»Easy, but not simple«

In diesem Artikel von Gastautorin Christina Schweiger lesen Sie über fünf Prinzipien für agile Teams.

Agilität umfasst die Fähigkeit, flexibel, proaktiv, antizipativ und initiativ zu agieren, um notwendige Veränderungen herbeizuführen. Nicht nur der Ruf nach agilen Teams ist in den letzten Jahren sehr laut geworden, der Begriff Agilität ist generell in aller Munde: agiles Mindset, agile Mitarbeiter, agile Organisationen, agile Coaches, agile Strukturen, ja sogar Unternehmenskulturen sollen agil werden, damit Organisationen in Zeiten des permanenten Wandels bestehen können. Auch der »agile Methodenkoffer« ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen, ein Indiz dafür, dass der Bedarf an Training und Beratung durchaus gegeben ist. Ein mit der Agilität verwandter Ansatz ist jener der strategischen Veränderungsfähigkeit von Organisationen, der tief im strategischen Management verwurzelt ist. Er umfasst ein Set an Kompetenzen, das Organisationen ermöglicht, proaktiv, flexibel und einzigartig, d. h. gemäß ihren eigenen inneren Fähigkeiten, Strukturen und Ressourcen, notwendige Veränderungen zu erkennen und zu implementieren. Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes rund um dieses Thema, wurde zur Stärkung der Agilität der teilnehmenden Unternehmen eine Workshop-Reihe in Anlehnung an den lösungsfokussierten Beratungsansatz nach Steve De Shazer & Insoo Kim Berg durchgeführt. Aus diesen rund 40 Workshops konnten fünf einfache Prinzipien abgeleitet werden, die sich für agile Führungskräfte und Berater als nützlich erweisen, um die Agilität von Teams zu stärken.

Prinzip 1: Veränderung aus der Zukunft

Ein Perspektivenwechsel in die präferierte Zukunft ermöglicht es, ein gemeinsames Bild über den angestrebten Sollzustand zu entwickeln. Mithilfe so genannter Future Jumps versetzt sich das Team in ein ideales und trotzdem realistisches Zukunftsbild. Folgende Beispielfragen geben einen Einblick:

  • Was ist nach der Veränderung konkret anders?
  • Woran werden wir das konkret bemerken?
  • Wie fühlen wir uns dann?

Ist die Vorstellung dieser gelingenden Zukunft erst einmal konkret im Raum, können aus dieser Zukunftsperspektive retrospektiv konkrete Umsetzungsschritte und Veränderungsideen zur Erreichung des idealen Zielbildes entwickelt werden. Dieser Fokus gibt Orientierung und forciert ein antizipatives, proaktives und selbstorganisiertes Verhalten des Teams.

Prinzip 2: Aus der Vergangenheit lernen

Kennt ein Team die eigene Organisationslogik und weiß es daher, wie es im Umgang mit Veränderungen tickt, kann es bewusst entscheiden, mehr von dem zu tun, was in solchen Situationen schon einmal funktioniert hat und gleichzeitig jene Verhaltensweisen zu vermeiden, die in ähnlichen Situationen in der Vergangenheit nicht funktioniert haben. Identifizieren lassen sich solch typische Verhaltensmuster mit Methoden der Vergangenheitsanalyse, z. B. der Zeitstrahlmethode. Forciert wird dadurch v. a. die Fähigkeit, Erfolge und Misserfolge zu antizipieren. Der Fokus auf bereits Gelungenes stiftet Mut und Zuversicht, das stärkt die Proaktivität des Teams und führt fallweise zu einer Erhöhung des Veränderungstempos.

Prinzip 3: Sog statt Druck erzeugen

Wahrgenommener Veränderungsdruck kann die Agilität der besten Teams beeinträchtigen. Auch hier ist das Motto »Mache mehr von dem, was bereits gelingt!« hilfreich. Der Fokus wird auf das Gelingen im aktuellen Alltag gerichtet. Besonders in turbulenten Zeiten kann es gut sein, regelmäßig im Team zu reflektieren, wo es im Alltag positive Ausnahmen abseits vorhandener Probleme und Turbulenzen gibt. Einfache Fragen im Teammeeting wie »Was ist uns vergangene Woche gut gelungen, worauf sind wir stolz?« helfen dabei, den Fokus auf die vorhandenen Stärken und Ressourcen des Teams zu richten. Diese Perspektive kann eine Art Sog erzeugen, da sie Teams trotz Veränderungsdruck dabei hilft, Misserfolge leichter wegzustecken und folglich initiativ, flexibel und proaktiv zu bleiben.

Prinzip 4: Einen klaren Rahmen setzen

Klarheit über den Entscheidungs- und Handlungsspielraum hat positive Effekte auf die Agilität eines Teams. Wird bei Veränderungsvorhaben beispielsweise nicht klar kommuniziert, ob und in welcher Form Veränderungsideen eingebracht werden dürfen, welche Entscheidungen und Handlungen im Zuge der Veränderungen im Team selbstorganisiert getroffen und gesetzt werden können und wo hier die Grenze zu anderen Abteilungen und dem strategischen Management liegt, führt das zu Irritation und Resignation. Den Entscheidungs- und Handlungsrahmen für sein Team stets aufs Neue zu verhandeln und proaktiv an sein Team zu kommunizieren, lohnt sich: mit innerhalb des vordefinierten Rahmens möglichst flexiblen, proaktiven und initiativen Mitarbeitern.

Prinzip 5: Widersprüche normalisieren

In jeder Organisation existieren Widersprüchlichkeiten, aus denen eine gewisse Spannung in der täglichen Arbeit resultiert. Beispielsweise möchte ein Familienunternehmen auf der einen Seite die Tradition bewahren und auf der anderen Seite möglichst radikale Innovationen hervorbringen. Führungskräfte finden in ihren Teams Personen, die sich entweder verstärkt der Tradition oder verstärkt der Innovation zuwenden. Solche Spannungsfelder sind der Agilität nicht immer dienlich und können im genannten Beispiel sowohl Traditions- als auch Innovationsvorhaben blockieren. Hilfreich für die Agilität ist hier, sich von dieser »Entweder-oder-Logik« zu verabschieden und Teams auf eine »Sowohl-als-auch-Logik« auszurichten. Beide Seiten haben ihre Existenzberechtigung und können gleichermaßen für strategische Veränderungsvorhaben nützlich sein.

Agilität von Teams erfordert nicht immer ein komplexes Set an Methoden, manchmal sind auch die einfachen Werkzeuge wirksam. Auch diese fünf Prinzipien sind einfach zu verstehen, erfahrungsgemäß jedoch nicht immer leicht umzusetzen. Vergleichbar zu Steve de Shazers oft zitierter Aussage: »Easy but not simple!«

 

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Gastautorin
Christina Schweiger
leitet den Studienbereich »Personal & Organisation« an der FHWien der WKW.
www.fh-wien.ac.at