Organisationslogik für Veränderungen

Wie die Organisationslogik den Umgang mit Veränderungen steuert, und wie man diese optimieren kann, lesen Sie in diesem Artikel.

Digitalisierung, Internationalisierung, flexible Arbeitsplätze – Unternehmen aus allen Branchen sind immer stärker gezwungen, alte Pfade zu verlassen und neben technologiegetriebenen Innovationen nicht nur neue Denk- und Handlungsweisen, sondern oft sogar völlig neuartige Unternehmenskulturen zu entwickeln. Dies erfordert einen tief greifenden Wandel, der nicht einfach zu bewältigen ist. Die Beratungsbranche reagiert darauf mit einer Vielzahl an innovativen Veränderungskonzepten (z. B. Lernen von Start-ups durch Intrups, »Neue Arbeitswelten für Digitalos«).

Oft verlaufen Veränderungen allerdings sprichwörtlich im Sand, sobald die Beratungsfirmen das Unternehmen verlassen haben. Dieses Scheitern liegt nicht nur an der Veränderungsresistenz der Mitarbeiter, sondern häufig auch daran, dass nicht berücksichtigt wird, wie das Unternehmen tickt. Dabei könnte die bestehende »Organisationslogik« aber eigentlich produktiv für erfolgreiche Veränderungen genutzt werden.
Die Organisationslogik als steuerndes Element
Jedes Unternehmen hat seine eigene Art, Entscheidungen zu treffen, Aufgaben umzusetzen und Probleme zu lösen. In manchen Unternehmen wird beispielsweise sehr lange abgewogen und diskutiert, bevor eine neue Software verwendet wird, andere Unternehmen hingegen probieren diese ohne lang nachzudenken »einfach mal aus«. Dieser unternehmensspezifische Umgang mit Herausforderungen und Neuerungen ist auf die Organisationslogik zurückzuführen. Sie fungiert als eine Art kognitive Landkarte der Organisation, die allen Entscheidungen und Aktivitäten zugrunde liegt – allerdings den Organisationsmitgliedern größtenteils nicht bewusst ist.

Zur Organisationslogik zählen die überwiegend impliziten kognitiven Schemata (z. B. Was ist »Digitalisierung«?), Basisannahmen (z. B. »Die Welt kann durch Digitalisierung nicht verändert werden!«), Glaubenssätze (»Digitalisierung zerstört gute Kommunikation!«), Normen (z. B. implizite Kleidungsvorschriften), Erwartungen (z. B. »Digitalisierung führt zu höherer Produktivität!«) und Werte (z. B. Modernität). Diese kollektive Organisationslogik führt unternehmensweit zu ähnlichen Entscheidungs- und Verhaltensmustern, die folglich die Ausgestaltung und (Weiter-)Entwicklung des Unternehmens, aber auch ganz konkret das Verhalten aller Organisationsmitglieder in bestimmten Situationen steuern.

Die Organisationslogik steuert somit auch den Umgang mit Veränderungen, was erklärt, warum jedes Unternehmen im Umgang mit Veränderungen etwas anders tickt. Sie bestimmt beispielsweise die Art und Weise, wie Veränderungsideen entstehen, wie Veränderungsentscheidungen getroffen werden, wer in den Veränderungsprozess involviert wird und ob und auf welche Art und Weise dieser letztendlich auch nahtlos umgesetzt wird. Ein Unternehmen, in dem der (implizite) Glaubenssatz »Digitalisierung zerstört gute Kommunikation!« vorherrscht, wird bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen in diesen Fragen anders entscheiden und agieren, als ein Unternehmen, das den Glaubenssatz »Digitalisierung forciert gute Kommunikation!« teilt. Findet im ersten Fall dieser dominante Glaubenssatz in einem konkreten Digitalisierungsvorhaben überhaupt keine Berücksichtigung, ist es durchaus möglich, dass massiver Widerstand dagegen aufkommt und die Veränderung daran sogar scheitert: und das trotz Change Management nach Lehrbuch.
Veränderungsprozesse im Einklang mit der Organisationslogik
Jede Veränderung geht mit einem Lernprozess in der Organisation einher. Handelt es sich bei einer Veränderung um die Korrektur von Fehlern, Anpassungen von Arbeitsabläufen, Strukturen und Verhaltensweisen, spricht man vom Anpassungslernen. Ein Beispiel wäre die Optimierung eines Geschäftsprozesses zur Effi­zienz­steigerung ohne zusätzliche Digitalisierungsmaßnahmen. Da es sich hierbei um keine tief greifende Veränderung handelt, ist zu empfehlen, den gängigen Prinzipien der Organisationslogik wie z. B. bekannten Glaubenssätzen, Erwartungen und Normen möglichst zu folgen, um den Optimierungsprozess schnell und »schmerzlos« umzusetzen.

Werden Arbeitsabläufe, Strukturen und Verhaltensweisen über Optimierungstendenzen hinaus verändert, handelt sich um Veränderungslernen. Sollen beispielsweise in der oben genannten Optimierung des Geschäftsprozesses auch einzelne Prozessschritte digitalisiert werden, erfordert dies nicht nur neues technologisches Know-how, sondern auch Adaptierungen in der Prozessstruktur sowie neue Formen der Kommunikation. Zur erfolgreichen Umsetzung der Veränderung empfiehlt es sich, die Organisationslogik von Beginn an gezielt zu hinterfragen und, wenn nötig, entsprechend mit zu verändern. So ist beispielsweise möglich, dass der Glaubenssatz »Digitalisierung zerstört gute Kommunikation!« bewusst hinterfragt und kritisch reflektiert wird und sich durch gezielte Maßnahmen im Laufe der Veränderung ändert in »Digitalisierung forciert gute Kommunikation!«.

Bei einer weiteren Form der Veränderung, dem Transformationslernen, finden tief greifende Veränderungsprozesse statt, die neben Anpassungen in Arbeitsabläufen, Strukturen und Verhaltensweisen auch tief greifende kulturelle Veränderungen erfordern. In unserem Beispiel wäre dies die vollständige Digitalisierung eines Geschäftsprozesses oder gar des gesamten Geschäftsmodells. In diesem Fall ändert sich möglicherweise auch die Unternehmenskultur, und zur erfolgreichen Bewältigung muss auch die Organisationslogik proaktiv erneuert werden.

Hier sollte zunächst bewusst gegen die bestehende Logik gearbeitet werden, um dadurch aufkommende Irritationen und Widerstände dafür zu nutzen, diese zu brechen. So kann sich dann über die Zeit eine neue Organisationslogik herauskristallisieren, die eine tief greifende strategische Neuausrichtung des Unternehmens ermöglicht.
Ein bewusster Umgang mit der bestehenden Organisationslogik in Veränderungen kann also nicht nur Probleme verhindern, sondern Veränderungen sogar erleichtern.

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Bildschirmfoto 2018-03-08 um 14.05.07

Gastautorin
Christina Schweiger
ist Co-Head des Forschungsclusters

»Klein- und Mittelunternehmen (KMU) &

Familienunternehmen« an der  FHWien der WKW.

 

Bildschirmfoto 2018-03-08 um 14.06.10

Gastautorin
Barbara Kump
ist Assistant Professor am Institut für

KMU Management an der WU Wien.