Von lokal zu global

HR steht immer mehr im Zentrum der Kulturvielfalt: Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung ist es die Aufgabe der HR-Abteilung, ihre Führungskräfte für die internationale Geschäftswelt mit globalen Teams fit zu machen.

In einem Zeitalter, in dem Informationen in Sekundenschnelle über Kontinente hinweg übertragen werden können und Waren aus entfernten Ecken der Welt täglich an unsere Haustüren geliefert werden, ist die Globalisierung ein Begriff geworden, der sowohl Hoffnungen als auch Bedenken weckt. Sie hat Grenzen verschoben, Kulturen miteinander verschmolzen und hat zu einer beispiellosen Vernetzung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft geführt. Mit der Zunahme der Globalisierung erleben Unternehmen weltweit einen noch nie erlebten Austausch von Ideen, Produkten und Dienstleistungen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg. Dies hat zu einer erhöhten Notwendigkeit für interkulturelle Zusammenarbeit geführt, die sich sowohl als Herausforderung, als auch als Chance für moderne Unternehmen darstellt. Neue Kompetenzen sind gefordert, in diesem Zusammenhang sprechen wir von interkulturellen Kompetenzen. Dieser Begriff bezieht sich auf die Fähigkeiten und Kenntnisse, die erforderlich sind, um effektiv und angemessen mit Menschen aus anderen Kulturen zu interagieren. Egal, ob im eigenen Team oder extern mit Kunden oder Lieferanten.

Interkulturelle Kompetenzen

Ein Verständnis für die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden, Beziehungen zu stärken und die Geschäftsentwicklung zu fördern. Teams, die interkulturelle Kompetenz besitzen, können innovativer sein, da sie unterschiedliche Perspektiven und Ansätze einbringen. Die Unterschiede in Kommunikationsstilen, Hierarchieverständnissen, Geschäftspraktiken und ethischen Normen können durch Unwissenheit zu Konflikten führen. Zum Beispiel kann ein direkter Kommunikationsstil, der in einer Kultur als ehrlich und offen gilt, in einer anderen als unhöflich oder respektlos angesehen werden. (Deutschland – Österreich). TRAiNiNG hat für diesen Artikel zwei wahre Experten1 auf diesem Gebiet interviewt.
Karin Schreiner (Inhaber Intercultural Know How – Training & Consulting): »Die fortschreitende Globalisierung und digitale Vernetzung führen zu höherer Internationalisierung, zu mehr Austausch, zu mehr virtuellen Austauschmöglichkeiten, wodurch interkulturelle Kompetenzen gestärkt werden. Erhöhter Kontakt zu unterschiedlichen Kulturen führt zu besserem Verständnis für kulturelle Unterschiede und Erweiterung von Kulturwissen. Gleichzeitig steigt aufgrund der Internationalisierung der Bedarf an interkulturell kompetenten Personen in der Zukunft. Interkulturelle Kompetenzen stehen also mit dem Blick auf die Zukunft hoch im Kurs.«

Christian Fuchs (Geschäftsführer der KICK OFF Management Consulting GmbH): »Die Globalisierung und die digitale Vernetzung an sich haben wenig Einfluss auf die kulturelle Prägung der einzelnen Personen. Folglich erkennen internationale Unternehmen immer mehr, dass interkulturelle Kompetenzen der Mitarbeiter, vor allem der Führungskräfte, immer wichtiger werden bzw. unabdingbar sind, um Synergie innerhalb der Teams und des Managements zu fördern und folglich die Performance zu sichern. Auch ein sorgfältiger und sensibler Umgang mit dem Thema Diversity und Inclusion ist unabdingbar.«

Methoden und Werkzeuge

Beim Erlernen bzw. Aneignen interkultureller Kompetenzen geht es darum, sowohl den Verstand als auch das Herz zu öffnen, Vorurteile und Stereotypen zu hinterfragen und stets bereit zu sein, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der Engagement und Offenheit erfordert.
Das Trainieren erfordert eine Kombination aus Bildung, Erfahrung und Reflexion. Unsere Interviewpartner kennen einige Ansätze und Methoden, mit denen Einzelpersonen und Organisationen diese wertvollen Fähigkeiten entwickeln können.

»Ein Erfahrungsaustausch zwischen Managern, die international tätig sind und Mentoring sind hilfreich«, weiß Christian Fuchs. »Ebenfalls die Verwendung der entsprechenden Apps, die Kenntnis der einschlägigen Literatur und interkultureller Studien. Zusätzlich empfehle ich interkulturelle Trainings, welche speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Teams angepasst sind. In diesen Trainings wird gemeinsam eine ›Tool Box‹ erarbeitet, welche die Teilnehmer im Daily Business praktisch anwenden können. Für die Führungskräfte sind Einzelsettings/Einzelcoachings mit einem interkulturellen Coach von großem Vorteil.«

Karin Schreiner: »Ich empfehle interkulturelle Trainings und kulturelle Sensibilisierungstrainings, auch kürzere Einheiten wie 2 bis 4 Stunden, aber auch individuelles interkulturelles Coaching. Wichtig wäre, diese Maßnahmen nicht nur ab und zu anzubieten, sondern regelmäßig und niederschwellig.«

Interkulturelle Kommunikation

Interkulturelle Kommunikation bezieht sich auf die Interaktion zwischen Menschen verschiedener kultureller Hintergründe. Diese Unterschiede können auf Nationalität, Ethnie, Religion, sozioökonomischen Hintergrund und anderen kulturellen Dimensionen basieren. Bei der interkulturellen Kommunikation geht es darum, diese Unterschiede zu verstehen und zu überbrücken, um effektiv zu kommunizieren.
Missverständnisse in der interkulturellen Kommunikation können aus verschiedenen Gründen auftreten, darunter:

  • Sprachliche Unterschiede: Selbst wenn Personen dieselbe Sprache sprechen, können Worte unterschiedliche Bedeutungen haben oder unterschiedlich interpretiert werden, je nach kulturellem Hintergrund.
  • Nonverbale Kommunikation: Gestik, Mimik, Augenkontakt und Körperhaltung können je nach Kultur unterschiedliche Bedeutungen haben.
  • Wertvorstellungen und Normen: Was in einer Kultur als höflich oder unhöflich gilt, kann in einer anderen als das Gegenteil betrachtet werden.
  • Denkweisen und Perspektiven: Unterschiedliche kulturelle Hintergründe können zu unterschiedlichen Denkweisen und Perspektiven auf die Welt führen.

Karin Schreiner weiß: »In Kommunikationssituationen können viele Missverständnisse entstehen. Wir wenden unterschiedliche Kommunikationsstile wie z. B. direkte-indirekte Stile an, oder unterschiedliche Maße an Höflichkeit. Auch werden Anweisungen unterschiedlich formuliert, je nachdem, ob hierarchische oder egalitäre Strukturen im Vordergrund sind. Manager können diese Herausforderungen bewältigen, indem sie ihre Kommunikationskompetenz erhöhen und lernen, unterschiedliche Sprachmuster je nach Situation oder Interaktionspartner anzuwenden.«

Christian Fuchs nennt einige ganz konkrete Beispiele: »Die Herausforderungen der Kommunikation ergeben sich aus dem unterschiedlichen Umgang der einzelnen Kulturen mit Hierarchie, Regeln, Zeit, Seniorität, Werten etc. Für die Manager ist daher bei interkultureller Kommunikation interkulturelles Wissen – wie die Kenntnis der Kulturdimensionen, der Unterschiede zwischen polychronem und mono­chronem Arbeiten und des Hierarchieindex – von großem Vorteil.«

Polychrone und monochrome Kulturen beziehen sich auf unterschiedliche Zeitwahrnehmungen und -nutzungen in verschiedenen Kulturen. Monochrone Gesellschaften schätzen Pünktlichkeit, genaue Zeiteinteilung, präzise Verhandlungsabläufe und strenge Termineinhaltung. Polychron sind alle arabischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten sowie der Großteil Südasiens. Hier steht man der Zeit lässig gegenüber: »You have the watches, we have the time«, sagen die Inder zu ihren europäischen Partnern.

Interkulturelle Kompetenzen sicherstellen

Für Unternehmen, insbesondere für solche, die international tätig sind oder multikulturelle Teams haben, ist es aus vielen Gründen wichtig zu wissen, welche Führungskraft über hohe interkulturelle Kompetenzen verfügen. Genau diese können dann gut für diese Teams herangezogen werden. Doch woran kann HR festmachen, welche Führungskraft diese wichtigen Kompetenzen besitzt? Und wie kann sichergestellt werden, dass diese am aktuellen Stand sind und regelmäßig trainiert werden?

Christian Fuchs: »Gute Indikatoren sind ein hoher Engagement-Score, homogene Zusammenarbeit der interkulturellen Teams, konstruktive Konfliktkultur, geringe Fluktuation sowie entsprechende Team-Performance. Eine entsprechende Unterstützung durch interkulturelle Trainings und Coachings verschafft bei Bedarf die fehlenden Fähigkeiten.«

Karin Schreiner ergänzt: »Sie können dies durch ein regelmäßiges Schulungsangebot für Führungskräfte sicherstellen: interkulturelle Trainings, interkulturelles Coaching, individuell oder in der Gruppe. Wichtig wäre, dass Führungskräfte den Bedarf dieser sehr komplexen Kompetenz erkennen und einen Mehrwert darin sehen, das Angebot zu nutzen und sich regelmäßig damit auseinanderzusetzen. Betonung auf regelmäßig, denn interkulturelle Kompetenz beinhaltet eine Reihe von Kompetenzen, die immer wieder aufgefrischt werden sollten.«

Best-Practice-Beispiele

Abschließend hat TRAiNiNG die beiden Experten noch um ein konkretes Beispiel gebeten, bei dem sich Schulung von Führungskräften auf diesem Gebiet nachweisbar gelohnt hat.

Karin Schreiner: »Die Sensibilisierung der Führungsriege in einem großen internationalen Unternehmen führte dazu, dass sich die Führungskräfte einig waren, interkulturelle Kompetenz im Unternehmen stärken zu wollen. Sie stellten Maßnahmen zusammen, die sukzessive umgesetzt werden sollten: Förderung von Inklusion, Bewusstsein über die Gleichwertigkeit aller Kulturen im Unternehmen, Erhöhung von Kulturwissen der Kulturen im Unternehmen, verstärktes Angebot an Sprachkursen für Englisch und andere vorhandene Sprachen im Unternehmen, Förderung des gegenseitigen Respekts, Null-Toleranz gegenüber Diskriminierung, rassistischer Sprache und negativen Stereotypisierungen. Methode: Kurze Vorträge, Trainings, individuelles Coaching, gemeinsame Aktivitäten (outdoor oder auch während der Mittagspause oder afterwork), Förderung von Kommunikation zwischen den Abteilungen und den Teams. Nach einem Jahr wurde evaluiert und die Stimmung im Unternehmen hatte sich wesentlich gebessert im Sinne von Offenheit, Toleranz, Respekt und Verständnis für andere Kulturen und kulturelle Gepflogenheiten. Die Zusammenarbeit in den Teams klappte jetzt viel besser. Das Bekenntnis der Führungsebene war ein gutes Mittel, um alle Mitarbeiter zu motivieren.«

Christian Fuchs: »Eines der besten Beispiele ist die Begleitung eines interkulturellen Teams, wo die einzelnen Teammitglieder aufgrund ihrer kulturellen Prägungen und Herkunft bzw. der Geschichte die Zusammenarbeit verweigerten bzw. sabotierten. Nach Erlangung der nötigen interkulturellen Kompetenzen durch unsere Workshops und Coachings wurde das Team zum Vorzeigeteam im Unternehmen. Erwähnt sei noch, dass die Teammitglieder aus Syrien, Jordanien, Libanon, Israel, Griechenland, Türkei und Iran stammten.«
Fazit
Interkulturelle Kompetenzen sind in der heutigen, zunehmend globalisierten Geschäftswelt für viele Unternehmen unerlässlich. Die Fähigkeit, effektiv und angemessen mit Individuen aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu interagieren, ist nicht nur für das tägliche Geschäft, sondern auch für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Die HR-Abteilungen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie dafür verantwortlich sind, solche Kompetenzen sowohl bei der Einstellung neuer Mitarbeiter als auch bei der Weiterbildung bestehender Mitarbeiter zu identifizieren und zu fördern. Für Führungskräfte, die oft an vorderster Front bei der Interaktion mit internationalen Partnern stehen und multikulturelle Teams leiten, sind diese Fähigkeiten besonders relevant. Ein Verständnis für und Respekt vor kulturellen Unterschieden kann nicht nur zu besseren Geschäftsergebnissen führen, sondern auch dazu beitragen, eine inklusivere, harmonischere und produktivere Arbeitsumgebung zu schaffen. In Anbetracht der stetigen Zunahme der Globalisierung und der damit verbundenen kulturellen Vermischung ist die Bedeutung interkultureller Kompetenzen für Unternehmen nur noch weiter gestiegen.

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Interkulturelle Kompetenz