Personalmangel und Schulungsbedarf

Die Business-Welt ändert sich schneller als je zuvor, ja sie ist permanent rasanten Wandlungen unterlegen. Unternehmen müssen damit umgehen lernen. Welche Trends und Entwicklungen auf uns zukommen, lesen Sie in diesem Artikel.

Wenn wir derzeit HR-Verantwortliche fragen, welche Themen bei ihnen im Unternehmen aktuell sind, hören wir fast immer als Erstes: Finden und Halten von Mitarbeitern. Der Fachkräftemangel, die beginnende Pensionierungswelle und hohe Anforderungen an Unternehmen machen es zur Zeit schwierig, genügend qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen zu haben – und vor allem zu halten. Für diesen Artikel über aktuelle Trends im HR und der Weiterbildung hat TRAiNiNG aktuelle Studien zusammengefasst und zwei Experten befragt.

In der aktuellen Studie »Mitarbeiterbindung 2030« von Cornerstone berichten viele befragte Unternehmen von einer konstanten Fluktuation unter den Mitarbeitern. Es mehren sich aber auch Anzeichen von vermehrten Kündigungen, und zwar schon in naher Zukunft. Die häufigsten Kündigungsgründe sind dabei die Bezahlung und fehlende Karrierechancen. Wer die Mitarbeiterbindung stärken will, kommt  nicht um die Themen »Führung« und »Prozesse« herum. Laut dieser Studie rechnen fast neun von zehn befragten Personal- und Unternehmensentscheider heute mit einem stetig steigenden Aufwand, um bis 2030 ihren Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken.
Die vier wichtigsten Entwicklungen, die diese Studie aufdeckt, sind:

  • Personalmangel in Kombination mit einer gestiegenen Wechselbereitschaft von Arbeitnehmern setzt Unternehmen weltweit zu.
  • Führung ist ein echter Knackpunkt hinsichtlich Mitarbeiterbindung. Die Führungskultur muss einer stärkeren Transformation unterzogen werden.
  • Die Personalarbeit wirkt sich meist unmittelbar auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sowie auf das Wohlbefinden und die Motivation der Mitarbeiter aus.
  • Employer Branding ist eines der wichtigsten Themen, um jetzige und künftige Mitarbeiter vom Unternehmen zu überzeugen.

(Die gesamte Studie steht kostenlos zur Verfügung: https://go.cornerstoneondemand.com/WP_FAZSurvey2022_LP-Content.html#m26)
Veronika Aumaier (Geschäftsführung Aumaier Consulting Training GmbH) sieht diesen Trend ganz klar: »Eine große Herausforderungen für HR liegt derzeit selbstverständlich im Employer Branding und im Recruiting. Denn am angespannten Arbeitnehmermarkt bedarf es eines professionellen Agierens, um das Interesse der Richtigen zu wecken und sie an Bord zu bekommen. Eine zweite, aus meiner Sicht noch viel bedeutungsvollere Herausforderung liegt jedoch in der Mitarbeiterbindung. Einerseits, weil HR im eigenen Bereich von gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Arbeitsrecht und Arbeitszeitgesetz in seinen Gestaltungsmöglichkeiten so eingeschränkt ist, dass so manche Erwartung der jüngeren Arbeitsgeneration nicht so ohne Weiteres erfüllt werden kann (z. B. Workation). Andererseits, weil auf den mittel- bis langfristigen Verbleib im Unternehmen Leadership-Mindset und Leadership-Verhalten der Führungskräfte ausschlaggebend sind: Sie bestimmen die Unternehmenskultur und zeigen sich im Umgang und in der Sprache des alltäglichen Miteinanders. Und nirgendwo sonst gibt es derzeit einen so großen Unterschied in den Erwartungshaltungen der derzeitigen vier Arbeitsgenerationen: Was für die Babyboomer ›normal‹ ist, ist für die Gen X mittlerweile akzeptiert, für die Gen Y fraglich und für die Gen Z nicht tragbar. HR ist hier massiv gefordert, Veränderungspotenzial bei den Führungskräften aufzuzeigen und effektive Maßnahmen anzustrengen, um die teuer gewonnenen Mitarbeiter nicht in den ersten zwölf Monaten wieder zu verlieren, was zusätzlich noch das Image am Arbeitsmarkt beeinträchtigen würde.«

Wie der »Future of Jobs Report 2020« des Weltwirtschaftsforums (WEF) zeigt, werden sich bis 2025 rund 85 Millionen Jobs verändern, davon wird die Hälfte aller Mitarbeiter umgeschult werden müssen.
Jennifer Gerstl (Coach bei GoodHabitz): »Diese Zahlen zeigen, dass sich der War for Talents weiter verschärfen wird, denn schon jetzt ist die Zahl der offenen Stellen auf Rekordniveau. Von Ungelernten bis zu Personen mit Universitätsabschluss – sie werden alle gebraucht werden. Da viele Fachkräfte fehlen, ist es enorm wichtig, dass Unternehmen trotz gekürzter Budgets in der anhaltenden Krise massiv in Weiterbildung investieren, um den Mitarbeitern die benötigten Fähigkeiten für die Zukunft nahe zu bringen. Das sind vor allem Skills, die die Fragen von Morgen beantworten können und nicht mit Antworten von gestern daherkommen. Soft Skills spielen dabei eine immer größere Rolle, um die Wünsche und Bedürfnisse aller in Einklang zu bringen. Arbeitgeber mit dem attraktivsten Weiterbildungsangebot werden die besten Mitarbeiter für sich gewinnen.«

Technische Trends

Neben dem oben beschriebenen Trendthema »Personalmangel« gibt es natürlich weitere für HR relevante Entwicklungen, z. B. der vermehrte Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowie zahlreiche Apps, die HR-Arbeit erleichtern. In dieser Ausgabe finden Sie zu beiden Themen Artikel mit Anwendungsbeispielen.

Viele Tools bieten Möglichkeiten, um die Administration und die Schulung von Mitarbeitern zu professionalisieren.

Veronika Aumaier: »Softwarelösungen und Tools für Performance und Compensation Management, Training und Zeitmanagement stehen bei HR und den Nutzern derzeit besonders hoch im Kurs. Sie helfen, den Aufwand der HR-Prozesse auf ein Minimum zu beschränken und bieten benutzerfreundliche Bedienung und zielgruppenspezifische Infos. Ihre Implementierung voranzutreiben, ist das Gebot der Stunde. Big Data in möglichst effizienter Form als Grundlage für HR- und Business-Entscheidungen verwenden zu können, treibt den Wertschöpfungsbeitrag der HR-Arbeit hoch. Dazu kommen immer mehr Start-ups, die mit ihren Tools die Kommunikation und Zusammenarbeit im Unternehmen revolutionieren wollen. Da wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, inwieweit Mitarbeiter wirklich gewillt sind, neben ihren privat beliebten Kommunikationstools wie WhatsApp, Instagram, Facebook, TikTok und Co. zusätzlich angebotene Firmenlösungen zu nutzen.«

Jennifer Gerstl: »Wir bei Good Habitz erleben, dass sich On- und Offline-Formate mittlerweile fast automatisch ergänzen. Auf der einen Seite haben wir Mitarbeiter-Apps oder Online-Unterstützung in administrativen Themen wie Arbeitsrecht und Co. Auf der anderen Seite haben wir ganz traditionelle Präsenz-Schulungen, beispielsweise für die Bedienung bestimmter Maschinen und Anlagen. Und doch: Wir bewegen uns immer selbstverständlicher in virtuellen Welten. Im Bereich der Weiterbildung kann ich beobachten, dass sich Lernende zukünftig auch in Augmented und Virtual Realities mit digitalen Tutoren und Avataren auseinandersetzen werden und mit künstlicher Intelligenz den Lernenden individuelle Lernpfade aufgezeigt werden können. Diese Tools machen es möglich, dass überall und jederzeit dort gelernt werden kann, wo es gewünscht ist. ­Parallel werden immer mehr Tools eingesetzt, die standardmäßig Daten zur Performance, Engagement und dem Lernprozess miteinander verbinden und somit den Umsetzungs- und Lernfortschritt der Lernenden mit abbilden, was wiederum als Entscheidungsgrundlage für den weiteren Lernpfad dient.«

HR-Arbeit in 5 Jahren

Personalabteilungen sind bereits heute stark gefordert, vermutlich mehr denn je zuvor. Ihre Leistung wirkt sich unmittelbar auf den Unternehmenserfolg aus. Und auch in Zukunft werden die Anforderungen an HR vermutlich steigen. Denn einfache Routinetätigkeiten werden immer mehr von KI übernommen werden.

Veronika Aumaier: »Die Trends in der Entwicklung der HR-Arbeit waren noch nie so vielfältig und offen, da zwei Hauptstoßrichtungen ­parallel anheizen: einerseits die Digitalisierung, die mit Unterstützung der zeitgemäßen Softwarelösungen eine Zentralisierung der Personalmanagementarbeit in Konzernen qualitativ hochwertig ermöglicht. Global Services, die pay roll und Verwaltungsaufgaben zentral wahrnehmen und die Ergebnisse zielgruppenspezifisch auf ESS (Employer Self Service) und MSS  (Management Self Service) Plattformen anbieten. Und andererseits die Betonung der Kultur und des analogen Miteinanders, das sogar dazu führen könnte, dass die aktuellen Führungsrollen in eine organisatorische Führung und eine Teamcoachingrolle gesplittet werden. Letztere könnte mit der HR-Business-Partner-Rolle verschmelzen. Daraus würde eine effektivere und intensivere, individualisierte Unterstützung der Teammitglieder in ihren persönlichen Entwicklungen resultieren. Die verbleibenden HR-Competence-Center in der HR-Abteilung würden Lösungen und Programme ›for the shelf‹ produzieren. Sonderlösungen für Transformations- und Change-Prozesse würden vom Teamcoach in Zusammenarbeit mit externen Beratern begleitet werden. Scrum-Organisationsstrukturen lassen derartige Ansätze – noch ohne Beteiligung von HR – erkennen.«

Jennifer Gerstl: »Lernen und Weiterbilden wird in Zukunft als Treiber für strategische Themen genutzt, um Mitarbeiter fit für Veränderungen zu machen. Personalisten werden in ihrer Rolle weniger als Personal-Agenten, sondern als People Adviser und Sparringpartner wahrgenommen, sodass sich eine positiv geschaffene Führungs- und Lernkultur als Notwendigkeit etabliert hat und die Bindung der Mitarbeiter verstärkt.«

Weiterbildungs-Trends

Durch den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern findet Aus-und Weiterbildung direkt vom Unternehmen aus statt. Daher nimmt Personalentwicklung einen immer wichtigeren Stellenwert in HR-Abteilungen ein. Und gerade beim Thema Lernen und Qualifizieren hat sich in den letzten 3 Jahren sehr viel getan.

Jennifer Gerstl: »Wir nehmen wahr, dass Weiterbildung immer mehr zu einem modernen Lebensstil gehört. Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Weiterbildung verschwimmen immer mehr. Wichtig ist, die Mitarbeiter an die Hand zu nehmen, dass sie eigenverantwortlich ihre Weiterbildung angehen und lernen. Dabei stehen Führungspersonen von Unternehmensseite als Sparringpartner und Ratgeber zur Seite. Inhaltlich werden vor allem Soft Skills wichtiger als Hard Skills: Zu den wichtigsten zählen hier Veränderungsfähigkeit/Resilienz, vernetztes Arbeiten und digitales Führen von selbstgesteuerten Teams. Wir als Weiterbildungsanbieter beobachten verstärkt, dass es den Unternehmen immens wichtig ist, ihnen als Berater, Begleiter und Gestalter von Lernformaten zur Seite zu stehen.«

Veronika Aumaier ist gleicher Meinung: »Hier treten wir mit der Umsetzung der Qualifizierung auf der Stelle. Noch immer sind neben den fachlichen/digitalen Kompetenzen Social Skills und persönliche Reife gefragt. Je eigenverantwortlicher und selbstorganisierter, um so selbstständiger und pro-aktiv kommunikativer. Für deren Qualifizierungssupport gilt es, nur die zahlreich vorhandenen systemisch-lösungsorientierten Ausbildungen zu buchen, wie sie beispielsweise Coachinglehrgänge beinhalten. Die Krux dabei ist, Übung macht den Meister. Ein einmaliger Seminarbesuch gibt nicht den Entwicklungsschub – eine prozesshafte Entwicklung ist hier anzustreben und von HR entsprechend zu designen. Ich sehe zukünftig möglicherweise angestellte Business Coaches für Mitarbeiter: HR-Experten, die zusätzlich auch in der Rolle eines professionellen Business Coachs agieren. Dies könnte einen wertvollen – vielleicht auch unverzichtbaren – Beitrag für den Aufbau einer haltbaren Mitarbeiterbindung darstellen.«

Fazit
Der größte Trend bzw. das wichtigste Thema für Personalabteilungen derzeit ist der Mangel an qualifiziertem Personal. Mittels Employer-Branding-Maßnahmen und durch eigene Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern versuchen Unternehmen, diese Situation in den Griff zu bekommen. Um Mitarbeiter zu halten, müssen Führungskräfte auf die aktuellen Anforderungen von Mitarbeitern eingehen (lernen).
Technische Innovationen, Künstliche Intelligenz und neue Tools helfen Personalisten immer mehr dabei, ihre Routinetätigkeiten effizienter abwickeln zu können, um mehr Zeit und Ressourcen für strategische Themen und Entscheidungen zu haben. Personalarbeit wirkt sich unmittelbar auf den Unternehmenserfolg aus. Die Professionalisierung von HR-Abteilungen wird wesentlich wichtiger werden.

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