New Work – New Leadership

»New Work« und »New Leadership« sind nicht nur Schlagworte, sondern Bewegungen, die das Ziel verfolgen, Arbeit sinnvoller, flexibler und individueller zu gestalten. In diesem Artikel lesen Sie, wohin die Reise geht, und woran Unternehmen denken sollten.

 

In einer sich ständig wandelnden Welt, in der Technologie, Globalisierung und soziale Veränderungen das traditionelle Arbeitsumfeld neu definieren, entstehen neue Konzepte und Ansätze für die Arbeitswelt. Während »New Work« den Fokus auf die Gestaltung von Arbeitsprozessen und -umgebungen legt, die den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter entsprechen, konzentriert sich »New Leadership« darauf, wie Führung in dieser neuen Arbeitswelt aussehen sollte. Es geht darum, Hierarchien abzubauen, mehr Verantwortung an Teams zu übertragen und eine Kultur des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu fördern. In diesem Artikel werden wir tiefer in diese Konzepte eintauchen, ihre Bedeutung in der modernen Arbeitswelt untersuchen und herausfinden, wie Unternehmen sie erfolgreich umsetzen können.
New Work, ein Begriff, der ursprünglich von Frithjof Bergmann (österreichisch-amerikanischer Philosoph) geprägt wurde, steht für eine neue Arbeitswelt, die von Flexibilität, Selbstbestimmung und einer neuen Unternehmenskultur geprägt ist. Doch welche Unternehmensstrukturen sind für New Work besonders geeignet? TRAiNiNG hat sich für diesen Artikel der Hilfe von drei Experten bedient.

Flexibilität vs. Struktur

Traditionelle Unternehmen sind oft durch strenge Hierarchien gekennzeichnet. Bei New Work hingegen stehen flache Hierarchien im Vordergrund. Das bedeutet, dass Entscheidungsprozesse dezentralisiert werden und Mitarbeiter mehr Verantwortung und Autonomie in ihrer Arbeit haben. Dies fördert die Kreativität und Innovation im Unternehmen. Flexible Arbeitszeiten, Home-Office und Projektarbeit sind zentrale Elemente von New Work. Unternehmen sollten Strukturen schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihre Arbeit selbst zu gestalten und an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen.
Corina Drucker (Content & Communications Manager Stepstone Österreich) über neue Strukturen: »Es ist eine andere Art des Zusammenarbeitens, wenn man die Beschäftigten nicht jederzeit sieht, weil sie nebenan sitzen. Das verändert vieles und auf allen Ebenen. Leistung muss zum Maßstab werden, nicht Anwesenheit. Die alten Strukturen haben ausgedient. Der Fokus verschiebt sich: von der Strukturfrage zur Kulturfrage. Natürlich müssen auch bei New Work klare Verantwortlichkeiten definiert werden. Es muss geregelt sein, welche Ziele zu erreichen sind, wie die Zusammenarbeit mit anderen erfolgt, und auch Grenzen gehören abgesteckt. Der Unterschied ist: In modernen Arbeitsformen passiert das nicht top-down, sondern im Rahmen einer Vertrauenskultur.«

Helga Steiner (Geschäftsführung STEINER Consulting) weiß, dass ohne Struktur im Unternehmen Effizienz und Zusammenarbeit leiden können: »Aktuell erlebe ich immer wieder frustrierte Unternehmer, die durch mangelnden Teamgeist die Weiterentwicklung des Unternehmens in Gefahr sehen. Klare Ziele, Verantwortungen und Befugnisse, transparente Kommunikation sowie Selbstorganisation sind Schlüssel, um das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Struktur zu wahren. Die konkreten Aufgaben ergeben sich in der Folge organisch, ohne dass jeder Schritt detailliert vorgegeben werden muss.«

Statt starren Abteilungen sind bei New Work oft cross-funktionale Teams gefragt. Diese Teams arbeiten projektbezogen und setzen sich aus Mitarbeitern verschiedener Fachbereiche zusammen. Dies fördert den Austausch von Wissen und Erfahrungen und führt zu besseren Ergebnissen. Ein offener Dialog zwischen Management und Mitarbeitern ist entscheidend für den Erfolg.

»Ich sehe keinen Widerspruch in Freiheit und Flexibilität auf der einen und Struktur und klaren Verantwortlichkeiten auf der anderen Seite«, sagt Monika Herbstrith-Lappe (Trainer und Speaker, sowie Experte für Cognitive Neuroscience). »Damit Freiheit und Flexibilität nicht ins Chaos führen, braucht es einen klaren Rahmen. Eine gute Ausgewogenheit zwischen Spielregeln und Spielräumen trägt ganz wesentlich zur Attraktivität von Spielen bei. Regeln ermöglichen das Zusammenspiel. Gerade, wenn Mitarbeiter einen hohen Grad an Selbstgestaltung der Arbeitsweise und -zeit fordern, müssen ihre Ergebnisverantwortung und die Erwartungen an ihre Arbeitsleistung klar definiert sein. Niemand möchte ein Spiel spielen, bei dem unklar ist, worauf es ankommt und unter welchen Bedingungen man gewinnt.«

Hierarchien am Abstellgleis?

Hierarchien haben seit jeher eine zentrale Rolle in der Organisation von Gesellschaften und Unternehmen gespielt. Sie bieten eine klare Struktur, definieren Verantwortlichkeiten und erleichtern die Koordination von Aufgaben. Historisch gesehen waren hierarchische Strukturen notwendig, um große Gruppen von Menschen effizient zu leiten und Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Doch in einer Zeit, in der Flexibilität, Teamarbeit und flache Organisationsstrukturen immer mehr an Bedeutung gewinnen, stellt sich die Frage: Sind traditionelle Hierarchien und Strukturen noch zeitgemäß?

Corina Drucker hat dazu aktuelle Zahlen: »Natürlich gibt es auch heute noch Menschen, die sich sehr wohl fühlen, wenn sie klare Strukturen vorgegeben haben und sich darum selbst keine Gedanken machen müssen. Nicht alle Beschäftigten möchten remote arbeiten, knapp 20 % (Stepstone-Jobreport 2023) sagen, dass sie lieber vom Büro aus arbeiten. New Work sollte Flexibilität ermöglichen, aber nicht erzwingen. Außerdem dürfen wir nicht vergessen: Es ist nicht überall möglich – im Handel, im Handwerk, in der Pflege oder bei körpernahen Dienstleistern ist New Work kein Thema.«

Der Schlüssel scheint darin zu liegen, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: die klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten von Hierarchien mit der Flexibilität und Kreativität flacher Organisationsformen.
Monika Herbstrith-Lappe: »In jedem Fall braucht es die Rollenklarheit, wer wofür verantwortlich ist und wer wofür Ansprechpartner ist. Für Organisation gilt wie für das technische Getriebe, dass unklare Konturen zu Schlupf führen. Das frisst Wirkungsgrad und fördert den Verschleiß. Wenn formale und gelebte Organisation nicht zusammenpassen, entstehen physikalisch ›Scherspannungen‹. Das ist der Nährboden für Konflikte. Außerdem ist es entscheidend, dass Verantwortungen und Entscheidungsbefugnisse zusammenpassen. Wenn ich einerseits Rechenschaft über die Ergebnisse ablegen soll, aber andererseits von den Entscheidungen anderer abhängig bin, ist das einer der mächtigsten Flow-Killer. Mitarbeiter gehen in die innere und zunehmend auch in die äußere Kündigung.«

Helga Steiner stellt sich klar gegen alte Strukturen und meint: »Machtstrukturen braucht niemand mehr! Was heute gefragt ist, sind eine klare Organisation, die Definition von Zielen und Verantwortungen sowie klare Abläufe und effiziente Prozesse. Wesentlich ist das wechselseitige Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Unternehmen. Vertrauensvolle Bindungen führen zu gesteigerter Motivation, Inspiration und Kreativität. Ein Klima von Respekt, Ehrlichkeit und Offenheit ist entscheidend. Bei klaren Zielen, Transparenz und einer guten Fehlerkultur kann das Team erfolgreich zusammenarbeiten und Erfolg stellt sich ein.«

Selbstorganisierte Teams

In der Diskussion um moderne Unternehmensstrukturen und die Frage nach der Relevanz traditioneller Hierarchien rücken selbstorganisierte Teams immer stärker in den Fokus. Diese Teams, oft charakterisiert durch Autonomie in Entscheidungsfindung und Arbeitsweise, repräsentieren einen Paradigmenwechsel in der Organisationskultur vieler Unternehmen.

»Damit Teams sich selbst steuern und entfalten können, sind präzise Ziele, Prozesse und Funktionsbeschreibungen nötig, gepaart mit einem klaren Informationsfluss und der Partizipation der Mitarbeiter«, weiß Helga Steiner. »Halten Sie Organisation und Projektmanagement so einfach wie möglich, um Ihren Mitarbeitern lange Fokuszeiten zu ermöglichen. Kurze, tägliche Meetings schlagen wöchentliche 3-Stunden-Marathons. Beschränken Sie Kommunikation und Aufgabenboards auf wenige Kanäle, damit der Überblick gewahrt bleibt. Binden Sie Teammitglieder aktiv in die Auswahl von digitalen Werkzeugen ein und geben Sie ihnen die Möglichkeit, Veränderungsprozesse mitzugestalten!«

Neue Teamstrukturen brauchen natürlich auch neue Führungskräfte, weiß Corina Drucker: »Damit es funktioniert, braucht New Work auch New Leadership – die Änderung der Kultur muss sich durch alle Ebenen ziehen. Die Krisen der letzten Jahre waren ein Turbo, aber die Unternehmen New-Work-fit auszurichten, ist jetzt das Thema, und dabei hinken viele noch hinterher. Man muss bedenken, dass für Führungskräfte mit dem Mindset ›von damals‹ New Work geradezu einen Kulturbruch darstellt. Viele aus der Babyboomer-Generation haben noch ein anderes Verständnis von Leadership – etwa die volle und ständige Erreichbarkeit als Führungskraft ist für 80 % der Babyboomer Pflicht (Stepstone-Jobreport 2023), Führungskräfte der Gen Z oder Gen Y sehen das schon ganz anders. Der demografische Wandel könnte den Kulturwandel in Unternehmen aber begünstigen. In modernen Arbeitsformen ist es wichtig, mehr auf Vertrauen zu setzen, als auf Kontrolle und den Fokus immer auf die Ergebnisse zu legen, anstatt auf die Arbeitszeit. Die zwei Grundsätze ›leiten statt führen‹ und ›mit gutem Beispiel vorangehen‹ sollten bei den Führungskräften im Fokus stehen, ebenso wie das Empowerment der Mitarbeiter.«

Monika Herbstrith-Lappe: »New Work braucht einerseits Führungskräfte, die zutrauen und übertragene Verantwortungen wirklich loslassen und andererseits Mitarbeiter, die eigeninitiativ und selbstwirksam handeln. Wenn nur eine Seite ihren Part dazu beiträgt, führt das zwangsläufig in einen Teufelskreis. Führungskräfte, die nur halbherzig delegieren und sich dann immer wieder einmischen, wenn Mitarbeiter andere Wege zum vereinbarten Ziel einschlagen als sie selbst bevorzugen würden, untergraben die Motivation der Mitarbeiter. Das führt dazu, dass das mangelnde Vertrauen der Führungskräfte in die Mitarbeiter noch weiter reduziert wird. Andererseits gibt es Mitarbeiter, die es nicht gewohnt sind und es auch ablehnen, Verantwortung zu übernehmen. Die Führungsaufgabe mit der größten Hebelwirkung ist die Selbstführung zur Förderung der eigenen Motivation und Leistungsstärke. Führung von selbstorganisierten Teams kann man mit dem Satz zusammenfassen: Self-Leadership als Voraussetzung für Leadership, um das Self-Leadership der Mitarbeiter zu fördern.«

Abgrenzung zur Freizeit

New Work fordert uns ebenfalls heraus, unsere traditionellen Vorstellungen von Arbeit und Freizeit zu überdenken. Wo endet die Arbeit und wo beginnt das Privatleben, wenn Home-Office, flexible Arbeitszeiten und ständige Erreichbarkeit zur Norm werden?

Corina Drucker kennt die Problematik: »Die erschwerte Abgrenzung und Burn-out-Gefahr durch Verschmelzung von Arbeit und Privatleben ist sicher ein sehr reales Problem bei modernen Arbeitsformen. Einerseits geht es bei New-Work-Arbeitsformen oftmals darum, Mitarbeitern mehr Flexibilität einzuräumen. Dadurch, dass Arbeitnehmer teilweise auch remote oder im Home-Office arbeiten und sich ihre Arbeitszeiten flexibel selbst einteilen können, verschwimmen oftmals die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, kann sich sehr negativ auf Work-Life-Balance und mentale Gesundheit auswirken.«

Monika Herbstrith-Lappe: »Der Begriff Work-Life-Balance vermittelt den Eindruck, als fände der Beruf außerhalb des Lebens statt. Tatsächlich ist die berufliche Lebenszeit ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Ich spreche daher von Life-in-Balance und meine damit eine Balance zwischen den beruflichen und privaten Lebensbereichen sowie eine Ausgewogenheit zwischen Tatkraft und Regeneration. In Zeiten von Home-Office ist auch der Begriff Workation aufgekommen: Urlaubsorte werben mit stabilem Internet, das Distance Working ermöglicht. Gefragt ist einerseits die sinnvolle Verbindung von beruflichen und privaten Interessen und andererseits einem bewussten Umschalten zwischen beruflicher und privater Lebenszeit.«

Helga Steiner: »Arbeitsrechtlich besteht hier sicherlich noch Handlungsbedarf. Gleichzeitig eröffnet die aktuelle Situation den Mitarbeitern große Chancen. Auch hier kann ich nur sagen, Selbstverantwortung ist gefragt. Viele Unternehmen stehen den Vorschlägen von Mitarbeitern offen gegenüber – organisieren Sie sich, verhandeln Sie! Eine zu starke gesetzliche Regulierung könnte wiederum Freiräume begrenzen.«

Fazit
New Work repräsentiert einen Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt, der traditionelle Strukturen und Arbeitsweisen herausfordert und neu definiert. In Bezug auf die Struktur bedeutet dies den Übergang von starren Hierarchien zu flexibleren, oft flacheren Organisationsformen, die mehr Autonomie und Selbstbestimmung ermöglichen. Diese Veränderung spiegelt sich in der wachsenden Bedeutung selbstorganisierter Teams wider, die Innovationen fördern, schneller auf Veränderungen reagieren und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erreichen können.

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