Boomers, Slackers, Millennials, Zoomers

Ob und wie sich HR-Systeme an Generationen orientieren sollten,
beschreibt Katharina Thill.

Die Generationen-Thematik ist aktuell sehr beliebt. Abgrenzungen durch trennende Werte und Arbeitshaltungen stehen dabei im Vordergrund. Der Fokus liegt hier vermehrt auf Generationenkonflikten statt auf generationenübergreifender Zusammenarbeit. Aber was ist dran an dem Konzept der Generation? Welchen Einfluss hat ein Geburtsjahr tatsächlich auf Arbeitseinstellungen und Kompetenzen? Und wo kann die Personalarbeit ansetzen?

In den letzten zehn Jahren ist Altersdiversität am Arbeitsplatz immer stärker diskutiert worden. Denn am heutigen Arbeitsmarkt sind zumindest vier Generationen aktiv – noch dazu in einer alternden Sozialstruktur –, was einen großen Einfluss auf den Arbeitnehmermarkt mit sich bringt. Es hat daher für das Personalmanagement strategisches Gewicht, sich auf die Gewinnung, das Involvieren und Erhalten von Mitarbeitern aller Alterskohorten zu konzentrieren. Dieses Bewusstsein ist mittlerweile schon stark in der Praxis verankert. HR-Systeme werden immer mehr an Alterskonzepte angelehnt. Insbesondere ist dies in den Bereichen Reward & Recognition der Fall, da man davon ausgeht, dass an diesen Schnittstellen die antizipierten unterschiedlichen Arbeitseinstellungen am meisten zum Tragen kommen. Das umfasst zum Beispiel Recruiting, Training & Development, Karrieremanagement, Retention Management und auch den Bereich der Führung.

Generationen unterscheiden

Vertreter der Mehrgenerationen-Theorie gehen davon aus, dass Menschen aus verschiedenen Generationen sich auch in Einstellungen, Werten und Erwartungen unterscheiden. Dies beeinflusst sowohl das generelle Verhalten als auch das spezifische am Arbeitsplatz. Argumentiert wird dies damit, dass eine Generation als eine Gruppe definiert wird, deren Geburtsjahr in eine bestimmte Zeitspanne fällt und die damit Alter, Umgebung und signifikante Lebensereignisse in der Entwicklungsphase teilt. Heißt konkret, wer in der Nachkriegszeit aufgewachsen ist, entwickelt andere Wertigkeiten als Menschen, die von der digitalen Revolution geprägt wurden. Diese kollektiven Erinnerungen zusammen mit entsprechenden sozialen Verhaltensstrategien, führen zu einer intuitiven Verbundenheit innerhalb einer Generation.
Klassifiziert werden die Generationen am Arbeitsmarkt in Baby Boomer (1946 – 1964), Generation X (1965 – 1980), Generation Y (1981 – 1996) und Generation Z (1997 – 2012). Diese Einteilung unterliegt, je nach Definition, einer leichten Varianz. Was bereits darauf hindeutet, dass es sich bei Generationen um kein starkes wissenschaftliches Konstrukt handelt. Entsprechend anfällig ist es, wie andere soziale Merkmale auch, für Klischees.

Fakt und Fiktion

Um Generationen kreisen mittlerweile eine Reihe von Stereotypen. Stellt man die Zuschreibungen nebeneinander, die populärwissenschaftliche Medien oft bedienen, grenzt dies beinahe an Tarot-Karten-Legen. Das liest sich dann beispielsweise so: Die Baby Boomer sind auf Konkurrenzverhalten, auf Aufmerksamkeit und Individualität fokussiert. Dabei aber harte Arbeiter. In der Generation X dagegen finden sich die Orientierungslosen, die zwischen Arbeit als zentralem Lebensinhalt und dem Wunsch nach Work-Life-Balance hin und her schwanken. Für die Generation Y, die ersten Digital Natives, ist Unsicherheit ganz normal. Status und Prestige sind zweitrangig, im Vordergrund stehen die Freude an der Arbeit, Selbstverwirklichung und Freiräume. Die Generation Z treibt dies noch weiter, sind sie doch ausschließlich auf ihre eigenen persönlichen Ziele konzentriert, was sie zu Einzelkämpfern und Individualisten macht.

Kritische wissenschaftliche Stimmen merken hier an, dass die Klassifizierung in Generationen bisher nur bedingt empirisch bestätigt werden konnte. Tendenzen seien sichtbar. Für Wertunterschiede und Bedürfnisse gebe es aber vielfältige andere Erklärungsansätze. Zum Beispiel wird hier des Öfteren das Konzept der Lebens- oder auch Berufsphasen angeführt.
Eine eindeutige Segmentierung der Mitarbeiter nach Generationen ist demnach nicht ratsam. Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass die Effektivität von personalpolitischen Maßnahmen, die sich an Generationen orientieren, bisher nicht festgestellt werden konnte. Stattdessen zeigt sich aber, dass diese Maßnahmen nicht selten in Richtung Altersdiskriminierung weisen.

Prozessbegleiter statt Dogma

Soziale Identität ist komplex. Das verdeutlicht auch die vorherige Diskussion. Alter, Geschlecht, Ethnizität, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, physische und psychische Verfassung – all dies sind bestimmende Faktoren. Mit schablonenhaften Ansätzen kann der Vielfalt daher kaum entsprochen werden. Es ist somit wichtig, auch das Generationenmanagement als Teil des Diversity-Managements in eine umsichtige HR-Strategie einzubinden. Die Zuschreibungen, die sich an Generationen richten, lassen sich für die Praxis daher wohl wie folgt herunterbrechen: Das Bewusstsein, dass sich Werte, Einstellungen und Arbeitshaltungen immer im Wandel befinden, ist ein wichtiger Prozessbegleiter für das Personalmanagement. Unternehmen, denen es gelingt, unterschiedliche Arbeitswerte in ihre Management-Praktiken zu integrieren, haben die größte Aussicht, das Potenzial ihrer diversen Belegschaft voll auszuschöpfen. Flexible HR-Systeme, die Mitarbeitern die Freiheit geben, ihre Arbeitsumgebung individuell mitzugestalten, sind damit ein erfolgversprechender Ansatz. Dies kann sich unter anderem auf Arbeitszeit, Arbeitsort oder auch Vergütung und Weiterbildung beziehen. Viele Unternehmen etablieren hier bereits Maßnahmen. Ein Katalysator ist dabei nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie, die Flexibilität stärker als bisher erforderlich gemacht hat. Diese gilt es nun – nach anfänglichen Ad-hoc-Reaktionen – strategisch einzubinden.
Eigene Studien zeigen, dass solche Ansätze allerdings nur unter vertrauensbasierter Führung funktionieren. Agilität lässt sich schwer kontrollieren und noch schwerer administrieren. Die Bereitschaft zu einem solchen Modell sollte damit sinnvollerweise zuerst im Management verankert sein. Und das heißt letztlich, dass ein gut begleiteter Generationenwandel im Unternehmen mit einem Wertewandel in der Führung unterstützt werden muss.

 

Eine Literaturliste stellen wir gerne auf Anfrage zur Verfügung.
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Gastautor
Katharina Thill
Academic Expert & Lecturer am Studienbereich für Personal & Organisation an der FHWien der WKW.
www.fh-wien.ac.at