Raus aus dem HR-Silo!

Mitte Mai findet der erste Corporate Culture Jam statt. TRAiNiNG hat darüber mit Sabine Prettenhofer, Miterfinderin der Veranstaltung, gesprochen.

Sie sind Mitorganisatorin des Corporate Culture Jams. Was können wir uns denn unter diesem Jam vorstellen?

Das Wort kennen wir ja aus der Musik, vor allem aus dem Jazz. Es geht um das gemeinsame Improvisieren. Beim Jam wollen wir raus aus starren Konferenz-Konzepten. Ich selbst bin ein Konferenz-Junkie und war in den letzten Jahren auf einigen. Es gibt gute Formate, aber richtige Wow-Erlebnisse fehlten mir. Ein Beispiel: Ich fühle mich in mehreren Disziplinen zu Hause, nämlich im HR, in der Kommunikation, im Marketing und in der Innovation. Ich kann entweder eine HR-Konferenz oder einen Innovationsgipfel besuchen und treffe immer die gleichen Leute. Ich schätze aber Austausch mit anderen Unternehmensbereichen und ich will neue Sichtweisen kennenlernen. Beim Corporate Culture Jam vernetzen wir ganz bewusst Menschen aus HR-, Kommunikations- und Innovationsabteilungen. Denn genau darum geht es auch in Unternehmen: Die Kultur kann nur zwischen den Silos gestaltet werden.
Warum spielt gerade die Unternehmenskultur so eine zentrale Rolle beim Jam?
Ich bin davon überzeugt, dass die Unternehmenskultur noch wichtiger wird, gerade wenn wir von Digitalisierung und Transformation sprechen. Sie ist der soziale Kit in Organisationen, sie lässt Innovation und Transformation zu oder sie lässt sie eben auch nicht zu. Ich habe das Gefühl, in vielen Unternehmen gibt es gerade die Anordnung von ganz oben: Ab morgen sind wir innovativ und agil. Schöner Wunsch, ähnlich wie: Ab morgen mache ich täglich Sport und ernähre mich gesund. Wir wissen, wie erfolgreich solche Vorsätze sind. Es braucht die richtige Kultur dazu, eine Innovationskultur und die fängt ganz oben an. Viele Organisationen installierten aus diesem Grund Chief Innovation Officer, die direkt an den Vorstand oder die Geschäftsführung berichten. Sehr oft steht aber der technologische Aspekt im Vordergrund. Es wird in neue digitale Systeme, Prozesse und Programme gedacht und investiert. Die Technik ist aber nur Mittel zum Zweck. Viel wichtiger ist die Haltung des Unternehmens, und Haltungen verändert man nicht von heute auf morgen.

Ganz neu ist das Thema Unternehmenskultur ja nicht. Erlebt es gerade einen 2. Frühling?

Neu ist es nicht, aber neue Herausforderungen kommen auf sie zu. Ich kenne wenige Unternehmen, die sich gerade nicht mit Digitalisierung und Innovationen beschäftigen. Überall hört und liest man von Robotern, die Arbeitsplätze wegrationalisieren oder von disruptiven Geschäftsmodellen, die ganze Branchen zerstören. Hier schwingt natürlich viel Angst und Verunsicherung mit. Niemand weiß, was die nächsten Jahre wirtschaftlich und technologisch wirklich bringen und die weltpolitische Lage war auch schon mal entspannter. Das alles hat meiner Meinung nach auch Einfluss auf die Stimmung in Unternehmen. Beim Jam wollen wir Beispiele von Unternehmen zeigen, die in dieser Transformation schon weiter sind und wollen von ihnen lernen. Hier fällt mir das Handelshaus »Otto« ein, die sich schon länger dem »Kulturwandel 4.0« verschrieben haben. In der Vorbereitung zum Jam haben wir einen Design Thinking Workshop mit 12 potenziellen Gästen veranstaltet. Das war eine sehr spannende Erfahrung für uns. Die Teilnehmenden erzählten uns, was sie an Konferenzen lieben und hassen. Eine Erkenntnis war, dass die Leute keine Best Practices auf Konferenzen hören wollen. Viel mehr interessiert sie die »nackte Wahrheit«, also was ist schiefgegangen und was läuft nicht optimal. Neben den Praxisberichten wollen wir auch ganz neue Blickwinkel zeigen, z. B. erzählt der Afrika-Experte Hans Stoisser über Silicon Savannah als Gegenstück zum Silicon Valley.
Silicon Valley als Stichwort. Apple oder Google sind gerngesehene Unternehmen auf Konferenzen.

Viele Teilnehmer verstehen allerdings nicht, was diese Beispiele ihnen bringen sollen. Wie denken Sie darüber?

Viele Unternehmen machen ja auch Learning Journeys ins Silicon Valley. Ich war anfangs sehr skeptisch. Klar, die Reisen nach Kalifornien sind nett und wer träumt nicht von Palo Alto. Aber bringt das Organisationen wirklich weiter, vor allem, verändert es die Kultur nachhaltig? Mittlerweile glaube ich, dass diese Reisen sinnvoll sind. Auch CEOs, Geschäftsführer und Top-Führungskräfte sehnen sich nach Inspiration und Optimismus. Genau das bekommen sie im Silicon Valley – 24 Stunden am Tag. Sie erleben dort den Beweis, dass es auch anders funktionieren kann. Das Credo »Das haben wir schon immer so gemacht« existiert dort einfach nicht. Eine Innovationsmanagerin hat mir vor Kurzem erzählt: »Ich bin so froh, dass unser Top-Management im Silicon Valley war. Jetzt hat Innovation einen echten Stellenwert bei uns im Unternehmen und es ist kein Weil-es-halt-alle-machen-Vorhaben mehr.« Ich selbst bin auch immer wieder begeistert, wenn ich Geschichten von coolen Start-ups höre – aber die gibt es zum Beispiel auch rund um Nairobi. Wir wollen Inspiration und Optimismus beim Jam versprühen – auch und besonders mit traditionellen Unternehmen wie Axa, DHL oder L’Oreal.

Sie haben Otto als Beispiel für Kulturwandel genannt. Welche anderen Beispiele gibt es noch?

Besonders angetan bin ich von Haufe-Umantis aus St. Gallen. Ein Software-Unternehmen, das seit Jahren agil lebt. Ein Leitspruch von ihnen: Die Unternehmenskultur bestimmt den Rhythmus der Transformation. Floskeln wie flache Hierarchien, demokratische Entscheidungen, Teamarbeit und dynamische Aufstiegsmöglichkeiten werden bei Haufe-Umantis nicht nur auf die Website geschrieben, sondern tatsächlich gelebt. Zum Beispiel werden Führungskräfte jährlich gewählt – demokratischer geht es wohl nicht mehr. Haufe-Umantis zeigt vor, dass Unternehmenskultur wirklich radikal anders sein kann und der wirtschaftliche Erfolg bestätigt diesen Weg. Aber auch traditionelle Unternehmen wie ÖAMTC oder Mondi befinden sich im Wandel. Diese beiden Unternehmen beschäftigen sich zum Beispiel intensiv mit ihren Arbeitsumgebungen – Stichwort New Work. Alle Projekte haben einen gemeinsamen Aspekt: Wie nehmen wir unsere Mitarbeiter auf die Reise in die Innovationskultur mit? Jedes Unternehmen hat Innovatoren und Early Adopters im Team, die sofort voller Enthusiasmus auf Neuerungen anspringen. Jene, die begeistert mit dem neuen Kollaboration-Tool arbeiten, jene, die offene Büros lieben, jene, die gerne im Innovation Lab mitmachen. Die müssen wir nicht mehr ins Boot holen. Auch nicht die Nachzügler, das ist vergeudete Liebesmüh. Es gilt die große Mitte für neue Ideen und Haltungen zu begeistern. Dann hat die Innovationskultur eine Chance, und die ist ja nicht Selbstzweck, sondern soll letzten Endes Kundennutzen stiften und Unternehmen erfolgreich machen.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

prettenhofer

Sabine Prettenhofer
ist Beraterin bei IDENTITÄTER® und wortwelt®. Als Expertin für Employer Branding gibt sie ihr Wissen auch als Lektorin an der FH Wien weiter. Sie gehört zum Initiatorenteam des Corporate Culture Jams.

http://www.identitaeter.at/identitaeter-events/corporate-culture-jam