Vom Boom zum Gegentrend

Der Boom der Outdoor-Trainings ist lange vorbei, aber: Es ist so etwas wie ein Gegentrend zur Digitalisierung des Lernens zu bemerken. Zurück zur Natur. Dinge in Gruppen erlernen, die man eben am besten face-to-face lernen kann. Teambuilding im Freien als Kontrapunkt zu Sitzungen im Büro.

Der Boom der Outdoor-Trainings ist lange vorbei, spätestens in der 2008er-Finanzkrise haben viele Unternehmen ihre Budgets für diese Art von Trainings massiv gekürzt oder überhaupt gestrichen. Weiterbildungsmaßnahmen mussten vor allem kostengünstig sein. Das E-Learning hielt Einzug, es begleitet uns seit ca. einem Jahrzehnt. Aber schon bald hat man erkannt, dass reines E-Learning wohl auch nicht die Lösung sein kann. Wir haben den Hotelier Josef Dietmann (Seminar- und Eventhotel Krainerhütte) und Günther Mathé, Geschäftsführer von careercenter gefragt, wie sie das sehen.
Glauben Sie, dass das Pendel bald wieder in die andere Richtung schwingt? Dass das Lernen in der Natur in einer Gruppe für viele eine willkommene Abwechslung ist und daher bald wieder stark nachgefragt sein wird?
Günther Mathé: »Der Trend zu Natur kommt ganz extrem. Die Menschen sehnen sich nach anderen Reizen und Eindrücken. Die Natur und eine ruhigere, nicht mediale Umgebung wird immer mehr Zufluchtsort von reizüberfluteten Menschen. E-Learning ist ein gut ergänzendes Tool, kann aber face-to-face und direkten Kontakt nicht immer ersetzen.«

Josef Dietmann: »Im Seminar- und Eventhotel Krainerhütte sind wir seit jeher vom Konzept des Outdoor-Trainings überzeugt – das zeigt auch unser 50 000 m2 großer Spirit-Park mit seinen zahlreichen Erlebnisstationen. Mit Freude verfolgen wir, wie Trainer mit neuen Methoden und Übungen die Nachfrage stimulieren. Die Anwendungsfelder werden laufend erweitert und so gelingt es, auch neue Zielgruppen zu erreichen.
Welche Themen eignen sich besonders für Outdoor-Trainings?
Josef Dietmann: »Outdoor-Trainings sind längst kein reines Instrument zur Führungskräftebildung mehr. Vielmehr können die Übungen dazu eingesetzt werden, fast jedes Thema in allen Unternehmensebenen emotional zu festigen. Unternehmen erkennen dieses Potenzial und sind auch wieder bereit, für ihre Mitarbeiter in solche Erlebnisse zu investieren.

Günther Mathé: »Alles, was im Bereich Teambuilding, Gruppendynamik, Motivation, interne Kommunikation stattfindet, kann mit Outdoor-Übungen herrlich aufgezeigt werden. Outdoor-Übungen sind für die Teilnehmer selbsterklärend, weil sie es selbst erleben. Besonders gut werden die verschiedenen Rollen in einem Team aufgezeigt und auch die dadurch entstehenden Probleme und Eigenheiten, die sich dann in Form von Kommunikations-Missverständnissen, Machtkämpfen, Führerlosigkeit zeigen.«
Josef Dietmann: »Outdoor-Trainings sind vielfältig einsetzbar und können sowohl individuelle Persönlichkeitsstrukturen als auch gruppendynamische Prozesse aufzeigen und positiv beeinflussen. Manche Übungen erleichtern das Erkennen und Stärken persönlicher Fähigkeiten und Kompetenzen. Andere zielen darauf ab, die Unternehmenskultur zu vermitteln. Durch das gemeinsame Meistern von Aufgaben wird zudem Motivation und Zusammenhalt in der Gruppe gefördert, was zur Konfliktlösung bzw. -vermeidung beiträgt.«
Worin liegt die Stärke dieser Methode?
Günther Mathé: »Outdoor-Trainings können ein neuer Anstoß für die Gruppendynamik sein und eventuelle Konfliktpotenziale beseitigen. Gewohnte Strukturen sind bei Outdoor-Trainings außer Kraft gesetzt. Die sonst gültigen Hierarchien oder Teamrollen bestehen hier nicht im klassischen Sinn.«

Josef Dietmann: »Beim Outdoor-Training wird Wissen durch Erleben vermittelt. Das so Erlernte wird besser behalten und emotional gefestigt. Das Arbeiten in und mit der Natur eröffnet zudem Möglichkeiten, die es im Seminarraum nicht gibt. Es ist ein anderes, meist nachhaltigeres Lernerlebnis, das den Spaß am Tun in den Vordergrund stellt. Da der eigentliche Zweck der Übungen den Teilnehmern oft verborgen bleibt, zeigt sich ein unverfälschtes Handeln, das erst rückblickend anhand bestimmter Aspekte wie Gruppendynamik oder Rollenverhalten reflektiert wird.«
Was macht ein Outdoor-Training erfolgreich? Was gehört unbedingt dazu?
Josef Dietmann: »Beim Outdoor-Training geht es selten darum, ein Ziel zu erreichen. Wesentlich bedeutender sind die Erfahrungen am Weg dorthin. Und welche Erfahrungen die Teilnehmer machen sollen, also die Wahl der Übung, ist von den vorab klar definierten Zielen abhängig. Entscheidend ist zudem die Betreuung durch den Trainer. Dieser sollte vor, während oder nach der Übung die richtigen Impulse und Denkanstöße geben, um den Fokus der Teilnehmer auf den entscheidenden Aspekt zu lenken und so den Lernprozess zu intensivieren. Viele Outdoor-Übungen sind nicht ganz ungefährlich. Immerhin geht es oft darum, die eigenen Grenzen auszuloten und über seinen Schatten zu springen. Die Sicherheit ist beim Outdoor-Training ein Muss.«

Günther Mathé: »Die Nachhaltigkeit bei Outdoor-Trainings ist – durch das selbst Erlebte – um vieles höher als bei Fallbeispielen, Rollensimulationen etc., da es auf der Erlebnisebene tiefer verankert wird. Die Teilnehmer haben einen viel tieferen Aha-Effekt als im Seminarraum. Auf Grund der Rahmenbedingungen – Outdoor – ist Motivation, Spaß und Gemeinschaft das primäre Thema und man lernt die Kollegen auf eine ganz andere Ebene kennen.
Ein erfolgreiches Outdoor-Training ist ein ganzheitlicher Trainingsprozess in der freien Natur und ein Ausbruch aus dem gewohnten Arbeitsumfeld. Die Ganzheitlichkeit der Erlebnis­pädagogik bezieht sich auf die Kombination mentaler Prozesse und körperlicher Erfahrung. Im günstigsten Fall können die Teammitglieder die gemachten Erfahrungen gewinnbringend auf ihr Arbeitsumfeld übertragen.
Outdoor-Trainings müssen unbedingt extern statt finden. Primär sollte man auch trennen zwischen Outdoor-Trainer und Indoor-Trainer. Die Outdoor-Trainer sind für die Aktivitäten zuständig, der Indoor-Trainer ist notwendig, um die Erlebnisse zu reflektieren, Maßnahmen abzuleiten und in weiterer Folge umzusetzen.«
Gibt es auf diesem Gebiet etwas Neues, einen neuen Trend, etwas, das sich demnächst durchsetzen wird?
Günther Mathé: »Während die Programme von Outdoor-Anbietern eher an Abenteuerreisen für Manager erinnerten, scheint sich nun ein Trend – weg vom Spektakulären – abzuzeichnen. Metapher heißt der neue Schlüsselbegriff. Outdoor-Trainings sollen Situationen des betrieblichen Alltags simulieren. Dabei liegt der Fokus nicht mehr wie früher auf Action und Spannung, sondern auf Entschleunigung, Bewusstmachen und Symbolik.«

Josef Dietmann: »Die Kombination aus analogem und digitalem Erlebnis, die in vielen privaten und geschäftlichen Bereichen bereits Einzug findet, wird künftig auch Outdoor-Trainings beeinflussen. In unserem Hotel haben wir etwa Funkkopfhörer angeschafft, um akustisch durch unseren Spirit Park zu führen oder mit Neuromusik Lerneffekte zu fördern. Mit der Weiterentwicklung der Virtual-Reality- bzw. ­Augmented-Reality-Technologien werden zunehmend auch visuelle Reize aus dem Computer das Erlebnis in der Natur ergänzen, aber nicht ersetzen. Ein weiterer Trend ist Gamification. Gemeint ist damit eine zunehmend spielerische Herangehensweise ans Lernen, was zu höherer intrinsischer Motivation und größerer Lernbereitschaft führt. Outdoor-Trainings sind für diese Art des Lernens prädestiniert.«
Outdoor-Trainings werden oft mit Hochseilgärten in Verbindung gebracht. Braucht es solche Elemente? Welche Vorteile haben diese?
Günther Mathé: »Die Zeit des Hochseilgärtenbooms für Outdoor-Trainings ist tendenziell vorbei. Mittlerweile leisten sich die Leute privat gerne Action und Adventure in Form von Hochseilgärten, Raften, Canyoning. Es ist nichts Besonderes mehr, im Rahmen der Firma in den Klettergarten zu gehen. Dennoch ist ein Hochseilgarten als gemeinsames Erlebnis oft recht gewinnbringend für die Gruppe und immer wieder spannend, wenn es im Anschluss gut reflektiert wird.«

Josef Dietmann: »Hochelemente sind hervorragend geeignet, um sich mit Themen wie Vertrauen, Verantwortung, Verbindlichkeit, Kommunikation und Unterstützung zu beschäftigen sowie den Umgang mit Angst und Risiko zu trainieren. Die Übungen in luftiger Höhe sind ein besonderes Erlebnis und bleiben den Teilnehmern daher gut in Erinnerung. Auch in unserem Spirit-Park stehen einige Elemente für Teamtrainings bereit.«
Was sollte man bei einem Outdoor-Training tun, damit der Lerntransfer erhöht bzw. sichergestellt wird?
Günther Mathé: »Da die Aufgabenstellungen im Business immer komplexer, umfang- und abwechslungsreicher werden, ist man auf die Zusammenarbeit eines gut funktionierenden Teams angewiesen. Es geht darum, die Stärken und Schwächen der anderen Mitglieder richtig einschätzen zu können und seinen Platz innerhalb des Gruppengefüges zu finden. Der Fokus liegt ganz klar auf der Förderung des Zusammenhalts und der Integration. Bei Outdoor-Trainings ist es daher immer wichtig, die Reflexion auf 3 Ebenen zu betrachten:
Was verändert sich dadurch für mich?
Was lernen wir daraus für uns als Team?
Was bedeutet das für unser Unternehmen?«

Josef Dietmann: »Für Outdoor-Trainings gibt es – wie auch für andere Formen des Trainings – kein allgemein gültiges Erfolgsrezept. Die Übungen müssen stets mit Bedacht und entsprechend der definierten Ziele gewählt werden. Entscheidend ist zudem das Rundherum. Es braucht eine Atmosphäre, in der sich die Teilnehmer wohlfühlen und offen über das Erlebte sprechen.«

Fazit und Ausblick
Outdoor-Trainings haben sich verändert, haben sich mit der Zeit mitentwickelt – und haben sich so ihren Reiz bewahrt und ihre Wirkung vielleicht noch verstärken können.
Digitalisierung ist nicht nur ein Hauptthema dieser Ausgabe (siehe verschiedene Artikel ab Seite 43), sondern auch die große Veränderung der Gegenwart und Zukunft. Es ist naheliegend, dass Menschen während dieses Wandels und auch danach einen erhöhten Bedarf nach dem Analogen haben, nach der Natur, nach Face-to-face-Kommunikation, nach Erlebnissen in Gruppen. Gut gemachte Outdoor-Trainings können all das bieten. Ihnen steht also eine rosige Zukunft bevor.

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