Vorbildliche Führung

In diesem Artikel richten wir den Fokus auf die Rolle des Vorbilds in der Führung – ein Ansatz, der auf der Kraft des persönlichen Beispiels beruht, um Mitarbeiter zu inspirieren und ihre Leistung zu steigern. Es gibt dabei einiges zu beachten.

Führung durch Vorbildwirkung ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Unternehmensführung und Teamdynamik. Es bedeutet, dass Führungskräfte sich selbst als Vorbilder betrachten und ihr Verhalten und ihre Entscheidungen so ausrichten, dass sie die gewünschten Werte, Normen und Verhaltensweisen innerhalb der Organisation fördern.
Wenn eine Diskrepanz zwischen dem gewünschten Verhalten der Mitarbeiter und dem Verhalten der Führungskraft besteht, kann dies dazu führen, dass Vorgesetzte als nicht authentisch wahrgenommen werden, und das Vertrauen der Belegschaft schwindet.
Ein Beispiel hierfür wären CEOs, die betonen, wie wichtig ihnen Nachhaltigkeit ist und verlangen, dass das gesamte Unternehmen entsprechende Maßnahmen ergreift. Wenn sie jedoch selbst zu jedem Meeting mit dem Flugzeug anreisen und täglich mit einem umweltschädlichen SUV ins Büro fahren, wird die Belegschaft Zweifel an der Aufrichtigkeit des Interesses an Umweltbelangen hegen.

In diesem Artikel wird die Bedeutung der Vorbildfunktion von Führungskräften erörtert, sowie praktische Strategien und Beispiele dafür, wie man sie effektiv einsetzen kann.

Aktuelle Herausforderungen

Aktuelle Führungsherausforderungen umfassen eine Vielzahl von Themen, die aus den sich derzeit ständig ändernden Geschäfts- und Arbeitsumgebungen resultieren. Einige der bedeutendsten Herausforderungen der aktuellen Post-Covid-Zeit für Führungskräfte sind die Digitalisierung, die globale Unsicherheit (Russland), Arbeitskräftemangel und der erhöhte Bedarf nach Mitarbeiterbindung, Nachhaltigkeit sowie der Bedarf nach rascher Anpassungsfähigkeit und Agilität.

TRAiNiNG hat zu diesem Thema auch zwei Experten1 befragt und wollte zuerst wissen, welche Themen Führungskräfte derzeit belasten und in welcher Situation sie sich befinden.

Veronika Aumaier (Geschäftsführung bei Aumaier Consulting/Training GmbH): »Führungskräfte haben die emotionale und mentale Herausforderung, auch in unsicheren Zeiten Orientierung geben zu müssen. Sie haben klar zu vermitteln, wohin die Reise geht, welche Ergebnisse benötigt und welche Rahmenbedingungen dafür gelten, auch wenn ihnen dafür wenig Faktenlage zur Verfügung steht und sie demnach einschätzungsbasiert zu agieren haben. Das alleine braucht aktuell Mut sowie Zukunfts- und Lösungsorientierung in hohem Ausmaß. Noch dazu kommt, dass viele Vorhaben Change-Charakter aufweisen. Dies löst bei den Betroffenen Unsicherheit und nicht selten emotionalen Widerstand und Unmut aus. Das alles gelassen zu nehmen und optimistisch die Ziele und deren Erreichung im Fokus zu halten, lässt manche Führungskräfte nächtelang nicht gut schlafen. Für viele ist es daher mittlerweile anstrengend, die Zuversicht hoch zu halten, wenn die Mitarbeiter ablehnend oder gar mit Austrittsdrohungen agieren. Letzteres beruht auch auf den aktuellen Work-Life-Optimierungswünschen einzelner Personen, die die Gunst der Stunde nutzen und versuchen, sich und ihre persönlichen Vorteile mit Nachdruck durchzusetzen oder sich diese Vorteile als Vertreter der Gen Y zu sichern.«

Monika Herbstrith-Lappe (Trainer und Speaker, sowie Experte für Cognitive Neuroscience): »In vielen Unternehmen ist der Grad an Ungewissheit und Komplexität höher als es für die Neurobiologie menschlicher Hirne gut ist. Darunter leidet einerseits die Verstehbarkeit – die Orientierung, wo stehe ich und wo geht es hin, was sind die nächsten Schritte – und andererseits die Handhabbarkeit – wie kann ich selbstwirksam auf das Geschehen Einfluss nehmen und welche Auswirkungen hat mein Handeln. Das sind zwei Säulen des gesundheitsfördernden Kohärenzsinnes von Aaron Antonovsky. Dann bleibt nur noch die dritte Säule, die Sinnhaftigkeit. Laut aktuellen Studien in Deutschland hat insbesondere bei jüngeren Generationen der Wunsch nach Zugehörigkeit ab- und das Verlangen nach Sinnhaftigkeit zugenommen. Um Fluktuation entgegenzuwirken, kann man daher nicht mehr auf Loyalität bauen, sondern gilt es, das ›WOFÜR‹ zu vermitteln. Viele psychologische Studien belegen die Wirkmächtigkeit der Sinnvermittlung durch einfache sprachliche Interventionen, wie z.B.: ›Das ist wichtig, weil …‹, ›Wir machen das für …‹, ›Wir brauchen das, um zu …‹ etc.«

Führungsalltag

Die Grundlage der Führung durch Vorbildwirkung liegt in Authentizität und Integrität. Führungskräfte sollten ehrlich, ethisch und transparent in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen sein. Ihre Worte sollten mit ihren Taten übereinstimmen, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei ihren Mitarbeitern aufzubauen. Authentizität ermöglicht auch, Fehler zuzugeben und Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, was zu einer gesunden und offenen Arbeitsumgebung beiträgt.

Monika Herbstrith-Lappe weiß: »Nichts hat mehr Einfluss auf Motivation und Produktivität der Mitarbeiter als das Verhalten der direkten Führungskraft in kritischen Situationen.«
Das zeigen auch aktuelle Studien: Eine Gallup-Studie, bei der mehr als eine Million Personen befragt wurden, hat gezeigt, dass 75 % der Kündigungen wegen der Führungskraft – und nicht wegen der Funktion oder mangelnder Kommunikation – erfolgen.
Herbstrith-Lappe weiter: »Eine deutsche Studie belegt ebenfalls, welch hohen Schaden übellaunige Chefs für die Unternehmen und damit für die Volkswirtschaft verursachen. Eigen-Motivation zu fördern halte ich daher als die Führungsaufgabe mit der größten Hebelwirkung.«

Führungskräfte sollten also offen und transparent kommunizieren, sowohl über ihre Erwartungen an Mitarbeiter als auch über die Ziele und Visionen des Unternehmens. Gleichzeitig ist es wichtig, aktiv zuzuhören und offen für Feedback und Anregungen zu sein. Dies zeigt Respekt und Wertschätzung für die Meinungen und Ideen der Mitarbeiter und fördert eine Kultur der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Lernens.

Veronika Aumaier weiß, wie sehr das Kommunikationsverhalten der Führungskraft von den Mitarbeitern beobachtet und bewertet wird: »Mitarbeiter achten gegenwärtig stark auf Auftritt und Umgangsformen. Ersteres, weil sie aufgrund der Social-Media-Erlebniswelten einen sehr hohen Anspruch an Äußeres und Kleidung – an sich selbst und andere – haben und leben. Zweiteres, weil sie für lockere Sprüche, Zynismus und sprachliche Genderverstöße von Führungskräften weder Vernachlässigungen noch Versäumnisse mehr gelten lassen. Somit sind moderne Kommunikationsfähigkeiten in den beruflichen Führungsrollen – verbal und non-verbal – das Maß aller Dinge in den Augen der Mitarbeiter. Wer diesen Erwartungen nicht entspricht, erhält weder Akzeptanz noch Respekt und somit auch keine Gefolgschaft, die für die Zielerreichung aber dringend erforderlich ist.«

Vorbild ist man immer!

Als Führungskraft aber auch als Mitarbeiter ist man immer ein Vorbild, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht. Das eigene Verhalten und die Entscheidungen, die man trifft, haben direkte und indirekte Auswirkungen auf das Verhalten und die Einstellung anderer Personen im Arbeitsumfeld. Gesehenes wirkt stärker als Gesagtes. Wenn Ärzte sagen, dass ihre Patienten das Rauchen lieber lassen sollen, aus der Brusttasche jedoch das Zigarettenpackerl hervorragt, wird die Glaubwürdigkeit holprig sein.
Es ist also wichtig, sich bewusst zu sein, dass die eigene Vorbildfunktion stets präsent ist und dass sie sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. Durch authentisches Handeln, Verantwortungsbewusstsein und die aktive Förderung von Werten kann man eine positive Vorbildwirkung erzielen, die die Arbeitskultur und das Engagement der Mitarbeiter positiv beeinflusst.

»Führungskräfte waren früher eher Vorbild durch Vormachen und Mittun. Dabei geht es bereits um so viel mehr!«, weiß Veronika Aumaier. »Nur wenn Führungskräfte emotional in der Lage sind, über sich selbst und ihre eigenen Ängste hinauszuwachsen und Optimismus und Zuversicht glaubhaft machen können – tragen sie wesentlich dazu bei, dass auch in ihrer Abwesenheit gute Stimmung herrscht und an die Aufgaben und Projekte und deren erfolgreiche Bewältigung geglaubt wird. Umgekehrt wirken Pessimismus und abwertende Bewertungen nach, auch wenn sie wenig Zeit im Büro verbringen.«

Der Fisch beginnt bekanntlich am Kopf zu stinken. Führungskräfte können nichts verlangen, das sie selbst nicht leben.

Monika Herbstrith-Lappe weiß, in welche Richtung sich Führung verändert hat: »Führen mit Command and Control hat zunehmend ausgedient. Menschen zu Höchstleistungen zu führen, Kreativität und damit Innovationskraft zu fördern, Distance Leadership etc. braucht als Nährboden Vertrauen. Und Vertrauen lässt sich nicht verordnen, das kann man nur gewinnen. Wenn sich Menschen mit Ecken und Kanten zeigen, dann können andere Vertrauen fassen. Wenn sie sich distanziert oder aalglatt verhalten, können wir sie nicht einschätzen. Neurobiologisch ist Empathie die Voraussetzung für vertrauensvolle Beziehungen. Darum ist es auch durchaus förderlich, dass man bei virtuellen Meetings Einblicke in den persönlichen Lebensraum bekommt.«

Ein strahlendes Vorbild werden

Indem man sich der eigenen Vorbildfunktion bewusst ist und sie aktiv zum Wohl der Organisation einsetzt, kann man dazu beitragen, eine positive und leistungsorientierte Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Mitarbeiter motiviert sind, ihr Bestes zu geben. Was aber können Führungskräfte nun konkret tun, um als »Leuchtturm« angesehen zu werden?

Veronika Aumaier: »Dies bedarf einer kontinuierlichen, fokussierten Persönlichkeitsentwicklung und einer bewussten Stärkung im Selbstmanagementbereich: Der eigene Mindset ist zu reflektieren. Störende, negative Gedanken sind zu transformieren. Ständige Bewertungen von Personen und Situationen zu minimieren. Emotionen zu regulieren. Mit Disziplin und Kontinuität sowie mit externer Coachingunterstützung ist das eine lohnende Weiterentwicklung, wächst man doch damit über sich hinaus und bringt alle angelegten Potenziale zur Entfaltung. Der Lohn dafür liegt in Gelassenheit, Glück und Zufriedenheit mit dem beruflichen Leben.«

Welche Menschen sind meine Vorbilder? Zu welcher Persönlichkeit schaue ich auf? Welche Führungskraft oder welche Lehrer habe ich im Leben schon einmal als Vorbild angesehen? Welche Eigenschaften haben diese Menschen geprägt? Wie passt das zu mir? Das sind Fragen, die sich Führungskräfte stellen sollten.

Monika Herbstrith-Lappe ist hier ähnlicher Meinung: »Charismatisches Leadership braucht Self-Leadership. Vertrauen bricht, wenn Reden, Körpersprache und Mimik sowie Handeln widersprüchlich sind. Wir besitzen eine extrem feine Wahrnehmungsfähigkeit für Inkongruenzen und Dissonanzen. In Online-Meetings geht zwar viel von der Körpersprache verloren, dafür sehen wir Mimik und insbesondere auch die Augen der Sprechenden noch größer. Von daher können wir bewusst und vor allem auch unbewusst noch eher erkennen, ob jemand etwas behauptet oder wirklich verinnerlicht und verkörpert.«

Strahlen aus dem Home-Office

Auch im Home-Office ist die Vorbildfunktion von Führungskräften von großer Bedeutung. Trotz der räumlichen Distanz kann eine positive Vorbildwirkung dazu beitragen, eine produktive und engagierte Arbeitsatmosphäre aufrechtzuerhalten. Was ist anders?

Veronika Aumaier: »Die Methoden und Mechanismen sind die gleichen wie im präsenten Miteinander, deren Wirkung ist aber durch das Online-Erleben abgeschwächt. Emotionen und non-verbale Signale können weniger intensiv übertragen werden und sind daher weniger gut erlebbar. Die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Kontakte sind deshalb wichtig. Regelmäßige persönliche Treffen, um die Stimmung im Team positiv zu halten, schlagen sich positiv im Gefühl der Zusammengehörigkeit und in der Effektivität der Zusammenarbeit nieder. Eine starke Vorbildfunktion der direkten Führungskraft unterstützt in jedem Fall, auch beim Führen auf Distanz, eine Bindung ans Unternehmen, zum Team und zur Führungskraft aufzubauen und zu festigen.«
Monika Herbstrith-Lappe: »Im Home-Office vermischt sich berufliche mit privater Lebenszeit. Das braucht eine gesunde ›Life-in-Balance‹: eine kluge Balance zwischen den und innerhalb der beruflichen und privaten Lebensbereiche(n) – zwischen Leistungsstärke und Regeneration, Spaß und Disziplin, engagierter Identifikation und souveräner Gelassenheit. Unser Gehirn ist gebaut für die Freude am Schaffen. Das Aufblühen der Positiven Psychologie erfahren wir, wenn wir Potenziale entfalten, indem wir Herausforderungen meistern. Die hohe Kunst des Leaderships ist es, Mitarbeiter zu fordern, ohne sie zu überfordern. Von zentraler Bedeutung ist es, Erfolgs-Erleben zu fördern.«

Fazit
Führen durch Vorbildwirkung ist ein effektiver Ansatz, um positive Verhaltensweisen, Werte und Normen innerhalb einer Organisation zu fördern. Indem Führungskräfte authentisch handeln, effektiv kommunizieren, Selbstreflexion praktizieren, Respekt und Wertschätzung zeigen, Verantwortung übernehmen, Teamarbeit fördern und eine gesunde Life-in-Balance unterstützen und selbst vorleben, können sie das Vertrauen und die Loyalität ihrer Mitarbeiter gewinnen und eine Arbeitsumgebung schaffen, die auf Zusammenarbeit, Wachstum und Erfolg ausgerichtet ist.

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