Die »Mobility Policy« zukunftsfit machen

Global Mobility Teams tun gut daran, sich rasch und mit Nachdruck dem Übergang vom »Now« zum »Next« ihrer Global Mobility Strategie zu widmen.

Angesichts der bisherigen Auswirkungen von Covid-19 auf den grenzüberschreitenden Personaleinsatz bedarf es keiner Hellseher-Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass es im Bereich der Entsendepraxis für Unternehmen wohl kein Zurück zum Status quo zum Jahresbeginn 2020 gibt. Vielmehr gilt es für die Mobility-Verantwortlichen in den Unternehmen, keine weitere Zeit zu verlieren, ihre Strategie langfristig an das neue Umfeld auszurichten.
Ernst & Young hat gemeinsam mit dem RES Forum eine Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Entsendepraxis durchgeführt, deren Ergebnisse aufhorchen lassen. Mehr als die Hälfte der befragten Experten rechnen mit einem generellen Rückgang aller gängigen Formen des grenzüberschreitenden Personaleinsatzes.
Was sind die Treiber dieses Transformationsprozesses? Welche Faktoren sind bei der Neuausrichtung der Global Mobility Strategie zu berücksichtigen?

Transformation der Entsendepraxis

Die Ausgangsüberlegung, dass grenzüberschreitender Mitarbeitereinsatz und Wissensaustausch von Experten auch in Zukunft für zahlreiche Geschäftsbereiche und Projekte eine wesentliche Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges bleibt, behält zweifelsohne weiterhin ihre Gültigkeit.
»Remote Work« wird zwar die Forderung nach Präsenz am Einsatzort nicht in jedem Fall gleich stark beeinflussen, aber bei neuen hybriden Entsendungsmodellen zu einem bestimmenden Einflussfaktor werden. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bleibt es sicherzustellen, Mitarbeiter am richtigen Ort zu haben. Forderungen nach einer Flexibilisierung der Mobilitätsstrategie, die sich bisher mit der klassischen Geschäftsreise (bis 3 Monate) sowie kurzfristigen (bis 1 Jahr) und langfristigen Entsendungen (bis 3 Jahre) zusammenfassen lassen, wurden aus Kosten- und Effizienzgründen bereits vor der Corona-Pandemie laut, werden aber durch selbige weiter verstärkt. Aufgrund der Pandemie wird der mittel- wie langfristige Bedarf an mobilen Mitarbeitern schwer bis kaum abschätzbar, was für Unternehmen zu Planungsschwierigkeiten führt.

Zukunftsfähige Strategien und mögliche künftige Entsendeformen

Wie kann eine künftige  Mobility-Strategie aussehen, die all diesen Entwicklungen Rechnung trägt? Kurzfristige grenzüberschreitende Geschäftsreisen werden aus Kostengründen und auch ob gesundheitlicher Risiken und Nachhaltigkeitsüberlegungen wohl in Hinkunft noch detaillierter auf deren Notwendigkeit evaluiert und auf Grundlage der während der Pandemie gewonnenen Erfahrungswerte, wo immer möglich, auch durch Remote Work ersetzt werden. Für Geschäftsbereiche sowie länderübergreifende Projekte, die aufgrund des Sachverhaltes nicht durch virtuelle Meetings/Konferenzen ersetzt werden können, sind nachfolgende Denkansätze zur klassischen Entsendungsvariante möglich.

  • Überall dort, wo es Entfernung und Reiseverbindung zulässt, wäre eine Commutertätigkeit alternativ denkbar, bei der Entsandte die Zeit unter der Woche am Einsatzort verbringen und am Wochenende an den Hauptwohnsitz – z. B. zur Familie – zurückkehren.
  • Bei längerfristigen Einsätzen bzw. Entfernungen zwischen Wohnsitz und Einsatzland, die ein Pendeln schlichtweg nicht möglich machen, wären beispielsweise wiederholte, kurzfristige schwerpunktmäßige Einsätze vor Ort denkbar. Jedenfalls bei Projektstart zur Schaffung von Strukturen, die zwischenzeitlich auch eine virtuelle Koordination ermöglichen. Ein »letzter« physischer Einsatz wäre am Ende des Projekts denkbar, um dieses erfolgreich abzuschließen.

Mit der grundsätzlichen Möglichkeit, dass Partner und Kinder im Heimatland bleiben, sinken nicht nur die Gesamtkosten einer Entsendung (z. B. durch wegfallende oder geringere Aufwendungen für Umzüge, Partner-Supply-Policy-Maßnahmen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulgelder im Einsatzland), sondern steigt gleichzeitig auch der Pool von potenziell in Frage kommenden Mitarbeitern. Denn mit dem Wegfall eines zwingenden langfristigen Umzuges in das Gastland steigt für viele Talente auch die grundsätzliche Attraktivität einer Entsendung. Dies gilt für bereits bestehende Mitarbeiter wie auch für neu zu gewinnende Talente. Derartige hybride Entsendungsformen würden sowohl für Dienstgeber als auch Dienstnehmer die notwendige und gewünschte Flexibilität bringen.

Entwicklungsstufen neuer Entsendeformen und relevante Stakeholder

Zum zeitlichen Ablauf der Entwicklung neuer Entsendemodelle empfiehlt es sich, im ersten Schritt – auch unter Berücksichtigung der in den Unternehmen gemachten Erfahrungen während der Corona-Zeit – verschiedene Mobility-Szenarien (die für die eigenen Mitarbeiter zielführend wie auch möglich sind) zu entwickeln und im zweiten Schritt deren Vor- und Nachteile zu prüfen. Aus der Perspektive des Unternehmens gilt es hier, den Mittelweg zu finden zwischen Flexibilität und Mitarbeiterattraktivität einerseits und optimaler Abstimmung auf die Erfordernisse aus der Geschäftstätigkeit andererseits. Als relevante Stakeholder sind selbstredend das Unternehmen und somit die Geschäftsleitung selbst, die Mobility-Verantwortlichen und bereits bestehende Mitarbeiter und potenzielle neue Talente zu verstehen. Für den Mobility-Bereich ergibt sich hier wieder die große Chance, als wichtiger strategischer Partner der Geschäftsführung wahrgenommen zu werden.
Am Ende des Tages geht es nicht darum, alle bisherigen Modelle und Herangehensweisen vollständig zu ersetzen, sondern gerade in Zeiten schwer vorhersehbarer Entwicklungen für jeden Fall eine praxistaugliche und flexible Lösung zu implementieren. In anderen Worten können die angeführten Mischvarianten selbstverständlich auch neben den klassischen Entsendungsformen bestehen und diese ergänzen.
Ist man abschließend der Ansicht, dass sich die Bedürfnisse aller betroffenen Stakeholder in ausreichender Form in den entwickelten neuen Entsendungsvarianten wiederfinden, bleibt als letzter aber essenzieller Schritt vor deren Implementierung, die daraus resultierenden regulatorischen Fragen, wie insbesondere zur Sozialversicherung, zum Arbeitsrecht und zum Steuerrecht (Einkommensteuer, Betriebsstätten-Fragen) restlos zu klären und vollumfänglich zu kommunizieren.

Zusammenfassung
Corona-Pandemie bedingte Reiseeinschränkungen bringen auch nachhaltige Auswirkungen auf die Entsendepraxis international agierender Unternehmen, die auch weiterhin sicherstellen müssen, länderübergreifend die richtigen Mitarbeiter am richtigen Ort einzusetzen. Physischer Einsatz vor Ort lässt sich allerdings auch in Zukunft nicht unbegrenzt durch virtuelles Arbeiten und Remote Work substituieren. Für die Global-Mobility-Verantwortlichen in den Unternehmen gilt es daher, keine Zeit zu verlieren, um neue Entsendemodelle, die diesen komplexen Anforderungen gerecht werden, unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder zu entwickeln und die bestehenden »Mobility Policies« zukunftstauglich zu machen. Eine schwer abschätzbare Nachfrage an mobilen Mitarbeitern bringt für Unternehmen zusätzliche Komplexität bei der Planung. Hybride Entsendungsmodelle unter Einbeziehung von Remote-Work-Szenarien, die nicht zwingend mit einem Umzug in das Gastland verbunden sind und somit die Attraktivität eines Auslandseinsatzes auch angesichts aktueller Gesundheitsbedenken der Mitarbeiter erhöhen, können hier ergänzend mit den klassischen Formen der Entsendung der aktuellen Situation Rechnung tragen.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Rainer_Rainer_20162s (1)

Gastautor
Rainer Rainer
ist Senior Manager im Bereich People ­Advisory Services (PAS)
bei Ernst & Young in Wien.
www.ey.com/de_at

©Ernst&Young_DebriacherHerwig_Portrait300dpi_1452

Gastautor
Herwig Debriacher
ist Partner im ­Bereich People Advisory Services (PAS)
bei Ernst & Young in Wien.
www.ey.com/de_at