Fakt versus Fake

Fake News sind keine Erscheinung der modernen Welt. In diesem Artikel lesen Sie den Ursprung und die Gründe für viele Fake News.

Spätestens seit das Buch »Bullshit Busters« von Christoph Wirl und Axel Ebert ein weltweiter, millionenfach verkaufter Bestseller wurde (Achtung FAKE!), ist klar: Nicht alles, was Trainer und Speaker erzählen, entspricht der Wahrheit bzw. wurde von den Experten auf Wahrheitsgehalt überprüft. Dennoch halten sich manche unwahren Geschichten oder Behauptungen sehr lange. Warum ist das so? Was ist der Ursprung von falschen Behauptungen? Und sind diese eine Erscheinung der modernen Zeit?

Dass es so viel Unwahrheiten gibt, hat mehrere Gründe. Einerseits wurden wir in den letzten Jahrzehnten so erzogen und sozialisiert, dass wir zu allem eine Meinung haben müssen. Wir sagen nicht einfach: »Ehrlich gesagt, hier kenne ich mich viel zu wenig aus, und möchte daher nichts dazu sagen.« Das wirkt ungebildet. Daher sagen wir einfach irgendwas. »Der Coranavirus ist ja eh nur ein harmloser Grippe-Virus, warum machen alle so ein Tam-Tam darüber?«, hat man noch Anfang März gehört. Da fragt man sich doch, was Menschen zu Experten für Virologie macht, wenn sie so etwas sagen? (Übrigens lagen auch fast alle Virologen am Anfang mit ihrer Einschätzung falsch.)
Andererseits klingen manche Geschichten einfach zu gut, um sie nicht zu erzählen. Dabei ist es dem Erzähler wie z. B. Trainern oder Journalisten egal, ob sie wahr sind oder nicht – Hauptsache sie erreichen ihr Ziel. Sie lügen also nicht bewusst, sondern erzählen unreflektiert Plausibelklingendes einfach weiter – dafür hat der Philosoph Harry G. Frankfurt den Begriff »Bullshit« definiert, der übrigens häufig falsch verwendet wird. Was für eine witzige Ironie!

Und das Spannende ist: Das war schon immer so! Klar, durch soziale Medien verbreiten sich falsche Nachrichten heute schneller als früher. Und man könnte auch meinen, sie werden immer häufiger bewusst als Kommunikationsstrategie genutzt. Bleiben wir, aus aktuellem Anlass, beim Beispiel Corona: Als die Regierung zum ersten Mal kommuniziert hat, es würde ganz sicher keine Ausgangsbeschränkung geben, ging genau diese Behauptung viral. Zum damaligen Zeitpunkt als Fake News dargestellt, wurde geschrieben: »Die Regierung plant Ausgangsbeschränkungen.« Die Reaktion der Regierung war eindeutig. Über alle »seriösen« Kanäle wurde publiziert, dass das nicht angedacht ist. Nur 2 Tage später wurde in Teilen Österreichs eine Ausgangsbeschränkung umgesetzt. Fake News wurden zu Real News. Und es war gar nicht mehr so schlimm, da die Möglichkeit schon seit zwei Tagen in den Köpfen der Bürger war. Ähnliches wurde von amazon vor ein paar Jahren gemacht, als die Behauptung, Drohnen würden zukünftig als Zusteller agieren, von amazon als Fake News dargestellt wurde. Wenige Wochen später flogen die ersten Testdrohnen zu Kunden. Eine interessante, neuartige Kommunikationsstrategie: Aus Fake wird Real!

Fragt man Menschen nach Werten, die ihnen wichtig sind, wird Ehrlichkeit häufig genannt. Wir wollen also nicht angelogen werden. Und dennoch werden wir es permanent. Und wir selbst lügen auch permanent. Oft bewusst, oft unbewusst. Die Sorge, angelogen zu werden, hat die Menschheit seit Jahrhunderten dazu bewegt, Methoden auszuarbeiten, um Lügen zu enttarnen. Körpersprache und sogar das Körpergewicht wurden untersucht, um einen Zusammenhang zu Lügnern festzustellen. Es gibt so viele Arten von Lügen, die häufig mit Farben bezeichnet werden: Weiße Lügen sind kleine Notlügen, harmlose soziale Schwindeleien. Gelbe Lügen sind Ausreden, die aus Feigheit erzählt werden. Blaue Lügen sind das Gegenteil und werden aus Bescheidenheit erzählt. Rote Lügen werden aus Unwissenheit erzählt, ohne jegliche Betrugsabsicht.

In dem Buch »Echt wahr?« von Tom Phillips liest man auf den ersten Seiten viel Interessantes über die Entstehung von Fake News und über die Ausbildung von Journalisten. Er schreibt: »In ›The Writer‹, einer neuen Zeitschrift für das boomende Gewerbe der professionellen Schreiberlinge, äußert sich der Herausgeber William Hills durchaus wohlwollend über Zeitungen, bei denen Journalisten ›imstande sein müssen, genial zu faken, um ihre Arbeit gut zu machen‹. Ein paar Monate später erklärte er mit großer Bestimmtheit, dass ›kaum eine Nachrichtenmeldung geschrieben wird, bei der nicht in größerem oder kleinerem Umfang ›gefakt‹ worden sei.«
Später liest man in diesem empfehlenswerten Buch noch folgenden Absatz: »Ein Beispiel dafür, wie derlei ›unwichtige Einzelheiten‹ wohl aussehen könnten, liefert ein Ausbildungshandbuch für angehende Journalisten aus dem Jahr 1894, verfasst von einem gewissen Edwin Shuman – einem Chicagoer Journalisten, der auch unterrichtete, wie man Journalist wird –, lange bevor ein Abschluss in Journalismus eine Option gewesen wäre. Shuman warnt die angehenden Journalisten vor dem ›dummen und geistlosen Fehler, übertrieben pingelig genau bei Kleinigkeiten sein zu wollen‹ – Dinge wie Minuten und Sekunden oder der Beschreibung der Atmosphäre oder der exakten Wortwahl des Sprechers.«

Seit es Zeitungen gibt (ungefähr seit dem 17. Jahrhundert), wird in diesen gelogen. Je mehr gelogen wurde, umso höher war die Auflage. Es wurde damals der Begriff ›Neuigkeitssucht« geprägt, der sich selbst erklärt. Durch einen Mangel an raschen Kommunikationskanälen, und das Fehlen der Nachrichtenagenturen war es gar nicht so einfach, an Nachrichten aus aller Welt zu kommen. Daher wurden Nachrichten einfach erfunden, gedruckt, geglaubt und weitererzählt. Journalisten anderer Zeitungen empfanden sie als wahr und verbreiteten sie … Sie wissen, wie es weiter geht.

Wahrheit von Unwahrheit zu unterscheiden ist eine Kernkompetenz geworden. Führungskräfte und Unternehmensleitung treffen Entscheidungen auf Basis von Fakten. Doch wie oft stimmen diese? Wie schwierig es ist, tatsächlich auf die Wahrheit zu vertrauen, stellt Tom Phillips ebenfalls in dem oben erwähnten Buch dar:
Stellen Sie sich vor, Sie werden in einem Hotelzimmer durch das Klingeln des Telefons geweckt. Sie sind im Jetlag, völlig verwirrt und wissen gar nicht, wo und warum Sie da sind. Sie haben keine Ahnung, wie lange Sie geschlafen haben. Sie suchen eine Uhr, finden aber keine. Die Vorhänge sind komplett verdunkelt, sodass Sie keine Ahnung haben, ob es Tag oder Nacht ist. Sie heben den Hörer ab. Ein Mann meldet sich, stellt sich als ›Barry‹ vor, begrüßt Sie freundlich und erzählt Ihnen, dass er froh sei, dass Sie es geschafft haben. Sie haben keine Ahnung wer dieser Mann ist, und worum es geht. In Ihrem Zustand fragen Sie als erstes: »Wie spät ist es?« Die Stimme sagt: »Einen Augenblick, lassen Sie mich rasch gehen und auf die Uhr schauen.« Sie hören Schritte, die sich entfernen. Zeit vergeht, es könnten Minuten gewesen sein bis die Schritte wieder lauter werden. »Es ist 5 Uhr« sagt die Stimme am Telefon. Und jetzt kommt die Frage: Wie spät ist es tatsächlich?

Wie viele Möglichkeiten von Wahrheit gibt es? Lesen Sie nicht weiter, bevor Sie nicht mindestens 10 gefunden haben. Ja klar, 5 Uhr früh oder 5 Uhr nachmittags, das fällt Ihnen sofort ein, doch was gibt es noch? Der Autor des Buches stellt mehr als 20 Varianten vor, und ist sich bewusst, dass das noch lange nicht alle sind.

Wanduhr

 

Also … haben Sie Ihre 10 Möglichkeiten gefunden? Hier ein paar Denkanstöße:

  • Die Uhr von Barry könnte falsch gehen.
  • Barry könnte in einer anderen Zeitzone sein.
  • Barry könnte aufgerundet haben und es ist 10 vor oder 10 nach 5 Uhr.
  • Hat er die Zeit eingerechnet, die er vom Ablesen der Uhr bis zum Telefon gebraucht hat?
  • Hat er Sie einfach angelogen?
  • War die Uhr, auf die er geglaubt hat zu schauen, vielleicht gar keine Uhr, sondern ein Bild einer Uhr, die 5 Uhr zeigt?
  • Vielleicht kann Barry die Uhr gar nicht lesen und hat Ihnen einen Schätzwert gesagt.
  • Vielleicht haben Sie sich einfach verhört.
  • Vielleicht hat er sich versehentlich versprochen und wollte eigentlich 9 Uhr sagen.
  • Vielleicht ist 5 Uhr ein Codewort der geheimen Mission, an der Sie arbeiten und gar nicht die Zeit.

Die Wahrheit herauszufinden, ist nicht leicht, das zeigt dieses Beispiel. Bleiben Sie wachsam und checken Sie Geglaubtes auf Fakten, bevor Sie es weitererzählen, sonst werden Sie schneller zum ›Bullshitter‹, als es Ihnen lieb ist.

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