Von Männlein und Weiblein

Welchen großen Einfluss kleine Unterschiede auf die ­Unternehmenskultur haben, lesen Sie in diesem Artikel von Anke van Beekhuis.

Wem soll man nun glauben? Einige Wissenschafter belegen, dass sich Männer und Frauen nicht in ihrem Verhalten unterscheiden, andere Wissenschafter belegen das Gegenteil.
Lassen Sie sich doch kurz auf folgendes Experiment ein! Es funktioniert für Männer und Frauen.
Stellen Sie sich eine Zwei-Personen-Situation, eine Besprechung für ein Projekt, ein Krisengespräch oder einfach nur eine Plauderei in der Teeküche vor.
Nun platzieren Sie gedanklich sich und einen Mann in das Szenario. Über welche Themen würde gesprochen werden? Welche Fragen würde der Mann stellen? Wie lange würde das Gespräch dauern? Wäre es eher persönlich oder eher sachlich? Fragt der Mann interessiert nach oder erzählt er eher über eigene Erlebnisse? Kann sich der Mann in die Situation anderer hineinfühlen oder will er seine eigene Sichtweise unterstreichen? Und jetzt einfach die gleichen Fragen nur mit einer Frau. Verändert sich das Ergebnis?
Wir gehen nicht mit jedem Geschlecht gleich um. In uns rennen gewisse Muster aber, je nach Herkunft und Sozialisierung, die unser Verhalten gegenüber Männern und Frauen verändern. 90 % meiner Kunden – und das sind mittlerweile mehr als tausend Führungskräfte – sagen, dass diese Unterschiede tagtäglich sichtbar und spürbar sind und auch die Unternehmenskultur eines Unternehmens prägen.

Der Soziologe und Psychologe Tomas Chamorro-Premuzic bestätigt dies anhand einer Studie in 40 Ländern mit 1 000 Managerinnen und Managern. Speziell im Führungsverhalten werden Frauen andere Verhaltensweisen zugeschrieben als Männern. Frauen gelten als bescheiden, besitzen eine hohe emotionale Intelligenz und beeindrucken mit Teamfähigkeit. Männer dagegen zeigen sehr oft aggressive, selbstbezogene und narzisstische Tendenzen in ihrem Verhalten.
In meiner Beratung zur Sensibilisierung im Kulturwandel lasse ich Männer und Frauen sich selbst beschreiben. Im Selbstbild der Männer zeigen sich folgende Eigenschaften: entschlossen, risikobereit, sachlich, mutig, durchsetzungsfähig, geltungsbedürftig, narzisstisch, machthungrig und aggressiv. Frauen beschreiben sich als: empathisch, kollegial, emotional, überlegt, kommunikativ, aufnahmefähig, selbstkritisch, bescheiden, anpassungsfähig.

Faszinierend ist auch: Wenn ich in Seminaren darum bitte, dass Frauen Männer beschreiben und Männer Frauen, bestätigt sich das Ergebnis der Selbstbilder. Es sind immer wieder die gleichen Verhaltensweisen, die wir in einer Frau oder einem Mann sehen. Das Paradoxe in der Chamorro-Studie kann auch ich nach 12-jähriger Beratungstätig­keit bestätigen: Die typischen Verhaltensweisen des Mannes werden als
»Füh­rungs­stärke« geschätzt und auch so im Füh­rungs­verhalten des Unternehmens definiert. Somit haben wir eine typisch männliche Unternehmenskultur in den meisten konservativen Unternehmen. Vereinzelt gilt sogar folgende Regel in den Führungsebenen: »Fake it until you make it.« Dieser Philosophie fühlen sich Männer weitaus näher als Frauen. Weibliche Führungskräfte erleben diese Prämisse eher als peinlich oder trauen sich nicht, so zu führen, weil es nicht ihrem Naturell entspricht. Für mich beweist es aber vor allem eines: Dass unsere Gesellschaft noch nicht dazu in der Lage ist, zwischen Selbstüberzeugung und tatsächlichem Können zu unterscheiden.

Wenn ein hoher Anteil von männlichen Führungskräften sehr ICHbezogen agiert und weniger auf das WIR achtet, ist die Chance sehr groß, dass nicht alle an einem Strang ziehen, sondern die eigenen Interessen verfolgen und somit der Erfolg ausbleibt. Fakt ist, dass Unternehmen, die eine Kultur der Vielfalt leben, an der Börse besser abschneiden. Warum? Weil die Mischung aus dem Verhalten von Frauen und jenem von Männern einfach langfristig und nachhaltig Erfolg bringt.

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van beekhuis

Gastautorin
Anke van Beekhuis
ist Eigentümerin von »TheRedHouse« – ­Institut für nachhaltige Unternehmensentwicklung und Expertin für Gender Balance.
www.ankevanbeekhuis.at