(Über-)Lebens-Set für stürmische Zeiten

In Krisenzeiten ist Resilienz eine Fähigkeit, die uns über die schweren Zeiten helfen kann. Wie das gelingt, und was das mit dem Gerätetauchen zu tun hat, lesen Sie hier.

Beim Tauchen ist es eine zentrale Regel: Don’t panic! Egal was passiert, Ruhe bewahren. Wenn etwas nicht funktioniert, dann gilt es, alternative Lösungen zu suchen. Angst und Stress verunmöglichen Kreativität. Sie lösen die Uraltprogramme für das Überleben in der Steppe aus. Und die sind fight or flight, und wenn das nicht möglich ist freeze. Genau deshalb bewirken bei uns Menschen Ausgangsbeschränkungen massiven Stress: Die Möglichkeit der Flucht ist uns genommen. Bei vielen resultiert daraus Antriebslosigkeit. Die andere Alternative zu Flucht ist die Aggression, die das Kämpfen ermöglicht. Kreativität ist für alle drei uns angeborenen Stressbewältigungsstrategien kontraproduktiv. Daher wird die Kreativitätsnuss im Hirn unter Stress neurobiologisch ausgeschaltet – wir müssen aus dem Stressprogramm aussteigen, bevor wir Lösungen finden können.

Für langen Atem sorgen
Stress macht kurzatmig. Beim Tauchen merkt man das unmittelbar. Flach atmen bedeutet nämlich auch mehr Luft in der Lunge und das bewirkt mehr Auftrieb. Biologisch ist Atmen das zweitwirkungsvollste Mittel gegen Stress. Der Volksmund weiß: »Erst einmal tief durchatmen.« Sie können bewusst tief ausatmen. Das bewirkt automatisch tiefes Einatmen und damit eine optimale Versorgung des Hirns mit Sauerstoff. Das ist die beste Voraussetzung für Kreativität. Und diese braucht man, um einen Plan B, C, D, … zu entwickeln.

Selbstfürsorglichkeit
Nur wenn ich selbst gut versorgt bin, kann ich anderen helfen, z. B. emotionale Tiefs zu überwinden. Ich nenne das »das Flugsicherheitsprinzip«. Was tut mir gut? Was stärkt mich? Was sind meine Quellen des Auftankens? Das sind zentrale Fragen für gesunde Leistungsstärke und in kritischen Zeiten ganz besonders wichtig. Meine Quellen des Auftankens sind z. B. Tauchen, Therme, Theater und mit Freunden treffen. Die waren jetzt unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie allesamt für mich unerreichbar. Dann ist es überlebenswichtig, dass ich mir Alternativen gesucht habe, um trotzdem gut drauf zu sein. Ressourcen-Orientierung ist eine wesentliche Säule der Resilienz: Über welche Mittel verfüge ich und wie kann ich sie zum Meistern der Herausforderungen nutzen?

(Self-)Leadership
Vom Tauchen weiß ich: Je stärker die Strömungen sind, desto wichtiger ist es, auf meine Selbst-Steuerung zu achten. Gegen die Gezeitengewalten der Meere anzukämpfen, ist sinnlos. »Wie positioniere ich mich zur Strömung?« ist ein zielführender Lösungsansatz. Statt hilflos auf das zu starren, was ich nicht beeinflussen kann, ist es viel klüger, mich auf das zu fokussieren, worauf ich Einfluss nehmen kann. »Vom ohnmächtigen Opfer zum freudvollen Gestalter« rufe ich als Devise aus. Dabei ist sich selbst klug zu führen die Voraussetzung, um Vorhaben, Themen, Projekte, andere Menschen auf Erfolgskurs führen zu können. Alles, was die Eigenwirksamkeit der Menschen stärkt, ist Teil der Lösung. Alles, was sie reduziert, ist als »Gut-gemeint-Falle« kontraproduktiv. Daher empfehle ich Führungskräften die Formel: »Was können Sie selbst zur Lösung beitragen und welche Unterstützung brauchen Sie dafür von mir als Führungskraft?«

Ich- & Wir-Sein
Getaucht wird prinzipiell im Buddy-Team. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und übernimmt Verantwortung für den Tauchpartner. Gemäß »The Grant Study«, einer Langzeitstudie an der Harvard University von Robert Waldinger, hat Beziehungsqualität den größten Einfluss auf die Lebenserwartung. Menschen in gut gepflegten Beziehungen haben ein halb so großes Risiko, im nächsten Jahr zu sterben wie gleichaltrige einsame Menschen. »Ich habe Kollegen, auf deren Hilfe ich mich verlassen kann«, ist ein wirkungsvoller Puffer gegen Stress. »Ich kann mir keinen Fehler erlauben, weil die anderen nur auf einen Grund warten, mich loszuwerden«, ist ein enormer Stressverstärker. In anderen Studien wurde bewiesen: Mit Menschen an unserer Seite empfinden wir Herausforderungen viel weniger schwierig.

Selbstvertrauen als zentrale Säule
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass es PROblem heißt und nicht CONTRAblem. Das Wort hat lateinische Wurzeln mit der Bedeutung: »zur Lösung vorgelegt«. Und Probleme kann man relativieren: Das wirkliche Problem ist die Größe des Problems minus meinem Zutrauen in die Lösungsmöglichkeiten. Wenn ich mir mehr zutraue als das Problem groß ist, dann ist es für mich eine lohnende Herausforderung. Krankmachender Stress ist empfundene Überforderung. Die mentale Stresskompetenz ist hier entscheidend. »Was stimmt mich zuversichtlich, dass ich es schaffen werde?« »Was habe ich schon geschafft und was traue ich mir daher zu?« Das sind dafür höchst hilfreiche Gedankengänge. In den für mich existenziellen Herausforderungen der Corona-Pandemie habe ich mir das Bild immer wieder vor Augen gehalten: »Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm bricht. Nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern seinen Flügeln.«

Paradoxon der Angst
Übertriebene Sicherheitsvorkehrungen ­fördern nicht das Gefühl der Sicherheit, sondern schüren Ängste: »Wie gefährlich muss das sein, wenn es so vieler Vorkehrungen bedarf?« Auch das habe ich beim Tauchen erlebt. Das Blue Hole auf Belize war eines meiner Traumziele. Der Nachteil: Amerikanisch geprägtes Tauchen ist höchst bürokratisch. Als Sporttaucher sind wir zum Tauchen bis auf 40 m Tiefe qualifiziert. Bei der Tauchsafari in Belize sind wir auch auf diese Tiefe unter Einhaltung aller Sicherheitsregeln getaucht. Die ebenfalls sehr erfahrenen Tauchkollegen auf dem Schiff waren meist in geringerer Tiefe. Die volle Schönheit des Blue Hole entfaltet sich erst in 35 bis 40 m Tiefe. Die völlig überzogenen, im militärischen Ton vorgetragenen Sicherheitsregeln und vielen Warnungen beim Tauchbriefing haben dazu geführt, dass nur ganz wenige zum Highlight der Tour mitgekommen sind und dass sie verängstigt und verunsichert waren, was das Tauchrisiko erhöht. Die Volksweisheit stimmt: »Wie man mit Mut verwirklicht, was man erhofft, verwirklicht die Angst, was man befürchtet.« Statt sich zu fürchten, ist es sinnvoll, sich in wertschätzend-kritischer Zuversicht zu fragen: Worin besteht die Gefahr? Was sind Alarmzeichen, auf die ich achten soll? Was kann ich tun, um die Risiken abzusichern und den Gefahren zu begegnen?

Kraftvolles »Wofür«
Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie, hat den Satz geprägt »Für wen das ›Warum‹ klar ist, ist jedes ›Wie‹ erträglich.« Für mich ist das zukunftsorientierte »Wofür« noch kraftvoller als das rechtfertigende »Warum«. Wir alle kennen Sinnkrisen. Sorgen Sie in guten Zeiten, dass Sie eine für Sie lohnende Antwort auf die Frage »Wofür setze ich mich ein?« finden, die Sie ermutigt und bestärkt, auch Motivations-Tiefs zu durchtauchen. IKIGAI ist ein japanisches Konzept rund um den Lebenssinn. Es bedeutet wörtlich: »Das, wofür es sich auszahlt, morgens aufzustehen.« Dazu Viktor Frankl: »Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert. Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewusstsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden.«

Humor als Stressventil
Lachen ist die wirkungsvollste Möglichkeit zum Stressabbau und hat sich schon bei den Affen als Stressventil bewährt. Wenn wir uns vor Lachen zerkugeln, dann deshalb, weil es so entspannend auf alle Muskeln wirkt. Außerdem massiert dabei das Zwerchfell unsere inneren Organe. Das wirkt durchblutungsfördernd. Schuldmedizinisch belegt: 2 Minuten Lachen haben die gleiche lebensverlängernde Wirkung wie 20 Minuten Joggen.

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Herbstrith

Gastautorin Monika Herbstrith-Lappe
ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von  Impuls & Wirkung –  Herbstrith Management
Consulting.
www.MonikaHerbstrith-Lappe.com
www.Möglichkeits-Meer.com