»Das Kollektiv irrt nie«

Mitarbeiterbefragungen bieten die Möglichkeit, Stimmungsströmungen im Unternehmen und im Team zu erfassen. So kann rechtzeitig auf Probleme reagiert werden. Wie man ehrliche Antworten bekommt und wie man die Akzeptanz der Befragungen erhöht, lesen Sie in diesem Artikel.

Viele Unternehmen führen regelmäßig Kundenbefragungen durch. Schließlich ist der Kunde ja der bedeutendste Faktor für ein Unternehmen. Nur der Kunde? Es wird häufig übersehen, dass Mitarbeiter mindestens genauso wichtig sind für das Unternehmen. Und zwar motivierte und zufriedene Mitarbeiter, die ihren Job mit Begeisterung ausführen. Aber – hier kommt das große ABER – sind die Mitarbeiter wirklich motiviert? Brennen sie für ihren Job? Wer weiß das eigentlich? Wer überprüft es? Wer bringt es in Erfahrung? Mitarbeiterbefragung ist hier angesagt, doch dabei sparen Unternehmen. In der Vergangenheit wurden Mitarbeiterbefragungen häufig ohne strategischen Hintergrund durchgeführt und ausschließlich dafür verwendet, die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erfragen. Dabei sind die Chancen, mehr zu erfahren als die Zufriedenheit, noch viel breiter gesteckt.
Hier nur ein paar Möglichkeiten, was durch gezielt eingesetzte Mitarbeiterbefragung zu erfahren bzw. zu erreichen wäre:

  • Mitarbeiterzufriedenheit
    Partizipation/Vertrauen
    Stärken und Schwächen
    Weiterbildungsbedarf
    Verbesserung der Kommunikation
    Veränderungsnotwendigkeit
    Verbesserung von Führung
    Ideenmanagement

Auch die Mitarbeiter haben meist Interesse, regelmäßig »offiziell« ihre Meinung kundtun zu dürfen, sei dies, um Ideen einzubringen oder um diverse Missstände aufzuzeigen (siehe auch Studienergebnisse im nächsten Artikel).
Bereits kleine Fehler bei der Befragung können jedoch das Vertrauen schädigen und die Akzeptanz des Instruments mindern. Wurden bereits in der Vergangenheit Befragungen durchgeführt und gab es danach gar keine Veränderungen, wird die Motivation gering sein, ehrliche Antworten zu liefen.

TRAiNiNG befragte Experten, warum Mitarbeiterbefragungen unumgänglich sind.
Mario Filoxenidis (Geschäftsführer EUCUSA): »Führungskräfte kennen oft nur Einzelmeinungen aus der Belegschaft, nicht aber die Meinung von Gruppen oder des Gesamtunternehmens. Diese kann nur durch eine Vollbefragung ermittelt werden. Für wichtige strategische Entscheidungen zur Steigerung der Unternehmensqualität (egal ob in kleineren oder größeren Unternehmen) sollte eine Befragung Basis sein. Es ist zu wenig, auf einzelne laute Meinungsmacher zu hören. Auch die Anonymität und Durchführung durch einen professionellen Externen spielt eine wichtige Rolle, denn nur so erhält man ein ungeschminktes Ergebnis.«

Rudi Bauer (Geschäftsführer StepStone): »Mitarbeiterbefragungen sind als Fundament einer mitarbeiterorientierten Personal- und Unternehmensentwicklung nicht wegzudenken. Mithilfe der klassischen Mitarbeiterbefragung kann herausgefunden werden, wie motiviert die Belegschaft ist. Idealerweise ist sie außerdem für Mitarbeiter eine Möglichkeit, anonymes Feedback zu geben, denn oft wagen sie es nicht, ihren Vorgesetzten oder das Unternehmen offen zu kritisieren. Dies kann dazu führen, dass Dynamiken und Themen, die die Belegschaft beschäftigen, niemals zum Management vordringen. Dies ist aber fatal für Stimmung, Motivation und letztendlich Leistung. Mitarbeiterbefragungen können demnach negativer Stimmung vorbeugen und können, wenn sie richtig durchgeführt werden, ein wichtiges Instrument sein. Vergessen wir eines nicht: Ein Management, das die Probleme des Teams ignoriert, ist kein gutes Management.«

Jürgen Smid (Geschäftsführer karriere.at): »Befragungen von Mitarbeitern sind auch deshalb wichtig, weil sie einen Perspektivenwechsel zulassen: Man erfährt, wie gesetzte Maßnahmen aufgenommen werden und ob diese Maßnahmen auch etwas zum Besseren hin verändern. Ganz wichtig ist, dass dieses Instrument von der Belegschaft nicht als reines Show-Element wahrgenommen wird, mit dem eine Pseudo-Einbindung in Entscheidungen suggeriert wird. Wenn Meinungen eingeholt werden, sollten Ergebnisse auch für Mitarbeiter nachvollziehbar behandelt werden.«
Häufigkeit der Durchführung
Ziele einer Mitarbeiterbefragung ergeben sich häufig aus einem konkreten Anlass heraus. Zum Beispiel durch ein laufendes Change-Projekt oder durch Veränderungen am Markt. Laut Experten ergibt eine Befragung vor allem dann Sinn, wenn sie regelmäßig durchgeführt wird –und nicht nur anlassbezogen.
Mario Filoxenidis: »Sinnvoll ist eine Vollbefragung, d. h. im gesamten Unternehmen, alle 1 bis 3 Jahre. Wichtig ist dabei Regelmäßigkeit und glaubhafte und sichtbare Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen. Zusätzlich können für bestimmte Themen zwischendurch evtl. auch in kleinerem Rahmen sogenannte Quick Checks durchgeführt werden, die z. B. bei Veränderungsprozessen sinnvoll sind.«
Jürgen Smid legt sich nicht genau fest: »Die Häufigkeit hängt von der Art des Unternehmens, der Unternehmenskultur und dem Organisationsmodell ab. Es kann beispielsweise kleinere, themenbezogene Befragungen geben, wenn es um Dinge des Büroalltags geht, die hinsichtlich der Mitarbeiterwünsche optimiert werden sollten. Diese können mehrfach pro Jahr durchgeführt werden, da sie eine Form der Partizipation gewährleisten. Größere Befragungen mit mehreren Schwerpunkten, die sich auf das Unternehmen als Arbeitgeber bzw. auf die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen beziehen, machen unserer Meinung nach nur einmal pro Jahr Sinn. Wichtig ist, dass diese regelmäßig stattfinden und dass die Ergebnisse auch vergleichbare Werte liefern. Diese Vergleichbarkeit gewährleistet, dass man die Wirksamkeit von einzelnen Maßnahmen ablesen kann.«

Rudi Bauer: »Der Trend geht zu kontinuierlichen Mitarbeiterbefragungen im Sinne eines Stimmungsbarometers. Ein regelmäßiges Stimmungsbild der Belegschaft liefert den besten Einblick ins Betriebsklima. Die klassische Mitarbeiterbefragung liefert hingegen nur punktuelle Einblicke. Eine kontinuierliche Abfrage verhindert, dass Probleme erst nach Monaten erkannt werden. Ganz im Gegenteil: Probleme können schon, bevor sie überhaupt aufkommen, geklärt werden.«

Durch eine Regelmäßigkeit der Durchführung kann das Unternehmen also viel besser vergleichen, wie sich verschiedene Maßnahmen z. B. auf die Zufriedenheit der Belegschaft ausgewirkt haben. Außerdem können sich die Mitarbeiter innerhalb eines Jahres ein Bild davon machen, wie Ergebnisse der vergangenen Befragungen umgesetzt wurden, und sind so weiterhin interessiert an den Mitarbeitergesprächen. Und: Im Laufe eines Jahres können die Mitarbeiter weitere Ideen und Vorschläge entwickeln.

Themen der Befragung

Das Instrument Mitarbeiterbefragung eignet sich grundsätzlich für alle Themen, die für die Mitarbeiterzufriedenheit und Performance-Optimierung relevant sind.
Mario Filoxenidis spricht aus seiner langjährigen Erfahrung: »Die Spannweite reicht von Arbeitssituation, Zusammenarbeit, Führung und Zielorientierung bis zu beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, Unternehmensimage, Entlohnungssystem und Informations- und Kommunikationsaspekten. Auch Prozess- und Kundenorientierung spielen eine Rolle. Also alles, was die Unternehmens- und Führungskultur insgesamt bzw. in den einzelnen Bereichen abbildet. Zusatzdimensionen wie z. B. Gesundheitsförderung können bei Bedarf eingebaut werden. Weniger geeignet ist die MA-Befragung zur Beurteilung einzelner Führungskräfte und individueller Führungsleistung. Vielmehr wird mit dem Instrument die gesamte Führungskultur im Unternehmen gemessen. Trotzdem wird die MA-Befragung von manchen Führungskräften teilweise als ›Zeugnisverteilung‹ erlebt. Zur Beurteilung individueller Führungsstärke sind andere Instrumente besser geeignet, etwa 90 – 360° Feedback. Zu beachten ist auch, keine Fragen zu Bereichen zu stellen, bei denen es im Unternehmen keine Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Denn damit baut man eine Erwartungshaltung auf, die zu Frustration führen kann, wenn Dinge (wie z. B. bei gesetzlichen Vorgaben oder Vorgaben durch eine ausländische Konzernmutter) einfach nicht veränderbar sind.«

Rudi Bauer: »Beliebte Themen sind alles rund um Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsbedingungen, aber auch Employer Branding, Unternehmensimage oder die Einstellung der Belegschaft zu Weiterbildungen, Karrierechancen, Einkommen oder interner Kommunikation. Wir sehen: Mitarbeiterbefragungen eignen sich speziell dafür, die aktuelle Stimmung in der Belegschaft abzufragen. Unternehmen, die aktiv an ihrer Unternehmenskultur arbeiten und sogar etwas verbessern wollen, sollten zuallererst ihre Mitarbeiter befragen.«

Durchführung von Befragungen

Um eine Mitarbeiterbefragung erfolgreich für alle Beteiligten durchzuführen, sollten einige Regeln beachtet werden:

  • Kluge Formulierung der Fragen, bei denen sich die Mitarbeiter nicht beeinflusst fühlen
    Einbindung der Mitarbeitervertreter
    Anonymität gewährleisten
    Daten schützen
    offener Umgang mit Ergebnissen

Mario Filoxenidis: »Wichtig ist die professionelle, glaubwürdige Kommunikation vor, während und nach der Befragung. Die Fragen sollten relevant für die Mitarbeiter sein und somit maßgeschneidert für das Unternehmen. Es ergibt wenig Sinn, die exakt gleichen Fragen für eine Pflegeeinrichtung genauso wie für einen Finanzdienstleister und einen Schlossereibetrieb zu stellen. Relevanz und individuelle Anpassung ans jeweilige Unternehmen erhöhen die Identifikation mit dem Fragebogen und vermitteln das Gefühl, mit der Beantwortung tatsächlich etwas beitragen zu können. Gute verständliche Formulierung und Qualität der Fragestellung haben ebenfalls einen positiven Einfluss. Ganz wichtig ist, dass sowohl die Unternehmensführung als auch der Betriebsrat die Befragung unterstützen. In unserer langjährigen Praxis hat sich auch die 6-teilige Skala als sinnvoll erwiesen, weil man sich eher für eine Tendenz bei der Beantwortung entscheiden muss und man sich nicht hinter einem neutralen Mittelwert ›verstecken‹ kann, der wenig Aussagekraft hat. Die individuelle Stimmungslage zum Zeitpunkt der Befragung hat natürlich einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis. Allerdings gleichen sich diese Zufälligkeiten bei einer Vollbefragung wieder aus: Das Kollektiv irrt nicht.«
Je höher das Vertrauen in die Befragung ist, umso ehrlicher und damit brauchbarer werden die Antworten der Belegschaft sein. Eine Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen, ist die Anonymität der Befragung.

Jürgen Smid: »Nur wenn für den einzelnen Mitarbeiter garantiert werden kann, dass seine Antworten vertraulich behandelt werden und keine Rückschlüsse auf seine Person gezogen werden können, wird auch die Qualität der Antworten gut sein. Bei Angelegenheiten, die eine hohe emotionale Betroffenheit im Unternehmen hervorrufen, ist es sicherlich ratsam, eine Art Cooling-down-Phase einzulegen, um Antworten mit sachlichem Charakter zu bekommen.«

Rudi Bauer: »Wer um eine Meinung fragt, muss die Antwort ernst nehmen, unabhängig davon, wie diese ausfällt. Für Mitarbeiterbefragungen bedeutet das, dass thematisierte Probleme tatsächlich angepackt werden müssen. Mitarbeiter, die ernst genommen werden, fühlen sich wertgeschätzt und das erhöht die Akzeptanz und Sinnhaftigkeit von Mitarbeiterbefragungen für beide Seiten.«
Häufige Fehler
Da Mitarbeiterbefragungen viel Aufwand bedeuten und Kosten verursachen, erwartet sich die Unternehmensführung auch vernünftige Ergebnisse. Dabei passieren in der Praxis immer wieder Fehler, die zu schlechteren Aussagen führen. Ganz häufig fehlt es an einem klar definierten Ziel und oft wird bloß munter drauf los befragt. Selbst wenn es ein Ziel gibt, werden die Fragen manchmal so formuliert, dass ein gewünschtes Ergebnis ›herauskommt‹. So kann man sich die Befragung gleich ersparen. Und somit Zeit und Geld.
Mario Filoxenidis kennt die häufigsten Fehler: »Handlungsanleitungen, die sich aus den Ergebnissen einfach nachvollziehbar ergeben, nicht umzusetzen, ist eine schlechte Voraussetzung für die nächste Befragung. Es fehlt beim nächsten Mal das Vertrauen. Ebenso zu wenig oder schlechte Kommunikation rund um die Befragung. Mitarbeiter sollten sich nicht fragen müssen, was das Ergebnis war und was jetzt damit passiert. Ebenso müssen Unternehmensführung und Betriebsrat an einem Strick ziehen und das Thema generell unterstützen. Das kommt in der Praxis leider nicht immer vor. ›Querschüsse‹ oder auch eine ›Hidden Agenda‹ nehmen Kraft und Energie aus der Maßnahmenumsetzung. Generell sollte man den personellen und budgetmäßigen Aufwand nicht unterschätzen. Ebenso darf das Thema Mitarbeiterbefragung keine reine Alibi-Aktion sein, um das Thema Employer Branding offiziell abhaken zu können. Das Motto ›So billig wie möglich statt wirksam‹ ist kein gutes. Manche Unternehmen scheitern leider auch an der insgesamt unprofessionellen Durchführung, wenn das Thema im Unternehmen nicht die erforderliche Wichtigkeit erhält. Weiters sind Anonymitätsverletzungen und technische Probleme No-Gos bei professionellen Mitarbeiterbefragungen.«

Die Form der Befragung

Eine Befragung kann klassisch offline mit einem Fragebogen stattfinden oder online am Firmenrechner. Online spart Kosten und Zeit bei der Auswertung. Bei einer Hybridbefragung gibt es in einem Befragungszyklus sowohl Papierfragebogen als auch Onlinebefragung. Zielgruppenspezifisch kann der Befragungsmodus gewählt werden. Das bietet sich z. B. in Produktionsbetrieben an, wo ein Teil der Belegschaft in der Fertigung keinen Online-Zugang hat, der Verwaltungsbereich in der Zentrale aber sehr wohl. So erhöhen sich die Rücklaufquote und die Qualität des Ergebnisses. Auch die gewählte Sprache kann für das Verständnis der Fragestellungen entscheidend sein.
Mario Filoxenidis: »Selbst bei reinen Inlandsbefragungen kann eine Auswahl in der Sprache helfen, die Fragen verständlich zu machen. Denken Sie z. B. an Krankenhäuser oder eine große Gebäudereinigung, wo viele Mitarbeiter tätig sind, die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Hier erhöht ein Fragebogen in der eigenen (Mutter-)Sprache sowohl die Wahrscheinlichkeit einer Antwort als auch die inhaltliche Qualität. Sprache ist auch insgesamt im kulturellen Kontext ein wichtiger Faktor. Das betrifft einerseits die typische ›Unternehmenssprache‹, d. h. in der Fragestellung ist erkennbar, dass man sich mit der Unternehmenskultur im Vorfeld beschäftigt hat. Andererseits selbstverständlich die Landessprache bei globalen Befragungen. Zumindest ein unternehmensinterner sprachlicher Gegencheck bei Übersetzung von Fragebögen zahlt sich aus, damit die Inhalte nicht nur korrekt übersetzt sind, sondern auch inhaltlich der Unternehmenskultur entsprechen.«

Fazit

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung können qualitativ und quantitativ wertvolle Erkenntnisse gewonnen können. Um das Vertrauen der Mitarbeiter durch eine unprofessionelle Befragung nicht zu missbrauchen, empfiehlt es sich, bei mangelnder Erfahrung einen externen Berater zu konsolidieren.

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