HR-Arbeit im Wandel

Digitalisierung, demografischer Wandel, Pensionswelle, Künstliche Intelligenz, Datenschutz etc. sind Schlagworte unserer Zeit. Wohin sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird und welche Trends in HR und Weiterbildung zu beobachten sind, lesen Sie hier.

Jedes Jahr schreibt TRAiNiNG in der Dezemberausgabe über Trends und Veränderungen im HR-Bereich und Weiterbildung.
Im Jahr 2018 lassen und ließen sich Neuerungen bemerken, speziell alle Themen rund um Datenschutz, wofür die DSGVO, die im Mai in Kraft trat, verantwortlich ist. Weiterentwicklungen in der Technik machen neue Systeme wie Virtual Reality oder Künstliche Intelligenz möglich. Neue Generationen fordern neue Arbeitsbedingungen, wollen flexibel arbeiten und stoßen damit zeitweise auf alte und verstaubte, arbeitsrechtliche Grenzen. Und natürlich ändern sich durch die demografische Entwicklung die Anforderungen der Unternehmen.

Unfassbare Datenmengen

»Daten sind das Öl der Zukunft«, sagen Experten. Und gerade weil sie an Bedeutung gewinnen, wird die Verwendung seit Mai in der Datenschutzgrundverordnung geregelt. Besonders in Bezug auf personenbezogene Daten ist die Personalabteilung gefordert.
Thomas Olbrich (Chief Culture Officer bei karriere.at) über die Auswirkungen der neuen Verordnung: »Die DSGVO hat HR-Verantwortliche dieses Jahr in Atem gehalten – der erforderliche Umgang mit einer enormen Menge an Daten bleibt nach wie vor eine Herausforderung. Um sie zu sammeln, auszuwerten und daraus zu lernen, werden Technologien im Recruiting zunehmend eine große Rolle spielen: Vom Bewerbermanagementsystem bis zum Tool für Mitarbeiterbefragungen. HR-Verantwortliche werden außerdem verstärkt als Human Relations Manager tätig werden müssen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Beziehungen zu Bewerbern (Stichwort ›Candidate Journey‹), den bestehenden Mitarbeitern sowie Kontaktpunkten außerhalb des Unternehmens.«

Ganz ähnlich sieht das Veronika Aumaier (Geschäftsführerin Aumaier Consulting/Training GmbH): »Ganz allgemein gesehen kristallisieren sich für Human Resources sukzessive zwei große, von den Anforderungen her sehr unterschiedliche Zukunftsbereiche heraus: Data Management und People Management. Das Neue daran ist, dass beide moderne, zeitgemäße Systeme, Prozesse und Tools benötigen, um den Erwartungen der internen Kunden entsprechen zu können. HR benötigt eine stark kundenorientierte Einstellung und Haltung, die die Nutzer- und Anwenderperspektive berücksichtigt und sie in attraktiven Angeboten und Anwendungen widerspiegelt. Vorbei die Zeiten, in denen die Bedeutung von Human Resources auf rechtliche Erfordernisse und deren Auswirkungen gestützt wurde. Das sicherzustellen, ist eine Basisanforderung – genauso wie zeitgemäße Standards und Reglements. Neu wird es sein, zu wagen, Data Management bereichsübergreifend und People Management firmenübergreifend zu denken. Das gibt im Verbund mit anderen neue Möglichkeiten und sprengt gegenwärtige Rahmen und Grenzen im erforderlichen Ausmaß.«

Flexibilität

»Die Presse« publizierte am 10. Juli 2018 einen Artikel mit der Überschrift: »Studie: Flexible Arbeitszeiten steigern Produktivität«; sie bezieht sich dabei auf Studienergebnisse des Instituts der deutschen Wirtschaft. Demnach ist die Mitarbeiterzufriedenheit bei flexibleren Arbeitszeiten tendenziell höher und das steigert die Arbeitsproduktivität. Derzeit öffnen sich Unternehmen immer mehr diesem Thema, jedoch immer noch in Maßen. Gleitzeit mit Kernzeit ist noch immer das gängigste Modell.  Modelle wie Home Office und mobiles Arbeiten sind noch Einzelfälle – die Erwartung an Anwesenheit und Erreichbarkeit sind nach wie vor hoch. Hier wird sich in den nächsten Jahren sicher noch einiges ändern.
Thomas Olbrich über den Trend »Flexibilisierung«: »Vormittags ins Büro, nachmittags Home Office? Arbeit wird in Zukunft noch mobiler und zahlreiche Arbeitnehmer wünschen sich von ihrem Arbeitgeber Zugeständnisse zu Home Office, Teleworking oder flexiblen Arbeitszeiten. In den USA steigt die Zahl der Arbeitnehmer stetig, die zumindest fallweise von zu Hause aus arbeiten.«

Recruiting und Talent-Management

Im Bereich Recruiting und Talent-Management gibt es viele Start-ups, die mit innovativen Ideen den Markt erobern wollen. Beispielsweise Lösungen zu One-Click-Bewerbungen, Chatbots, Talentnetzwerke, Video-Bewerbungs-Tools etc. Durch die drohende Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation ist das Thema Recruiting hochbrisant.
Veronika Aumaier: »Bei Führungskräfte- und Fachkräftemangel braucht es kreative und innovative Recruitingideen, um an potenzielle Kandidaten heran zu kommen. Der Bewerber avanciert vom Bittsteller zum Umworbenen. Für Schlüsselkräfte sollen individuelle Packages geschnürt werden, die Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitshilfsmittel etc. neu definieren, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Mitarbeiterbindung wird groß geschrieben, da bei Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften der Verbleib von Schlüsselkräften im Unternehmen ein Wettbewerbs- und Wachstumsfaktor darstellen kann. Jedes Unternehmen hat die für sich passenden Talente intern und extern so früh wie möglich zu identifizieren, gezielt zu entwickeln und dauerhaft zu halten. Die Attraktivität des Arbeitgebers wird von Seiten der Mitarbeiter und Bewerber noch intensiver bewertet werden. Imageschädigendes Führungsverhalten und Fluktuation werden sich auf die Performancebewertung von Führungskräften bedeutender auswirken.«

Thomas Olbrich über den Trend der One-Click-Bewerbungen: »In Zeiten von Bewerberdatenbanken, Online-Business-Netzwerken und Big Data gewinnt der Lebenslauf zunehmend an Bedeutung. Die Folge: Interessiert sich ein Bewerber für einen Job, schickt er seinen CV per Knopfdruck an den Arbeitgeber. Und weil am Mobiltelefon niemand ein ausführliches Anschreiben formuliert und tippt, wird dieses Element zunehmend an Bedeutung verlieren bzw. kürzer und standardisierter ausfallen. Die One-Click-Bewerbung gewinnt seit Jahren an Terrain. Einfache Bewerbungswege à la One-Click führen allerdings auch zu mehr einlangenden Bewerbungen beim Unternehmen – die wollen erst einmal bearbeitet werden, was wiederum zum vermehrten Einsatz von Bewerbermanagementsystemen führt.«

Recruiting wird zunehmend spielerisch. Das gilt natürlich nicht für alle Jobs oder Branchen gleichermaßen, in manchen Bereichen können Arbeitgeber auf diese Art und Weise jedoch punkten. So setzen Arbeitgeber auf der Suche nach IT-Talenten z.B. verstärkt auf Events wie Hackathons, bei denen IT-Talente zeigen, was sie können – und zugleich einen potenziellen Arbeitgeber kennenlernen. Wer High Potentials rekrutieren möchte, sollte auf deren Wettbewerbs-Lust setzen. Aus einer Absolventen-Studie ging kürzlich hervor, dass High Potentials sich gerne mit anderen messen und Unternehmen das für sich nutzen können: Ausschreibungen und Wettbewerbe mit Recruiting-Hintergrund kommen bei Talenten gut an. Vor allem in Branchen, die mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, ist diese Gamification ein Trend, der viele Früchte tragen kann: Die Anwendung spieltypischer Elemente im HR-Kontext – etwa im Recruiting, Assessment oder zu Produktivitätszwecken – kann Herausforderungen im HR erleichtern und konkrete Probleme wie das Nicht-Erreichen von Zielgruppen oder Konflikte im Team lösen.

Thomas Olbrich gibt ein Beispiel dazu aus seinem Unternehmen: »Bei karriere.at nutzen wir dieses spannende Konzept beispielsweise im Onboarding: Um neue Mitarbeiter gerade zu Beginn zu unterstützen und zu gewährleisten, dass diese sich sobald wie möglich zurechtfinden und wohlfühlen, gibt es einen CSI-Fragebogen. Der neue Mitarbeiter ist (analog zu einem Tatort-Profiler) dazu angehalten, innerhalb der ersten sieben Arbeitswochen Wesentliches über das Team, das Unternehmen und die Art zu denken bei karriere.at herauszufinden und dies niederzuschreiben. Es soll von Anfang an ein barrierefreier Kontakt zu allen im Unternehmen gefördert werden, nicht bloß zu den direkten Kollegen oder zum Paten. Dabei gilt: Es gibt keine dummen Fragen! Die Fragen sollen zur Eigeninitiative anregen, mit offenen Augen durch das Unternehmen zu gehen und sich einfach zu einem Teil des Teams zu machen.«

Digitalisierung und KI

Was die künstliche Intelligenz (KI) heute schon leistet, ist enorm, auch im HR-Umfeld. Auch wenn die meisten Unternehmen hier noch keine Systeme im Einsatz haben, so wird sich das vermutlich bald ändern. Chatbots werden derzeit noch wenig eingesetzt und sind noch nicht wirklich »künstlich intelligent« sondern bestehen derzeit eher aus Algorithmen, die auf Datenbanken zugreifen. Aktuell wird jedoch mit tatsächlich »künstlich intelligenten« Chatbots viel experimentiert, Bots, die selbstständig lernen und mit jedem Gespräch präziser und besser werden. Seit Jahren tüftelt die Firma IBM an ihrem System »Watson«. Dessen künstliche Intelligenz ist darauf ausgelegt, Sachverhalte zu verstehen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und zu lernen. Um das zu schaffen, extrahiert Watson selbstständig Wissen aus internen oder externen Datenbanken oder dem Internet, kombiniert es mit Eingaben und analysiert die Informationen, um so zu einem Ergebnis zu gelangen.

Ein mit Watson verknüpfter Recruiting-Chatbot wäre demnach absolut nicht mehr vergleichbar mit den Bots, die bereits auf dem Markt sind. Watson könnte z. B. auch die Eignung von Mitarbeitern beurteilen. So könnte Watson beispielsweise herausfinden, ob ein Bewerber ins Team passt oder ob ein Bewerber die Persönlichkeit für einen Führungsjob hat. Watson wäre dann auf Basis bestimmter Personal- und Social-Media-Daten in der Lage, psychologische Charaktermerkmale zu identifizieren, die in die Entscheidungen mit einfließen können. IBM hat intern teilweise bereits damit begonnen, Watson genau dafür zu nutzen.
Auch im Bereich betriebliche Gesundheit könnte künstliche Intelligenz den Unternehmensalltag verändern. Beispielsweise könnten in Zukunft z. B. Smartwatches »körperbezogene« Daten senden (vorausgesetzt der Mitarbeiter willigt ein). Diese könnten dann von einem KI-System ausgewertet werden und rasch informieren, wenn sich etwas Relevantes verändert.

Veronika Aumaier über KI in der HR-Branche: »Zum einen wird sich die Personalverwaltung und -administration über die Digitalisierung noch effizienter und ressourcenschonender bewerkstelligen lassen. Der Einsatz von KI auf internen Plattformen als interner Berater wird kunden- und bedarfsorientiert schnelle Reaktionszeiten gewährleisten. Mögliche neue Besteuerungsformen könnten die historisch gewachsene Komplexität der Lohnverrechnung umfassend betreffen und die Rolle der betrieblichen Payroll entlasten bzw. einschneidend verändern.«

Thomas Olbrich über die Auswirkungen der Digitalisierung im HR: »Was mit der Digitalisierung einhergeht ist für HR vor allem ein härterer War for Talents in bestimmten Branchen. Die Nachfrage nach Fachkräften für IT, Sales und Marketing und auch im Finance-Bereich steigt. Gesucht werden zunehmend jene Mitarbeiter, die Unternehmen in die digitale Transformation begleiten. Was die HR-Arbeit in Zukunft auch beeinflussen wird, ist das vermehrte Arbeiten mit Datenbanken, etwa im Bewerbermanagement oder in der Talent Rediscovery. Voraussetzung für das erneute Finden geeigneter Bewerber ist ein funktionierendes Bewerbermanagementsystem für das Screening archivierter Unterlagen. Ebenfalls notwendig dafür, dass sich der Bewerber wieder für eine Vakanz interessiert: ein guter Eindruck, den der Arbeitgeber trotz Absage hoffentlich hinterlassen hat – Stichwort Candidate Experience. Diese Datenbanken werden zunehmend relevanter und in Zukunft verstärkt mit KI arbeiten.«

Trends in der Weiterbildung

Der Markt der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist wachsend, Unternehmen gaben 2018 mehr für Aus- und Weiterbildung aus als im Vorjahr. Die am häufigsten gebuchten Themen sind Marketing und Verkaufstrainings sowie Persönlichkeitstrainings und Seminare im Bereich Technik und IT. 63 % aller Trainings wurden 2018 noch als reine Präsenztrainings durchgeführt, 16 % rein digital und 14 % auf Basis von Blended Learning. Hier könnte sich durch VR etwas ändern. Lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 20 in dieser Ausgabe.

Thomas Olbrich zu Trends im Bereich Weiterbildung: »Lebenslanges Lernen wird weiterhin an Bedeutung gewinnen. Weiterbildung wird immer öfter direkt am Arbeitsplatz, während des daily Business, geschehen. Fragen, die sich HR stellen kann: Wer kann von wem lernen? Wie viel Freiraum müssen wir Arbeitnehmern zugestehen, damit sie sich entwickeln können? Und wie viel Mitspracherecht haben Mitarbeiter bei der Planung ihrer Fortbildungen? Ebenfalls ein Thema für die HR-Agenda: Kompetenzentwicklung. Einerseits werden Führungskräfte hier Unterstützung bei ihren Aufgaben benötigen, andererseits müssen und möchten sich auch Arbeitnehmer ständig weiterentwickeln – nicht nur fachlich.«

Eine Frage, die Zukunft an Relevanz gewinnen wird, ist die Übernahme der Kosten. Der Bedarf an Weiterbildung steigt stetig an, die Kosten demnach auch. Nachdem wir es nicht gewohnt sind, selbst für Weiterbildung zu zahlen, müssen das Staat oder Unternehmen übernehmen. In anderen Ländern ist es völlig normal, auch für Universitäten etc. privat zu bezahlen. Wie das weiter geht, bleibt spannend.

Veronika Aumaier: »Aus- und Weiterbildung wird sich noch mehr individualisieren. Maßgeschneiderte Angebote wie Bildungsschecks und zielgruppenspezifische Coachingsettings wechseln sich ab mit Bildungskarenzen und Sabbaticals. Interne Bildungsakademien werden in ihrem Angebot einerseits einen Schwerpunkt in der Fachausbildung haben, um Fachkräfte auszubilden und andererseits einen Schwerpunkt in der Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheitsvorsorge, um Fitness für den Job zu unterstützen. Führungskräfte werden Coaching und Sparringpartner dauerhaft nutzen wollen, da ständige Change-Herausforderungen und schwer einschätzbare Zukunftsentwicklungen Innovation, Kreativität, Ausdauer und Optimismus fordern und dies mit externen Coaches und deren Methoden effektiv unterstützt werden kann.«
Themen, die in jüngster Zeit häufiger angeboten wurden, waren alles rund um Robotik, Bitcoin und Blockchain und »neues Führen« sowie vieles rund um Agilität. Es spricht vieles dafür, dass diese Themen weiterhin stärker nachgefragt werden.
Bei universitären Ausbildungen gibt es zwei beobachtbare Trends: 1. Die Nachfrage nach internationalen Ausbildungen und Weiterbildungsprogrammen und 2. das Angebot an Online-Programmen.

Fazit
Die Welt verändert sich schneller als je zuvor, und das wird sich nicht ändern. Sich über aktuelle Trends zu informieren, mit Kollegen darüber zu plaudern, auf HR-Konferenzen zu gehen und natürlich Fachzeitschriften zu lesen wird immer wichtiger, um keinen Trend zu verpassen. Nur so ist es möglich, ein HR-Management aufzubauen, dass mit den aktuellen Rahmenbedingungen mithalten kann. Wir halten Sie auch weiterhin am Laufenden – versprochen!

Schreiben Sie einen Kommentar!


*