Wo steht Coaching in Österreich?

Coaching braucht Konsistenz und Nachhaltigkeit, nicht nur von Seiten der Coaches, sondern auch von den Berufsverbänden.

In Anlehnung an internationale und auf Österreich bezogene Studien zum Status von Coaching befragte Katrin Pötter (2018) auch Führungskräfte-Coaches in Österreich. Die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen ergab ein gespaltenes Bild hinsichtlich der wahrgenommenen Professionalität des österreichischen Coaching-Marktes. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse.

Einheitliches Begriffsverständnis, aber unterschiedliche Praxis
In Österreich entwickelt sich das Führungskräfte-Coaching seit ungefähr 20 Jahren zu einem mittlerweile anerkannten und verbreiteten Begleitungsformat. Coaching-Verbände und -Pioniere haben ihre Arbeit getan: Praktizierende Coaches zeigen ein einheitliches Verständnis des Coaching-Begriffs. Bei der Umsetzung in der Praxis werden jedoch die Vermischung mit anderen Disziplinen, wie Training und Beratung, sowie unterschiedliche Haltungen und Herangehensweisen deutlich. Zudem wird Führungskräfte-Coaching zumeist nur als kleiner Teil der beruflichen Tätigkeit der Coaches ausgeübt, sodass angrenzende Disziplinen Einfluss gewinnen, was zu einer Bereicherung an Methoden, aber auch zu einer Verwischung der Kompetenzen führen kann.

Rechtliche Absicherung gegeben, aber Qualitätsprüfung fehlt
Grundlage der Ausübung von Coaching in Österreich bildet die Gewerbeordnung. Der Gewerbeschein der Unternehmensberatung berechtigt zum Coaching im betrieblichen und beruflichen Kontext. Lebens- und Sozialberater sowie Psychotherapeuten können Coaching für berufliche und private Lebensbereiche anbieten. Jeder Berufsverband setzt bestimmte Ausbildungen voraus, deren Kriterien in sich stimmig sind, in Bezug auf Coaching-Qualität und -Kompetenzen jedoch keine expliziten Aussagen treffen oder diese prüfen. Damit sind praktizierende Coaches in der freiwilligen Verpflichtung, dies selbst zu tun und finden hier unterschiedliche Möglichkeiten, z. B. zur ISO-Zertifizierung oder zur Zertifizierung bei nationalen und internationalen Coaching-Verbänden. Neben dem persönlichen Professionalisierungswunsch sind Konkurrenzdruck am Markt und Kundengewinnungsaspekte entsprechende Antreiber.

Viele Kompetenzen, aber kein einheitliches Kompetenzprofil
In Österreich erfolgt die Vermittlung zwischen Coach und Klient in erster Linie über Empfehlungen. Der Beziehungsaufbau ist eine grundlegend wichtige Coaching-Kompetenz. Daher kann diese Vorgehensweise nachvollzogen werden. Was ist aber mit den anderen Kompetenzen, die ein Führungskräfte-Coach mitbringt? Die Erwartungshaltung an Führungskräfte sowie deren Coaches ist hoch. Ebenso scheint das Selbstbild der Coaches von einem ständigen Weiterentwicklungsdrang geprägt. Fach- und Führungskompetenzen braucht ein Führungskräfte-Coach, ebenso wie soziale Kompetenzen und psychologisches Grundwissen. Zudem wird aus einem breiten Methodenkoffer geschöpft, der sich über die Jahre vergrößert, angereichert mit speziellen Tools aus diversen Bereichen, wie Stress- und Konfliktmanagement oder Präsentationstechnik. Die Herangehensweise ist unterschiedlich, die Haltung von den jeweiligen Herkunftsberufen geprägt. In der Wissenschaft und auch von Coaching-Verbänden werden Kompetenzen von Coaches erarbeitet, wobei es auch hier unterschiedliche Darstellungen gibt. Einen einheitlichen Rahmen, ein Kompetenzprofil, das Orientierung für Coaches und deren Klienten geben würde, ist dringend notwendig, gibt es aber derzeit für Österreich nicht.

Mit den Klienten auf Augenhöhe
Coaching gilt als Beratung auf Augenhöhe – und wird auch als solche praktiziert. Führungskräfte-Coaches gehen sowohl was die Themen als auch die Dauer des Coachings betrifft, auf die Bedürfnisse ihrer Klienten ein. Generell scheint es eine größere Regelmäßigkeit von Coaching-Sitzungen zu geben, wenn diese vom Unternehmen finanziert werden. Privatzahler nutzen Coaching teilweise punktuell, ansonsten korreliert die Dauer der Coaching-Prozesse mit der Schwere der Themen. Das Augenhöheprinzip gilt auch in der Gehaltsfrage. Honorare reichen hier von 80,– € pro Einheit bis hin zu 1.000.– € in Aufsichtsratsebenen. Generell hat hier eine Anpassung an den Markt stattgefunden.

Image: weg von Tabu – hin zu Normalität
Erfreulicherweise scheint sich das Tabu »Wenn Du ein Coach brauchst, dann hast Du wohl ein Problem, das Du nicht selbst lösen kannst?!« in eine Situation zu wandeln, in der Coaching zur normalen Führungskräfteentwicklung und zur Qualitätssicherung im Unternehmen gehört. Unternehmen variieren hier in der Herangehensweise. Es werden Coaching-Pools erstellt, Coaching-Kontingente an die Führungskräfte vergeben, oder es finden direkte Zuweisungen statt. Es gibt nach wie vor Führungskräfte, die privat Coaches in Anspruch nehmen, da sie nicht wollen, dass das Unternehmen von dieser Unterstützung weiß. Die Gründe hierfür können vielfältig sein, von internen Firmenpolitiken, die Coaches vorgeben bis hin zum Wunsch der persönlichen Freiheit der Themenbearbeitung ohne Erwartungshaltungen seitens Vorgesetzten oder Kollegen.

Digitalisierungstrend, aber nur wenig und langsam
Neue Kommunikationsformen, wie Skype oder Zoom werden verwendet, in der Regel aber eher in Notfällen oder zur Überbrückung von geografischer Distanz und unter der Voraussetzung, dass der persönliche Kontakt bereits face-to-face hergestellt wurde. Die Möglichkeit eines flexibleren zeitlichen Einsatzes von Coaching, u. a. für Klienten, die konzentrierter ohne visuelle Eindrücke arbeiten oder virtuelles Coaching als Geschäftsmodell zu nutzen, wird kaum praktiziert.

Fazit: Es gibt zu viel »ABER«
Das Führungskräfte-Coaching in Österreich zeichnet sich durch einen Konsens im Begriffsverständnis, rechtlicher Absicherung für Coaches durch verschiedene Berufsverbände, jedoch ohne explizite Kompetenzprüfung für Coaches und einer Vielfalt in der Umsetzungspraxis aus. Zur weiteren Professionalisierung und Qualitätssicherung braucht Coaching Konsistenz und Nachhaltigkeit, nicht nur von den einzelnen Coaches, sondern auch von Berufsverbänden.

1 Antwort zu Wo steht Coaching in Österreich?

  1. Wie in allen Beratungsbereichen fehlt dem Coaching die Wertschätzung – wäre es nicht so traurig, müsste man über Aussagen wie „Generell scheint es eine größere Regelmäßigkeit von Coaching-Sitzungen zu geben, wenn diese vom Unternehmen finanziert werden. Privatzahler nutzen Coaching teilweise punktuell,…“ lachen.
    Leider zahlen die Leute zwar im 5-Sterne Wellnesstempel exorbitante Zimmerpreise, aber wenn es um die persönliche Weiterentwicklung oder Kriseninterventionen geht, sinkt auch bei diesen die Zahlungsbereitschaft für diese nicht als wertvoll angesehene Dienstleistung, vor Allem, wenn dem Klienten aktives Mitwirken abverlangt wird. Hier herrscht grosses Wissensdefizit bei potentiellen Klient/innen.

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bärmann_steffi

Gastautorin
Steffi Bärmann
Academic ­Coordinator Human Resources Development, Training & Coaching, Department of Management, Human Resources & Organisation Study Programs, FHWien der WKW.
steffi.baermann@fh-wien.ac.at