Hilfe, ich wachse

Welche Trainings- bzw. Coachingmaßnahmen zu welchem Zeitpunkt bei wachsenden, jungen Unternehmen passend sind.

Die Entwicklung eines Unternehmens vollzieht sich idealtypisch in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, deren Charakteristika bei der Gestaltung von Trainingskonzepten zu berücksichtigen sind. Anfangs stehen die Gründungs- und Etablierungsphasen, die geprägt sind von der Entwicklung der Geschäftsidee, neuer Produkte und Dienstleistungen und dem Auf- und Ausbau des ersten Marktes. Innovation und Entrepreneurship stehen hierbei im Vordergrund, Jungunternehmer fungieren überwiegend als »Entrepreneur« und »Sales Man«. Die darauf anschließende Wachstumsphase ist charakterisiert durch die Expansion von bestehenden und der Gewinnung von neuen Märkten und damit verbunden mit einem internen Wachstum an Mitarbeitern und Strukturen. Diese Phase stellt vor allem Gründer von technologieorientierten Unternehmen vor sehr spezifische Herausforderungen, mit denen sie sich oft allein gelassen fühlen: der Sprung vom Entrepreneur zum Manager! Dieser ist meist kein Selbstläufer und erfordert ein persönliches Wachstum einhergehend mit der Entwicklung einer Reihe von neuen Kompetenzen.

Herausforderungen und Implikationen für Trainingsinhalte

Studien zeigen, dass zu den größten Herausforderungen in der Wachstumsphase die Etablierung von Organisationsstrukturen und die Mitarbeiterführung, gefolgt von der Kulturgestaltung, dem Personalmanagement und der Ausgestaltung von Führungs- und Controllinginstrumenten zählen. Für das Gründungsteam entsteht hiermit eine Reihe von neuen Aufgaben, die nicht alle und vollständig auf andere Personen übertragen werden können. Somit durchläuft ein Großteil der Jungunternehmer einen Rollenwechsel, der je nach Vorerfahrung unterschiedlich intensiv erlebt wird: weg vom klassischen Entrepreneur hin zur entscheidungsstarken Führungskraft und zum strukturgestaltenden Manager. Für die inhaltliche Ausgestaltung von Trainings für diese Zielgruppe ergibt sich somit nicht viel Neues: Es gilt nach wie vor, klassisches Management-Know-how und zeitgemäße Führungskompetenzen zu entwickeln. In Zeiten von VUCA und der dadurch geforderten Agilität rücken jedoch die zwei folgenden Kompetenzen aktuell stark in den Vordergrund:

  • Die Reflexionskompetenz umfasst die Fähigkeit, mit Hilfe von Selbst- und Fremdreflexion das eigene Denken und Handeln kritisch zu hinterfragen und daraus gegebenenfalls einen Veränderungsbedarf abzuleiten. Trainings sollten Ansätze, Methoden und konkrete Tools der Reflexion umfassen, den Jungunternehmern sollte in diesem Bereich ein solides Handwerkzeug an Reflexionstools mitgegeben werden.
  • Die Gestaltungs- und Veränderungskompetenz umfasst Kenntnisse im Bereich der Gestaltung und der Methoden von Organisationsentwicklung-, Lern- und Veränderungsprozessen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, Veränderungen proaktiv zu gestalten und umzusetzen.

Interventionsdesign für zielgruppenadäquate Trainings

Um Jungunternehmer beim Rollenwechsel vom Entrepreneur zum Manager bestmöglich zu unterstützen, sollte auf ein ganzheitliches Interventionsdesign gesetzt werden, das sich aus den folgenden vier Säulen zusammensetzen kann:

Säule 1 – externe Reflexion: Der Trainingsbedarf gestaltet sich je nach Lern- und Entwicklungsbiografie und der idiosynkratischen Ausgestaltung des jeweiligen Unternehmens sehr individuell. Einzelcoachings können dabei helfen, klar zu erkennen, welches Ausmaß an Rollenwechsel es zu bewältigen gibt, welche Lern- und Entwicklungsziele sich daraus ableiten lassen, welches Wissen und welche Fähigkeiten in diesem Kontext zu erwerben sind und auf welche eigenen Stärken sich hierbei aufbauen lässt. Weiters kann diese Säule auch dazu genutzt werden, ein Handwerkszeug zur begleitenden Selbstreflexion zu vermitteln (Reflexionskompetenz) sowie an einer offenen und proaktiven Haltung gegenüber Veränderungsprozessen zu arbeiten (Gestaltungs- und Veränderungskompetenz).

Säule 2 – theoretisches Lernen: Als Basis zur Entwicklung der grundlegenden Managementfähigkeiten sollte in einem ersten Schritt das hierfür erforderliche Fachwissen zu z. B. Management, Führung, Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement vermittelt werden. Dies kann in klassischen Aus- und Weiterbildungssettings erfolgen. Wer das gerne innovativer und zeitgemäßer gestalten möchte, kann hier auch auf E-Learning bzw. »Modern Workplace Learning« setzen.

Säule 3 – handlungsorientiertes Lernen: Damit neue Handlungsweisen aus dem individuellen Coaching (Säule 1) und neues Fachwissen (Säule 2) auch tatsächlich zur Anwendung kommen und folglich auch ein Lerntransfer in den Arbeitsalltag und das eigene Unternehmen ermöglicht wird, sollten diese unabdingbar in Form von konkreten Aufgabenstellungen im eigenen Unternehmen umgesetzt werden. Der Transfer kann hierbei durch kollektives Lernen verstärkt werden, d. h. indem sich, wo immer das auch möglich ist, mehrere Personen aus dem Unternehmen an der Umsetzung der neuen Handlungsmuster beteiligen und diese gemeinsam evaluieren und reflektieren. Wichtig hierbei ist, die Umsetzungsschritte in kleinen Mengen zu dosieren und diese auch im individuellen Coaching (Säule 1) nochmals gut zu reflektieren, damit neue Handlungsweisen nachhaltig entwickelt werden können.

Säule 4 – Kooperatives Lernen: Studien zeigen, dass sich Jungunternehmer in Wachstumsphasen mit ihren spezifischen Herausforderungen oft allein gelassen fühlen. Es besteht ein Wunsch nach Erfahrungsaustausch mit gleichgesinnten Unternehmern, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Diese Säule ist der individuellen Reflexion im Lernprozess zuzuordnen. Durch einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch wird es ermöglicht, neue Sichtweisen, Lösungsansätze und Motivation zu erlangen. Digitale Lernplattformen eignen sich besonders gut dazu, auf virtuellem Wege einen regelmäßigen Austausch neben einem intensiven Berufsalltag zu ermöglichen.

Quelle: Schweiger, Christina (2012): Junge Technologieunternehmen. Systemische Personal- und Organisationsentwicklung. Gabler Verlag.

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Gastautorin
Christina Schweiger
ist Head of Study Programs an der FHWien der WKW.
www.fh-wien.ac.at