Digitale Toolbox für Trainer

Nur wenige Online-Live-Trainings kommen an das didaktische Niveau von Präsenztrainings heran. Wie man ein Seminar sinnvoll digitalisiert, lesen Sie hier.

Seit COVID-19 bekommen viele Trainer vermehrt Anfragen wie: »Können Sie dieses Seminar auch online anbieten?«
Bei einem frontalen Vortrag geht das leicht. Bei Seminarkonzepten, die Interaktion und praktische Übungen vorsehen, ist das schon schwieriger. Vor allem, wenn die volle Transferwirksamkeit erhalten bleiben soll. Denn eines darf man nicht vergessen: Als Trainings-Profi muss man auch online immer den Lernerfolg der Teilnehmenden ins Zentrum des Designs stellen.

Transfer

Die Versuchung ist groß, ein Online-Seminar schnell einmal zuzusagen, doch muss man vorab sicherstellen, dass man auch das nötige Know-how und die technischen Voraussetzungen für ein wirksames Online-Design zur Verfügung hat. (Softskill-)Themen frontal online zu unterrichten, ohne auf die essenziellen Elemente »Anwendung« und »Reflexion« zu achten, hat kaum praktischen Nutzen für die Teilnehmenden. Auch Auftraggeber negieren diesen Umstand häufig, wenn es darum geht, schnell das Programm auf Distance Learning umzustellen. Das Transferziel wird in den Hintergrund gerückt. Dies rächt sich meist schon beim Feedback, spätestens aber dann, wenn im Arbeitsalltag keine Verhaltensänderung stattfindet. Es gilt also, professionell designte Seminarkonzepte, auch online so zu gestalten, dass sie transferfähig sind.

Digitalisierung umsetzen

Im Prinzip kann man fast jede interaktive Methode auch digital durchführen: Angefangen von Kleingruppen-Übungen und Rollenspielen, über Brainstorming bis hin zu Quiz und Reflexionsmethoden. Leicht machen es einem ausgefeilte Webinar-Software (wie MS Teams, Adobe Connect, GoToWebinar etc.), die Features wie Whiteboards, Breakout-Sessions und Chat integriert anbieten. Viele Firmen dürfen (aus Sicherheits- oder Kostengründen) aber nur Software verwenden, die nicht für Live-Online-Seminare programmiert sind, sondern nur für simple Videokonferenzen. Hier vermissen Trainer, die erlebnisorientiert arbeiten, die oben erwähnten essenziellen Tools. Doch auch hier kann man sich mit externen Lösungen helfen und im Endeffekt fast ebenso abwechslungsreiche und lernintensive Online-Seminare zusammenstellen, wie mit professioneller All-in-one-Webinar-Software.

Toolbox

Toolbox

In der Tabelle oben finden Sie eine Übersicht digitaler Tools, die, entweder integriert in der Webinar-Software oder als externe Lösung analoge Methoden ersetzen. Die meisten Tools sind schnell erlernbar und leicht in der Anwendung. Eine gewisse Affinität zu Technologie braucht man natürlich sowie etwas Zeit, um die Anwendungen zu testen und vorzubereiten. Fast alle gelisteten Tools sind kostenfrei. Sobald man die eigenen Lieblingsanwendungen herausgefunden hat, zahlt es sich mitunter aus, auf einen Pro-Account umzusteigen, weil man dadurch eine breitere Palette an Anwendungsmöglichkeiten bekommt. Einige besonders User-freundliche Tools möchte ich hervorheben: Ein beliebtes Gratis-Tool ist Jamboard, das mit der Möglichkeit, bunte Post-its für Brainstorming zu verwenden, eine anregende Alternative zu Whiteboards darstellt. Mural bietet alles rund um »visual cooperation« von Planung bis Gaming mit vielen praktischen Vorlagen, die man gratis testen kann. Spic und Word Rap von seminar consult Prohaska sind einfache Lösungen, um mit Bildern bzw. Assoziationen zu arbeiten. Durch den freien Zugang können webbasierte Tools jeder Zeit benutzt und geteilt werden. Es ist jedoch wichtig, mit dem Auftraggeber zu klären, welche externen Dienste verwendet werden dürfen und wie der Datenschutz gesichert wird.

Rahmenbedingungen

Selbstverständlich ist der Erfolg eines Online-Seminars noch nicht garantiert, nur weil man die richtigen Tools anwendet. Damit erlebnisorientiertes digitales Lernen funktioniert, müssen neben der Didaktik auch die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören Gruppengröße (8 – 12 Teilnehmer sind ideal) und gute technische Vorbereitung der Teilnehmenden. Sind diese nicht sehr technikaffin, muss am Beginn des Seminars Zeit für die technische Einführung eingeplant werden. Um Verzögerungen und Ermüdung durch diesen Prozess zu vermeiden, ist es empfehlenswert, einen Tag vor dem Seminar die technische Testung inklusive Hardware durchzuführen oder diese intern durchführen zu lassen. Externe Tools werden erst während des Seminars eingeführt und erklärt. Die Komplexität der Tools muss daher unbedingt an das technische Niveau der Zielgruppe angepasst werden! Eine Teilnahme ohne Video ist übrigens nicht empfehlenswert, weil dadurch viele Interaktionsmöglichkeiten wegfallen und noch mehr Anonymität aufkommt.

Didaktik

Der wichtigste Erfolgsgarant bleibt das Trainingsdesign. Die Faktoren »Abwechslung« und »Infotainment« sind bei Online-Seminaren noch wichtiger als in der Präsenz. Zum einen ist das Ablenkungspotenzial größer. Zum anderen sind Konzentration und Interaktion online viel anstrengender, weil die persönliche Ebene fehlt. Ein ausgewogener Methodenmix und genügend Pausen sind Grundvoraussetzungen. Ein (Präsenz-)Tagesseminar kann beispielsweise durch ein Live-Online-Seminar, bestehend aus 3 – 4 Blöcken zu je 60 – 90 Minuten, ersetzt werden. Stündliche (offline!) Pausen und Aktivierung zwischendurch sind essenziell, um die Aufmerksamkeit der Gruppe zu halten.

Beispiel einer 70 Minuten Online-
Seminareinheit:

  • 15 Min. Jamboard: Offenes Brainstorming mit digitalen Post-its zur Einführung des Themas
  • 10 Min. Whiteboard: Input zur Kernbotschaft des Themas durch Live-Visualisierung
  • 20 Min. Break-out-Session: Übung des Erlernten anhand eigener Fälle in Kleingruppen
  • 10 Min. Videokonferenz: Reflexion der Übung
  • 15 Min. Kahoot: Quiz zur Wiederholung und Vertiefung

Fazit
Live-Online-Seminare können hohe Wirksamkeit erzielen, wenn die Rahmenbedingungen darauf abgestimmt sind, und das Design interaktiv, zielgruppenspezifisch und abwechslungsreich ist. Dafür steht eine Fülle hilfreicher Tools zur Verfügung. Allerdings muss genug Vorbereitungszeit eingeplant werden, denn der präzise und reibungslose Einsatz der Tools ist entscheidend für den Erfolg im Online-Seminar.

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Ertl-Pillhofer0820

Gastautorin
Sarah Ertl-Pillhofer
ist Geschäftsführerin von talk2change, die Trainingsagentur für Kommunikation und Konfliktlösung.
www.talk2change.at