tatsächlich etwas höher ist. Aber es gibt noch andere Gründe, warum sich das Hühnerei in Europa durchgesetzt hat. Eine Ente legt im Durchschnitt rund 130 Eier pro Jahr, während es ein Haushuhn auf bis zu 300 Eier pro Jahr schaffen kann. Außerdem – so furchtbar das ist – ist eine Batteriehaltung mit Hühnern effizienter als mit Enten. Ein wild lebendes Huhn legt übrigens maximal 36 Eier pro Jahr.

Auch dass ein Huhn jedes Ei gackernd ankündigt, ist schlichtweg falsch. Forscher der Oxford University gingen der Sache auf den Grund und haben Unerwartetes herausgefunden: Höchstens ein Drittel der Hennen gackerte überhaupt, wenn das Ei im Nest lag. Und nur bei 15 % aller beobachteten Eiablagen folgte anschließend das typische »Ei-Gegacker«. Die meisten Hühner gackerten also gar nicht nach der Eiablage.
Warum gackern aber die rund 30 % der Hühner, wenn sie ein Ei gelegt haben? Um zu zeigen, wie toll sie sind? Lange Zeit wurde behauptet, Hennen gackern, um den Hahn aufzufordern, sie erneut zu begatten. Doch neuerdings gehen Forscher vom genauen Gegenteil aus: Hennen, die nach dem Eierlegen gackern, wollen die Hähne informieren, dass sie nicht erneut paarungswillig sind. Diese Form des Gackerns soll vermutlich Hähnen signalisieren, dass eine Befruchtung zum gegebenen Zeitpunkt nicht erfolgreich wäre, da vom Körper der Henne noch keine weitere Eizelle bereitgestellt wurde. Gackern nach dem Legen heißt also in Wirklichkeit: »Lasst mich in Ruhe!« Genau das Gegenteil von dem, wofür die Geschichte im Marketing gerne verwendet wird. Überträgt man die wahre Aussage dieser Geschichte ins Marketing, dann würde laute Werbung bedeuten: »Kauf mich ja nicht!«

Fazit
Methapern: Ja bitte! Aber nur, wenn auch die Geschichte wahr ist, bzw. der Trainer dazusagt, dass sie es nicht ist. Dann ist alles in Ordnung. Aber den Teilnehmer durch eine falsche Geschichte etwas zu vermitteln, ist ein No-Go.

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