Gamification in der Weiterbildung

Was es braucht, um auch in Zukunft attraktive Weiterbildungsangebote zu schnüren,und welche Trends noch auf uns zukommen, lesen Sie in diesem Interview.

Spielerische Elemente haben auch in die Weiterbildungsbranche Einzug gehalten. Warum gibt es hier so einen Trend?

Martin Röhsner: Das Anwenden von spielerischen Elementen – also Gamification – baut auf der Motivationstheorie auf. Dafür müssen wir uns einmal anschauen, warum Menschen überhaupt lernen. Das kann vor allem zwei Gründe haben: Entweder jemand muss lernen, wie z.B. in der Schule, oder er verspricht sich davon irgendeinen Vorteil, zum Beispiel beruflichen Aufstieg oder soziale Anerkennung. Die meisten Menschen spielen gerne, egal ob das Computerspiele, Gesellschaftsspiele oder Kartenspiele sind. Der Spieltrieb ist in den meisten von uns mehr oder weniger ausgeprägt.
Gamification in der Weiterbildung greift auf die gleichen Faktoren zurück, wie es Spiele tun, um interne Anreize zu schaffen. Es wird also ein spielerisches Anreizsystem geschaffen. Bei Computerspielen ist das z. B. der Aufstieg in ein höheres Level oder das Freispielen von neuen Figuren oder Autos.

Beim Lernen kann es beispielsweise motivierend sein, neue Stoffinhalte freizuschalten. Wie könnte das konkret aussehen?

Nehmen wir als Beispiel eine Geografie-Lern-App, bei der es darum geht, die Länderhauptstädte zu erlernen. Natürlich könnte jeder Kontinent von Anfang an zu üben sein. Doch es ist viel motivierender, wenn der Lernende immer weitere Länder oder Kontinente freigeschalten bekommt, je mehr Fragen er richtig beantwortet hat. Lernende freuen sich und sind intern motiviert, wenn sie z. B. alle Bundesstaaten der USA richtig zugeordnet haben und dafür jetzt Kanada freigeschaltet bekommen.
Das Gleiche funktioniert auch bei Fachschulungen. Auch hier ist es eine Möglichkeit, dass sich der Lernende erst sukzessive den Zugang zum Stoff »verdient«. Er bekommt zuerst die Basics zu dem Thema und wenn er die Fragen dazu richtig beantwortet hat, hat er sich vertiefendes Wissen »verdient« und hat Zugriff auf mehr Lerninhalte. Das portioniert den Stoff und »erschlägt« den Lernenden nicht gleich mit zu viel Inhalten.

Wie kann Gamification in Präsenzseminaren eingesetzt werden?

Einerseits kann man natürlich jedes Präsenzseminar um einen Online-Teil erweitern und hier spielerische Elemente einbauen oder der Trainer schafft im Seminar selbst ein Anreizsystem, z. B. durch mögliche Incentives. Vielleicht kennen Sie das von manchen Seminaren, wo bei richtigen Antworten Schokolade verteilt wird. Selbst so kleine Anreize sorgen meisten für mehr Interaktion im Seminar. Oder denken wir größer: Wenn der Stoff des Vormittags gut gelernt wurde, gibt es am Nachmittag irgendeine sinnvolle Belohnung, z.B. ein Buch des Trainers zu dem Thema geschenkt.

Wie wichtig wird das Thema mobiles Lernen in der Zukunft?

Das Thema ist schon jetzt nicht mehr wegzudenken. Wir Menschen waren es noch vor 20 Jahren nicht so gewohnt, unser Mobiltelefon bei so vielen verschiedenen Gelegenheiten zu verwenden. Heute navigieren wir über das Smartphone, buchen Parkscheine oder kaufen Tickets für die Bahn. Daher hat sich das Medium natürlich auch für das Lernen durchgesetzt. Besonders für kurze Lerneinheiten – also Mikrolearning – ist es eine tolle Sache. Hier kann niemand mehr die Ausrede verwenden, er hätte keine Zeit zum lernen. Denn 5 bis 10 Minuten hat jeder am Tag Zeit, um eine kurze Lektion zu lernen.
Ich glaube auch nicht, dass der Trend des mobilen Lernens nur die Jungen betrifft. Denn ein Smartphone hat schon fast jeder, unabhängig vom Alter.

Lebenslanges Lernen wird von der Gesellschaft, der Politik und den Unternehmen immer wieder verlangt, dennoch lernen in Österreich nur die wenigsten »ein Leben lang«. Woran liegt das? Und wie kann das gefördert werden?

Leider ist es in Österreich tatsächlich so, dass der Drang nach Weiterbildung beim Durchschnittsösterreicher nicht sehr weit ausgeprägt ist. Das ist in anderen Ländern völlig anders und wird daher zu einem gesellschaftspolitischen Thema. Daher ist es sehr bedauerlich, dass vor einigen Jahren die Politik einige Bildungsförderungen ersatzlos gestrichen hat.
In Österreich ist ohnehin die Meinung vorherrschend, dass die Unternehmen für die Weiterbildung der Menschen verantwortlich sind, und weder der Staat noch man selbst. Das ist ein interessanter Trend, den es in anderen Ländern so nicht gibt. Hier müsste die Politik mit Kampagnen und Förderungen tätig werden.

Wie sehen Sie die Chancen der Digitalisierung in der Weiterbildung?

Im Bereich der reinen Wissensvermittlung wird digitales Lernen weiterhin steigen. Bei Soft-Skill-Trainings wird immer ein gewisser Teil in Präsenzveranstaltungen stattfinden, alleine schon, um gruppendynamische Prozesse zu erleben und durchzuspielen. Lernplattformen müssen in Zukunft ganz klar an eine bestimmte Zielgruppe fokussiert sein. Führungskräfte werden hier anders angesprochen als Schüler.
Individuen lernen individuell, egal ob in Präsenzseminaren oder bei Online-Schulungen. Lernen wie früher in der Schule, wo jeder Schüler mittels Frontalvortrag jeden Stoff vorgetragen bekommt, ist nicht zielführend. Viel sinnvoller ist es, wenn jeder Lernende den Lernkanal, die Inhalte und die Methode frei wählen kann. Je nachdem, was er gerade braucht.

Wie müssen Präsenzseminare in Zukunft aussehen, damit Teilnehmer wieder gerne auf Seminare gehen?

Es muss interaktiv sein, abwechslungsreich und mit vielen verschiedenen Methoden und Medien gearbeitet werden. Wenn jemand heute in ein Seminar geht und dort steht das berühmte, verstaubte »Herzlich Willkommen-Flipchart«, dann löst das bei jedem etwas aus. Das ist veraltet, und wurde schon vor über 20 Jahren so gemacht. Trainer müssen sich stets bewusst sein, dass ihre Teilnehmer bereits auf anderen Seminaren waren. Sie kommen, um etwas Neues zu lernen und nicht, um altes Wissen wiedergekaut zu bekommen. D. h. jeder Trainer braucht interessante neue Inhalte, die natürlich auf altem Grundlagenwissen basieren können. Dagegen spricht gar nichts, aber es muss neu und zeitgemäß aufbereitet sein.

Welche Aufgabe wird die Personalentwicklung in Zukunft inne haben?

Nachdem die durchschnittliche Verweildauer von Mitarbeitern im Unternehmen abnimmt, neigen manche Unternehmen dazu, gar nichts mehr bzw. viel weniger in die Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren. Unternehmen erwarten sich aber trotzdem die bestmögliche Leistung während des Angestelltenverhältnisses. Daher ist es die Aufgabe von Unternehmen, Mitarbeiter soweit zu unterstützen, dass genau das möglich ist. Dazu gehört es auch, die Belegschaft up to date zu halten, als zu schulen. Hier nichts in Weiterbildung zu investieren, erachte ich als großen Fehler. Eine weitere Aufgabe der PE-Abteilung der Zukunft wird es sein, zu wissen, welcher Mitarbeiter welche Form der Wissensvermittlung bevorzugt.

Welche Themen werden Ihrer Meinung nach noch mehr nachgefragt?

Alle Themen rund um Technik und Digitalisierung, vor allem auch Robotik. Bei diesen Themen herrscht großer Fachkräftemangel. Aber natürlich soll nicht jeder Roboterbauer und Programmierer werden. Es geht auch darum, die Menschen zu schulen, mit den neuen technischen Hilfsmitteln richtig umzugehen, damit sie diese richtig anwenden können.
Im Soft-Skill-Segment erkenne ich zwei Themen, die immer mehr nachgefragt werden: Einerseits der interkulturelle Bereich und andererseits der Bereich virtueller Teams.
Danke für das Gespräch.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Röhsner

Martin Röhsner
ist ­Geschäftsführer von dieBerater®.
www.dieberater.com