»Es gibt nichts Wichtigeres!«

Von 21. bis 22. September 2022 findet der bereits 6. Corporate Culture Jam in Maria Enzersdorf bei Wien statt. Nachhaltiges Wirtschaften steht im Mittelpunkt.

Dieses Jahr geht es beim CCJ besonders um eine nachhaltige Unternehmenskultur und warum das für Unternehmen in Zukunft so wichtig sein wird. TRAiNiNG hat Stephan Grabmeier, einer der Keynote-Speaker des Events, vorab zu seinen Inhalten interviewt.

Sie halten einen Vortrag zum Thema »Green Transition«. Was genau versteht man darunter?

Wir befinden uns in der wichtigsten und dringendsten Transformation der Menschheit – den Weg zur Umweltneutralität. Dabei geht es darum, wie wir uns als Gesellschaft, als Privatpersonen, aber vor allen Dingen als Unternehmen hin zur Umweltneutralität entwickeln. Eine Transition beschreibt die vielen kleinen Übergänge in einer Transformation. Es geht um ganzheitlichen Wandel.

Wie wichtig wird es für Unternehmen in Zukunft sein, nachhaltig zu handeln?

Es gibt nichts Wichtigeres. Wir werden als Menschheit nicht überleben, wenn die Wirtschaft sich nicht wandelt. Dem Raubbau an der Natur und der Fortsetzung des fossilen Kapitalismus sind Grenzen gesetzt. Das ist nicht neu, die gab es schon immer. Ein endlicher Planet verträgt kein unendliches Wachstum. Spätestens seit der Etablierung des Club of Rome 1968 und mit der ersten Simulation des endlichen Wachstums der Forschergruppe am MIT ist das klar. Das versteht ein Erstklassler. Bis dato aber noch die wenigsten Unternehmer, Wirtschaftsbosse und Politiker. Es ist eine kollektive und globale Aufgabe, diese Probleme zu lösen. Dafür muss jedes einzelne Unternehmen sein Geschäftsmodell, seine Strategie und seine Haltung hin zu nachhaltigem Wirtschaften anpassen.

Welche Rolle kommt der Politik zu?

Die Politik ist Fluch und Segen zugleich. Der Segen ist, dass mit ordnungspolitischen Regelungen nachhaltige Entwicklungen gezielt gesteuert und gefördert werden können – sogenannte Maßnahmen mit Lenkungswirkung. Dazu zählen z. B. die ESG Taxonomie aus dem EU Green Deal, die CSR(D)-Richtlinien, das Lieferkettengesetz, das Recht auf Reparatur oder die Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft, um ein paar wenige zu nennen. Der Fluch ist, dass die Politik selten Innovationsführer ist. Das bedeutet, wenn regulatorische Maßnahmen etabliert werden, liegt meist schon viel im Argen. Dann wird es höchste Zeit. Ohne politische Maßnahmen passiert leider nichts. Wir sehen ja, wo wir heute stehen, die Wirtschaft, ihre Verbände und Lobbyisten stecken noch in der Verantwortungslosigkeit des fossilen Kapitalismus.

Wie ist es möglich, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Mitarbeiter intrinsisch motiviert, nachhaltig zu handeln?

Die einfache Antwort: wenn alle wollen. So einfach es klingt, so herausfordernd ist es. Das Wichtigste ist, eine nachhaltige Strategie zu haben, wohin sich das Unternehmen entwickeln will. Welche Vision und welches nachhaltige Zukunftsbild ist vorhanden? Und wie lassen sich daraus Konsequenzen für das Business-Modell hin zur Kreislaufwirtschaft, den Markt- und Kundensegmenten und ganz besonders für das Organisationsdesign ableiten?
Ich begleite viele Unternehmen bei der Entwicklung einer nachhaltigen Strategie bis zur Umsetzung. Das Wichtigste ist der Bewusstseinswandel des Managements oder der Inhaber. Wenn der Purpose, also das Anliegen eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter, ernsthaft nachhaltig ist, dann ist der Nährboden für eine Green Transition gegeben. Ohne das bleibt alles oberflächliches Greenwashing.

Wie finden Unternehmen dazu die richtigen Mitarbeiter?

Das ist eine Entwicklung, die bereits in vollem Gange ist. Die globale Studie »Balancing Sustainability and Profitability« von IBM vom Mai 2022 zeigt, dass 67  % der Jobwechsler in den letzten 12 Monaten sich nur bei Firmen bewerben, die aus ihrer Sicht nachhaltig sind. 68  % der Jobwechsler nehmen zukünftig nur einen Job bei nachhaltigen Firmen an. Der Wert bei den sogenannten Planet Guardians ist noch höher.
Zukünftig wird es nur noch nachhaltige Jobs geben. Wenn sich alle Unternehmen nachhaltig entwickeln, ist das die logische Konsequenz. Je eher Unternehmen ihre nachhaltige Transformation schaffen, umso besser positionieren sie sich im Talent-Wettbewerb. Auch das muss ein Antrieb für Unternehmensverantwortliche sein.

Jede Veränderung in Unternehmen ist »mühsam«. Wie schaffen Führungskräfte die richtigen Voraussetzungen dafür?

Nichts geht von allein, nichts passiert, ohne dass wir unsere Komfortzone verlassen und Neuland betreten. Wir wissen oft nicht, was passiert, weil wir es noch nicht gemacht haben. Es erfordert Mut und Neugier, diesen Weg zu gehen. Und sicher passiert das nicht ohne Mehrbelastung in den Übergängen. Das nennt man Transformation. Das Großartige an der Green Transition: Alle wissen, wofür sie es tun. Wir machen es, um einen besseren Planeten zu hinterlassen, als wir ihn jetzt vorfinden. Wir tun dies für unsere Kinder und Enkelkinder, um ihnen ein Erbe zu hinterlassen, das noch einigermaßen lebenswert ist. Wer dafür nicht bereit ist, sich seine Lebensweise und seine Art, ein Unternehmen zu führen, auf den Prüfstand zu stellen und Freude daran hat, sich nachhaltig zu entwickeln, ist aus meiner Sicht verantwortungslos. Sie merken, es geht um einen Bewusstseinswandel. Den müssen Führungskräfte anstoßen. Der fängt bei jedem selbst an. Nur wer sich selbst in der Nachhaltigkeit entwickelt, kann andere bei ihrer Entwicklung begleiten.

Welche Skills brauchen Führungskräfte dazu?

Der wichtigste Skill ist der gesunde Menschenverstand. Ich mache es wieder einfach. Auf einem endlichen Planeten ist kein unendliches Wachstum möglich. Die wichtigste Frage: Was ist mein Beitrag als Führungskraft, diese Transformation zu gestalten? Ich arbeite mit einem Modell, das international seit über zwei Jahren eine breite Anerkennung findet – die Inner Development Goals (IDG). Die IDGs sind als Weiterentwicklung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) entstanden, um diese besser in die Umsetzung zu bringen. Die IDGs wurden mit über 1 000 Unternehmensvertretern, wissenschaftlichen Partnern und Hochschulen entwickelt und verprobt. Darin finden Sie 23 Skills in 5 Kategorien. Ein Whitepaper zu den IDGs ist auf meiner Website downloadbar: https://stephangrabmeier.de/inner-development-goals-fuer-sustainable-leadership-white-paper

Welchen organisatorischen Rahmen braucht es?

Eine Green Transformation wird nur erfolgreich sein, wenn sie einer strategischen Zukunftsentwicklung folgt. Nachhaltigkeit ist kein HR-Programm oder ein CSR-Projekt – es ist die Business Entwicklung eines Unternehmens auf das nächste Bewusstseinslevel. Sind diese Voraussetzung und daraus eine Transformation Roadmap entwickelt, zeigt sich, welche Schwerpunkte sich ein Unternehmen setzt, z. B. mit einem Impact Assessment, dem Aufbau von CSRD-Reportingstrukturen, einer neuen Innovations- oder Designentwicklung von Produkten, Neu-Ausrichtung von Verfahren oder Verpackungen, dem Entwurf hin zur Kreislaufwirtschaft oder über den kulturellen Part, z. B. der Leadershipentwicklung. Die Maßnahmen stehen im Kontext der Strategie und nicht umgekehrt. Es geht nicht um Aktionismus, sondern um systemische, koordinierte Aktionen.
Je mehr dazu sichtbar wird, je mehr Kommunikation stattfindet, je mehr Erfolge gefeiert werden, je deutlicher das Business-Potenzial sichtbar wird, umso klarer wird, wie sehr sich eine Green Transformation lohnen kann. Für jedes Unternehmen, für alle Mitarbeiter und für unseren Planeten. Eine Win-win-win-Situation.

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Stephan Grabmeier
ist Future Designer und steht für enkelfähiges Wirtschaften, New Work und
Planet Centric Design.
stephangrabmeier.de

 

Corporate Culture Jam
»Good WHYbrations«
21. – 22. September 2022, GABRIUM, Maria Enzersdorf
www.corporate-culture-jam.at